Die Regierung in Washington hat einen Plan vorgestellt, der wie ein Fossil aus einer anderen Zeit wirkt: Die Kohle soll zurück an die Spitze der US-Energieversorgung, koste es, was es wolle. 13,1 Millionen Acres Bundesland werden für den Abbau geöffnet, die Förderabgaben gesenkt, 625 Millionen Dollar in alte Kraftwerke gepumpt, um ihre Lebenszeit künstlich zu verlängern. Parallel reißt die Umweltbehörde EPA Grenzwerte ein – von CO₂ über Quecksilber bis zu giftigen Abwässern. Es ist eine Rückwärtsrolle, ein Versuch, ein Zeitalter zu restaurieren, das der Markt, die Technik und die Wissenschaft längst hinter sich gelassen haben.
Trump inszeniert dabei das alte Ritual: Helme im Hintergrund, Schlagworte im Vordergrund – „clean, beautiful coal“ – und das Versprechen billiger, sicherer Energie. Doch in Wahrheit steht ein milliardenschwerer Subventionsapparat dahinter, der eine alternde Industrie stützt, während die moderne Energiewirtschaft längst woanders investiert. Seit 2005 ist der Anteil der Kohle an der US-Stromerzeugung von fast der Hälfte auf nur noch 16 Prozent gefallen. Der Trend war eindeutig: billiges Erdgas, Solar, Wind und Speicher verdrängen die Kohle. Hunderte Meiler sind stillgelegt worden, zehntausende Bergleute haben ihre Jobs verloren. Selbst in Trumps erster Amtszeit konnten die Notverordnungen und Förderprogramme die Entwicklung nicht aufhalten – rund 100 Kohlekraftwerke gingen vom Netz.
Die neue Offensive ist härter, aggressiver, aber auch absurder. Schon im Juni zwang das Energieministerium das 63 Jahre alte J.H. Campbell-Kohlekraftwerk in Michigan per Notfallanordnung weiterzulaufen – obwohl weder der Netzbetreiber noch der Versorger dies verlangten. Die Kosten – allein 29 Millionen Dollar in den ersten fünf Wochen – wurden auf die Verbraucher in zehn Bundesstaaten verteilt. Weitere Eingriffe sind angekündigt. Die Rechtfertigung liefert eine umstrittene Studie, die vor Blackouts warnt, falls zu viele Kohleblöcke stillgelegt werden. Experten, Bundesstaaten und Umweltorganisationen kritisieren das Papier als einseitig und bewusst verzerrt: Wind, Solar, Speicher und flexible Gaskraft könnten die Versorgung längst stabil sichern – wenn man sie nicht gleichzeitig politisch ausbremste. Parallel dazu schloßen in Detroit Teile eines General-Motors-Werks für Elektrofahrzeuge vorübergehend, während Gerichte in Indiana und Ohio über langjährige Streitfälle zu Kohleasche entschieden und Jugendliche in Wisconsin den Staat wegen klimaschädlicher Gesetze verklagten.

Die Folgen dieser Politik sind gravierend. Kohlekraftwerke sind die größten Emittenten von Kohlendioxid – der Haupttreiber des Klimawandels. Doch sie stoßen nicht nur CO₂ aus: Schwefeldioxid, Stickoxide, Feinstaub und Quecksilber belasten Luft und Wasser, verschlechtern die Lebensqualität und verkürzen Leben. Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebsrisiken – die Liste der gesundheitlichen Gefahren ist lang. In Bergbauregionen wie West Virginia ist die schwarze Lunge nach wie vor eine Realität. Abwässer aus Kohlekraftwerken vergiften Flüsse, belasten Böden, treffen gerade ärmere Gemeinden. Jede Verlängerung der Laufzeit ist eine Verlängerung dieses Risikos. Die Wahrheit über Kohlekraft ist eindeutig: Sie ist Klimakiller Nummer eins. Wissenschaftliche Daten zeigen, dass Kohlekraftwerke eine der schmutzigsten Formen der Energieerzeugung sind. Laut dem Weltklimarat (IPCC) ist die Kohleverbrennung die Hauptquelle für CO₂-Emissionen im Energiesektor. 2022 verursachten Kohlekraftwerke weltweit über 15 Milliarden Tonnen CO₂ – fast 40 Prozent der energiebedingten Emissionen. Die Internationale Energieagentur warnt, dass ein Festhalten an Kohle den Temperaturanstieg außer Kontrolle geraten lassen könnte. Die Folgen sehen wir schon heute: Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen – Katastrophen, die fossile Brennstoffe mit antreiben.

Eine Studie der Umweltwissenschaftlerin Jennifer A. Burney hat gezeigt, welche Effekte der Rückgang der Kohlekraft in den USA bereits hatte. Zwischen 2005 und 2016 konnten durch das Abschalten alter Anlagen mehr als 26.000 vorzeitige Todesfälle verhindert werden. Gleichzeitig stiegen die Erträge bei Mais, Sojabohnen und Weizen um 15 Millionen Tonnen, weil die Luft sauberer wurde. Auch wenn Zahlen zu Todesfällen umstritten sind, bleibt die Botschaft klar: Kohlekraftwerke schädigen nicht nur die Gesundheit, sie verursachen auch ökonomische Verluste. Auch finanziell ist Trumps Politik ein Irrweg. Jede Subvention, jede Notverordnung, jedes Aufweichen von Standards verschiebt Kosten nach oben. Alte Kraftwerke zu modernisieren ist teuer, ihre Instandhaltung aufwendig, der Brennstoffpreis schwankt, die Umweltkosten zahlen Steuerzahler und Krankenkassen. Netze und Märkte müssen zusätzlich angepasst werden, weil Flexibilität gebraucht wird, die Kohle nicht bietet. Milliarden fließen in Stranded Assets – in Anlagen, die in wenigen Jahren wieder stillgelegt werden müssen.
Trumps verhängnisvoller Wurf – und die Staaten zahlen die Zeche
Donald Trump hat sein Meisterstück der zweiten Amtszeit längst gefunden: ein gigantisches Gesetzespaket, von Republikanern beschönigend als „One Big Beautiful Bill Act“ gefeiert. Es bringt massive Steuersenkungen, , zerstört Klima- und Umwelt, verschärfte Auflagen für Bedürftige und zugleich tiefe Einschnitte bei den sozialen Sicherungssystemen. Doch während Washington jubelt, ringen die Bundesstaaten mit den Folgen – und die Kluft zwischen Demokraten und Republikanern könnte kaum deutlicher sein.
In Colorado schlug die Realität früh durch. Gouverneur Jared Polis, Demokrat, berief im August eine Sondersitzung des Parlaments ein, nachdem seine Finanzbehörden ein Loch von 783 Millionen Dollar im laufenden Haushalt ausmachten. Grund: die neuen Bundessteuersenkungen, die automatisch auch die Staatseinnahmen schmälern. Die Antwort der Demokraten war drastisch: Steuervergünstigungen für Unternehmen wurden gekappt, staatliche Steuergutschriften verkauft – ein Kraftakt, um wenigstens Teile der Haushaltslücke zu schließen. Auch Oregon steht vor ähnlichen Problemen, weil das Steuerrecht eng mit dem Bundesrecht verknüpft ist. Demokratische Abgeordnete dort diskutieren, wie sie sich von einzelnen Trump-Vorgaben abkoppeln können, um hunderte Millionen Dollar nicht zu verlieren. Auf dem Spiel steht die Finanzierung von Gesundheitsversorgung, Umweltprojekten und Lebensmittelhilfen – und selbst Trinkgelder oder Überstundenzuschläge könnten bald wieder besteuert werden.
In Kalifornien hat Gouverneur Gavin Newsom gerade ein Maßnahmenpaket von 255 Millionen Dollar unterzeichnet, das direkt auf die Folgen von Trumps Gesetz reagiert. Darin enthalten sind Millionenbeträge für Notfall-Tafeln, für die Anpassung an verschärfte Arbeitsauflagen im Lebensmittelhilfeprogramm SNAP und für eine Reduzierung von Verwaltungsfehlern, die den Staat künftig teuer zu stehen kommen könnten. Denn ab 2027 droht, dass Bundesmittel gekürzt werden, wenn Fehlerquoten über sechs Prozent steigen. Der Sprecher der kalifornischen Assembly, Robert Rivas, formulierte es so: Man habe so viel wie möglich getan, um den Bundesverlust zu kompensieren – doch die Warnung vor einem milliardenschweren Defizit steht wie ein Schatten über Sacramento.
Noch deutlicher wird der Gegensatz in New Mexico. Gouverneurin Michelle Lujan Grisham nutzte die hohen Einnahmen aus der boomenden Ölproduktion, um frühzeitig gegenzusteuern. Obwohl auch ihr Staat rund 200 Millionen Dollar jährlich verlieren wird, steckt die Regierung zusätzliche Mittel in Lebensmittelhilfen, ländliche Gesundheitsversorgung, Windenergie und in Subventionen für Versicherungen über den Affordable Care Act. „Wir werden nicht tatenlos zusehen und dieses Desaster einfach passieren lassen“, sagte Peter Wirth, Mehrheitsführer im Senat. Es ist ein Lehrstück darüber, wie Staaten mit starken Einnahmequellen die Wucht von Washingtons Kürzungen abfedern können – zumindest vorerst.
Doch während Demokraten hektisch handeln, herrscht in republikanisch geführten Bundesstaaten bemerkenswerte Ruhe, verblendet von den Lügen aus Washington. Montana etwa steht vor jährlichen Verlusten von 114 Millionen Dollar – und trotzdem sieht man keinen Grund zur Eile, die Freude dass die Kohlekraftwerke wieder laufen sollen überstrahlt alles. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der Republikaner Larry Brewster, sprach zwar von einer „Sorge“, aber nicht von einem dringenden Problem. In North Dakota, das ebenfalls eng am Bundessteuergesetz hängt, wird allenfalls über eine vorgezogene Parlamentssitzung im nächsten Jahr nachgedacht – nicht etwa wegen der Steuersenkungen, sondern um über die Verwendung von Milliarden an Bundeszuschüssen für die ländliche Gesundheitsversorgung zu entscheiden. Und Iowa, dessen Einnahmen durch die Anpassung an das Bundesrecht um 437 Millionen Dollar schrumpfen könnten, vertraut auf volle Rücklagen und die Hoffnung, dass man die Folgen von Trumps Handelskrieg mit China ebenfalls überstehen wird. Gouverneurin Kim Reynolds erklärte, man sei „in einer guten Position, um die Effekte des One Big Beautiful Bill zu verkraften“.
Die politischen Frontlinien sind damit klar gezogen. Demokratische Staaten reagieren mit Sondersitzungen, Notgesetzen und milliardenschweren Kompensationen – oft aus Sorge, dass sonst Gesundheitssysteme, Klima und soziale Netze reißen. Republikanische Staaten dagegen schweigen, verschieben Entscheidungen oder tun so, als gebe es kein Problem. „Vielleicht wollen sie den Trump-Bären nicht reizen“, vermutet der Politikwissenschaftler Steven Rogers, auf Nachfrage. Für Demokraten sei es auch eine Bühne, um Handlungsstärke zu zeigen. Doch hinter dem Schauspiel steht ein ernster Kern: Das Gesetz verschiebt Lasten in gewaltigem Ausmaß nach unten – weg von Washington, hinein in die Etats der Bundesstaaten.
Es ist ein Experiment mit offenem Ausgang. Die ersten Kostenverschiebungen bei Lebensmittelhilfen greifen 2026, strengere Arbeitsauflagen für Medicaid folgen 2027, die Schäden aus Umweltzerstörung werden schon 2025 erste Folgen haben. Spätestens dann wird sich zeigen, wie belastbar die Staaten wirklich sind. Bis dahin bleibt die Kluft zwischen den politischen Lagern bestehen: Hier hektische Vorsorge und finanzielle Gegenmaßnahmen, dort ein Schweigen, das wie ein stilles Einverständnis wirkt. Trumps „beautiful bill“ droht so, das Land nicht nur fiskalisch, sondern auch politisch weiter zu zerreißen – mit Folgen, die noch viele Jahre nachhallen könnten.
Währenddessen beschleunigt sich weltweit die Energiewende. China, das Trump als Rechtfertigung anführt, ist längst führend im Ausbau erneuerbarer Energien, installiert Solar- und Windkapazitäten im Rekordtempo und investiert jährlich über 90 Milliarden Dollar in nachhaltige Technologien. Die USA dagegen drohen mit dieser Politik nicht nur den Klimaschutz zu sabotieren, sondern auch ihre wirtschaftliche Zukunft zu verspielen. Saubere Energien sind längst globaler Wettbewerbsvorteil. Sie schaffen Millionen Jobs, während Kohlekraftwerke unrentabel werden. Schon heute ist Solarstrom günstiger als Kohle, und selbst Energiekonzerne warnen, dass eine Rückkehr zur Kohle ökonomisch scheitern wird. Auch das Gesundheitsrisiko ist immens. Laut der WHO sterben jährlich über 8 Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung, zu der Kohle maßgeblich beiträgt. Feinstaub, Schwefeldioxid und Quecksilber verursachen Atemwegserkrankungen, Herzprobleme, Krebs. Kohlekraftwerke verschlingen zudem enorme Mengen Wasser, verschmutzen Flüsse und gefährden Trinkwasserreserven. Die Kombination aus Klimakrise, Gesundheitsschäden und Kostenlawine macht Trumps Kohlepolitik zu einem dreifachen Desaster.
Am Ende bleibt sie weniger Energiepolitik als ideologisches Ritual. Es ist ein Kulturkampf gegen die Realität – mit Slogans wie „mine, baby, mine“ und Arbeiterromantik, die Menschenleben und Zukunft opfert. Während Trump Wind und Solar als unzuverlässig diffamiert, hält er Kohle künstlich am Tropf. Für die Industrie bedeutet das ein Aufschub, für die USA ein Rückschritt mit enormen Kosten, für das Klima verlorene Zeit. Trump zeigt sich hier nicht als Retter von Arbeitsplätzen, sondern als Zerstörer von Umwelt, Gesundheit und Zukunft. Seine Kohlepolitik ist kein Rettungsplan – sie ist ein politisch motiviertes Rückzugsgefecht gegen Vernunft, Wissenschaft und ökonomische Logik. Ein Land, das auf diese Karte setzt, verliert nicht nur Geld und Atemluft, sondern auch die Chance, die Energiewende mitzugestalten, statt ihr hinterherzulaufen. Für künftige Generationen – auch für seine Enkelin Chloe – bedeutet dieser Kurs nichts anderes als ein Erbe aus verbrannter Erde.
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