Es gibt Affären, die nach ein paar Tagen wieder verschwinden, und es gibt Vorgänge, die das Fundament einer Demokratie verschieben. 250.000 Euro Steuergeld für eine Denkfabrik, deren Köpfe seit Jahren für eine Zusammenarbeit mit der AfD werben, gehören eindeutig zur zweiten Kategorie. Dass die CDU im Bundestag diese Förderung durchgesetzt hat, ist kein Betriebsunfall, sondern Ausdruck einer strategischen Entwicklung. Und während in Berlin noch über Haushaltspositionen gestritten wird, liefert die politische Realität draußen im Land längst die Quittung: Die AfD liegt bei 27 Prozent und damit klar vor der Union.

Andreas Rödder, CDU-Mitglied, Historiker, lange Zeit Leiter der Grundwertekommission seiner Partei
Republik21, kurz R21, nennt sich selbst „neue bürgerliche Denkfabrik“. Doch bürgerlich ist hier nur die Fassade. Hinter den Kulissen finden sich altbekannte Parolen: Atomkraft als Heilsversprechen, Sozialstaat als angeblicher Bremser, Migration als Bedrohung, die Energiewende als Irrsinn. Brisant wird es, wenn man betrachtet, welche Netzwerke und Figuren hier zusammenkommen. Auf den Veranstaltungen von R21 treten Redner auf, die auch auf Plattformen wie Nius aktiv sind – einem Medium, das systematisch gegen unabhängige Presse hetzt. R21 unterstützt Blogs, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk diffamieren, und liefert damit das Munition für einen Kulturkampf, in dem permanent das Narrativ wiederholt wird, Deutschland sei von „links-grün-woken Kräften“ im Würgegriff. Der angebliche Freiheitskampf ist nichts anderes als der Versuch, den Boden für eine Normalisierung des Extremen zu bereiten.
Im Zentrum steht Andreas Rödder, CDU-Mitglied, Historiker, lange Zeit Leiter der Grundwertekommission seiner Partei. Er ist einer derjenigen, die seit Jahren eine „strategische Öffnung“ zur AfD fordern. Rödder hat Alexander Gauland, der die NS-Zeit als „Vogelschiss“ in der Geschichte relativierte, als „respektabel“ bezeichnet. Solche Aussagen sind kein Ausrutscher, sondern Programm. R21 soll das Scharnier sein, an dem die CDU ihre Hemmungen verliert und die Brandmauer ins Bröckeln gerät. Offiziell schwört die CDU-Spitze seit Jahren, die Brandmauer stehe. Doch Worte und Taten fallen auseinander. Unter Friedrich Merz, Parteivorsitzender und Kanzler, hat die Partei einen Kurs eingeschlagen, der als „klare Kante“ verkauft wird, in Wahrheit aber ein Flirt mit Rechtsaußen ist. Mehrfach stimmte die Union im Bundestag gemeinsam mit der AfD, zuletzt bei Anträgen zur Einschränkung von NGOs. Jens Spahn, inzwischen Fraktionschef, verstärkt diesen Kurs. Er bedient rechtspopulistische Narrative, inszeniert sich als Kämpfer gegen „Gender-Ideologie“, verteidigt öffentlich rechte US-Politiker und wirkt längst wie ein Bindeglied in ein internationales Netzwerk von Orbán bis Trump. Dass genau diese CDU nun R21 mit Steuergeld versorgt, ist kein Ausrutscher, sondern folgerichtige Politik.
Die aktuelle Forsa-Sonntagsfrage für RTL/n-tv vom 23. September 2025 zeigt die Folgen in brutaler Klarheit: AfD 27 Prozent, Union 25, SPD 13, Grüne und Linke jeweils 11, BSW 4, FDP 3. Zum ersten Mal ist die AfD nicht nur kurzfristig, sondern stabil vorn. Und es ist keine Überraschung mehr. Schon im April hatte Ipsos sie erstmals in einer bundesweiten Umfrage vor die Union gesetzt, Ende August lag sie im RTL/n-tv-Trendbarometer erneut an der Spitze. Mit dem Rekordwert von 27 Prozent hat sich der Trend verfestigt. Während die Union glaubt, durch Annäherung Stimmen zurückholen zu können, verliert sie ihre Führungsrolle.

Das Bittere: Die CDU weiß selbst, dass dieser Kurs ein Irrweg ist. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, ihre eigene Parteistiftung, hat gerade eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass jede Form von Kooperation mit der AfD diese nur stärkt. Merz und Spahn ignorieren diese Erkenntnis. Stattdessen finanzieren sie eine Denkfabrik, die Brücken baut, die gar nicht mehr abgerissen werden sollen. Die SPD trägt Mitverantwortung, weil sie im Haushaltsausschuss dem großen Ausgabenpaket zustimmte, in dem die Förderung für R21 enthalten war. Ob es ein politischer Deal oder schlicht Unachtsamkeit war, bleibt offen. Beides wäre fatal. Aber der entscheidende Punkt bleibt: Die Initiative kam von der CDU, und ohne sie wäre das Geld nie geflossen.

„Noch“ fehlen gerichtsverwertbare Beweise für Korruption aus Recherchen zur Beziehung CGM und Spahn, die problematische Strukturen und fehlende Transparenz sichtbar machen. Fest steht: Unter Spahns Gesetzen stiegen die CGM-Umsätze deutlich, während Firmengründer Frank Gotthardt zugleich als Investor beim rechtslastigen Portal Nius auftrat. Dass Behörden Auskünfte zu möglichen Kontakten verweigerten, ist ebenfalls dokumentiert – das letzte Puzzleteil bleibt so bewusst im Dunkeln. Doch auch dafür gibt es Wege.
Innerhalb der Union stehen sich drei Gruppen gegenüber. Die erste sieht die AfD als tödliche Gefahr und lehnt jede Kooperation ab. Die zweite verharmlost sie und glaubt, man könne sie im Gespräch zähmen. Die dritte weiß sehr genau, was sie tut: Sie will die AfD als künftigen Koalitionspartner, weil sie nur so ihre rechtskonservativen Ideen durchsetzen kann. Heute dominiert dieses dritte Lager, flankiert von den Naiven, die aus Passivität jede Bewegung mittragen. So wird die CDU nicht zum Bollwerk, sondern zum Steigbügelhalter. Die Doppelmoral macht den Skandal noch schärfer. Dieselbe CDU, die NGOs die Förderung streichen will – darunter viele, die gegen Rechtsextremismus arbeiten –, verschafft einer Denkfabrik Geld, die rechte Netzwerke stärkt. Das erinnert an autoritäre Vorbilder: Orbán in Ungarn diffamierte zivilgesellschaftliche Organisationen und fütterte regierungstreue Thinktanks. Trump versuchte dasselbe in den USA, indem er progressive NGOs attackierte und rechte Strukturen aufpäppelte. Die CDU stellt sich nun in diese Reihe.
Das große Problem: Die Nähe von CDU-Eliten zu rechten Denkfabriken wie R21 ist ein Thema, das medial kaum wirklich konsequent verfolgt wird. Oft bleibt es bei kurzen Meldungen, vielleicht einem Kommentar – und am nächsten Tag verschwindet es wieder in der Nachrichtenflut. Ein Grund dafür ist auch, dass viele Redaktionen scheuen, den Vorwurf „Brandmauer unterwandert“ klar auszusprechen, weil er die CDU als Ganzes trifft.

Der Spahn-Klöckner-Nius-Komplex ist kein Zufall, sondern Strategie. Jens Spahn und Julia Klöckner greifen längst nicht mehr nur nach konservativen Floskeln, sie normalisieren Schritt für Schritt die AfD
Wer glaubt, Deutschland sei vor solchen Entwicklungen geschützt, täuscht sich. Orbán hat die Fidesz in Ungarn durch die Verschmelzung mit der extremen Rechten in eine Autokratie verwandelt. In Polen hat die PiS denselben Weg beschritten, indem sie sich an Kulturkämpfe band. In den USA sind die Republikaner längst vollständig in Trumps Geiselhaft. Deutschland steht heute an einer Schwelle. Die CDU muss sich entscheiden, ob sie Bollwerk bleibt oder Türöffner wird. Mit der Förderung von R21 hat sie diese Entscheidung faktisch schon getroffen. Die 250.000 Euro sind kein gewöhnlicher Haushaltsbeschluss. Sie sind ein Signal. Sie zeigen, dass die Brandmauer in Wahrheit nicht mehr steht, sondern zur Kulisse geworden ist. Die Umfragen sind die Quittung: Die AfD wird nicht geschwächt, sie wird gestärkt. Ipsos zeigte es im April, Forsa Ende August, und nun der Rekordwert im September.
Das ist mehr als eine Zahl. Es ist ein Alarmzeichen. Deutschland droht denselben Weg zu gehen wie Ungarn, Polen oder die USA. Und die CDU spielt dabei nicht Opfer, sondern aktive Rolle. Wer heute noch glaubt, man könne die AfD durch halbherzige Distanz bändigen, irrt gefährlich. Die Geschichte zeigt, wohin es führt: Wer der extremen Rechten den Steigbügel hält, wird nicht mitreiten. Er wird unter ihr begraben.
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Scheiß AFD, Scheiß CDU. Spahn ist der beste Mitarbeiter der AFD. Guter Bericht.
In der Politik ist bichts eine Unachtsamkeit.
Die SOD wusste für was sie stimmt.
Politische Deals, der eigene Posten im Bundestag zahlen mehr, als Integrität, Gewissen und der Erhalt unserer Demokratie.
Leider, da gebe ich Dir recht, wird in Deutschland in den Medien nicht darüber berichtet.
Ich kannte R21 nicht und sonst auch Keiner in meinem Umfeld.
Unsere ach so unabhängigen ÖRR -teuer mit GEZ finanziert-, wo bleibt darüber eine ausführliche Berichterstattung?
Stattdessen unkritisch von tagesschau24 eine live Berichterstattung von der gruseligen Kirk Feier.
Die Liste lässt sich ziemlich lang weiter führen.