Zwischen Angriff und Treueschwur – Trumps peinlicher Auftritt bei den Vereinten Nationen

VonRainer Hofmann

September 23, 2025

Am 23. September 2025 verwandelte Donald Trump die Generaldebatte der Vereinten Nationen in New York in ein Schauspiel zwischen Provokation und Beschwichtigung. Sein Auftritt war mehr als eine Rede, er war eine Inszenierung der Widersprüche, die seine Politik seit Jahren prägen – lautstarke Angriffe auf multilaterale Strukturen, gefolgt von einem demonstrativen Treueschwur. Das Ergebnis: ein irritiertes Publikum, internationale Irritationen und die erneute Frage, wie zuverlässig die Vereinigten Staaten als Partner im multilateralen System noch sind.

Die Chronologie beginnt am Vormittag im Saal der Generalversammlung. Trump trat ans Rednerpult, sichtbar angespannt, begleitet von Zwischenfällen, die später zu Memes gerieten: Ein Teleprompter, der mehrfach stockte, ein Nebensatz über eine Rolltreppe, die mitten in der Bewegung aufgehört habe – kleine Pannen, die den Eindruck einer improvisierten Darbietung verstärkten. „Alles, was ich von den Vereinten Nationen bekam, war eine Rolltreppe, die mitten auf halbem Weg stehenblieb“, spottete er, die Hand durch die Luft schneidend. Doch ironischerweise handelte es sich nicht um ein Symbol institutionellen Verfalls, sondern um ein Missgeschick aus den eigenen Reihen: Laut UNO hatte ein Mitglied der US-Delegation versehentlich den Stoppmechanismus ausgelöst, und auch der Teleprompter lag in der Verantwortung des Weißen Hauses. Trump jedoch nutzte beide Episoden, um die Vereinten Nationen als dysfunktional darzustellen – ein rhetorischer Kniff, der seine politische Linie unterstrich.

Inhaltlich war die Botschaft der Rede alles andere als beiläufig. Trump griff die Vereinten Nationen frontal an. Er warf der Organisation vor, „zu viel zu reden und zu wenig zu liefern“, bei Friedensmissionen zu versagen, die Migration falsch zu steuern und mit ihrer Unterstützung für „grüne Energie“ ganze Volkswirtschaften ins Chaos zu treiben. Europa nannte er dabei als warnendes Beispiel: zu viel Klima, zu wenig Realität. Die Reaktionen im Saal reichten von höflich eingefrorenen Gesichtern bis zu sichtbarem Kopfschütteln. Delegierte aus Lateinamerika und Afrika murrten, als Trump erneut den Wert internationaler Hilfsprogramme in Frage stellte. Besonders brisant war sein Ton gegenüber der UN-Flüchtlingshilfe, die er für „falsch ausgerichtet“ erklärte. Beobachter erinnerten sich sofort an frühere Kürzungen der US-Beiträge für UNRWA und andere humanitäre Institutionen.

Doch während die Rede in ihrer Schärfe noch nachhallte, inszenierte Trump nur Stunden später den Gegenpol. Bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär António Guterres erklärte er, die Vereinigten Staaten stünden „zu 100 %“ hinter den Vereinten Nationen. Er sei entschlossen, die Zusammenarbeit zu stärken und gemeinsam Herausforderungen anzugehen. Was auf den ersten Blick wie eine Rückversicherung klang, wirkte im Kontext des Vormittags wie ein scharfer Kontrast, ja fast wie ein politisches Doppelspiel.

Hinter den Kulissen hieß es, Guterres habe die Gelegenheit genutzt, um auf rückständige US-Beiträge und offene Verpflichtungen hinzuweisen. Zwar bestätigten weder UNO noch US-Delegation konkrete Zahlen, doch Diplomaten wiesen darauf hin, dass Washington bereits seit Monaten Zahlungen verzögere – ein Muster, das sich durch Trumps zweite Amtszeit zieht. Die Formel „100 % hinter der UNO“ kollidiert also mit einer Realität, in der die USA ihre finanzielle Rolle zunehmend selektiv interpretieren.

Internationale Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Vertreter der Europäischen Union erklärten, man nehme „mit Sorge“ zur Kenntnis, dass die Rede „wichtige gemeinsame Ziele infrage gestellt“ habe. Chinas Delegation nannte Trumps Worte „eine Absage an globale Solidarität“. Nur wenige Stunden später betonte Trumps Team in Washington, der Präsident habe „unmissverständlich klargestellt, dass er multilaterale Institutionen nur dann unterstützt, wenn sie den Interessen des amerikanischen Volkes dienen“. Die Ambivalenz zwischen Drohung und Loyalität hat Methode. Trump setzt seit Jahren auf kalkulierte Irritation: Er destabilisiert durch Angriffe, nur um danach als Retter eines bröckelnden Vertrauens aufzutreten. In New York funktionierte diese Taktik wie gewohnt – der Saal war nach der Rede gespalten, nach der Begegnung mit Guterres jedoch offiziell beruhigt. Doch die Zweifel bleiben.

Harte Rede Trumps gegen die MIGRATIONSINVASION, unter der Europa leide und die von der UNO gedeckt werde: „Die Vereinten Nationen finanzieren einen Angriff auf die westlichen Länder und ihre Grenzen.“

Denn die Substanz seiner Aussagen war keineswegs ausbalanciert. Seine Angriffe gegen internationale Klimapolitik, seine Kritik an Flüchtlingsprogrammen und seine abfälligen Bemerkungen über Friedensmissionen waren deutlich und bleiben im Protokoll. Der anschließende Treueschwur wirkt demgegenüber wie eine Geste für die Schlagzeilen, nicht wie eine langfristige Linie. Schon in Trumps erster Amtszeit hatten die USA den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet, den UN-Menschenrechtsrat verlassen und Gelder für UN-Organisationen gestrichen – Taten, die schwerer wiegen als jede spätere Versicherung.

So steht der heutige Auftritt als Sinnbild für die Zerrissenheit amerikanischer Außenpolitik unter Trump: Lautstark destruktiv im Plenum, konziliant im bilateralen Gespräch, aber in der Praxis oft durch Kürzungen und Rückzüge geprägt. Für die Vereinten Nationen ist das doppelt gefährlich: Einerseits sind sie auf die USA als wichtigsten Beitragszahler angewiesen, andererseits beschädigt das Muster von Angriff und Rückzug die Glaubwürdigkeit multilateraler Zusammenarbeit insgesamt.

Der 23. September 2025 wird daher nicht nur als Tag eines „desolaten Auftritts“ in Erinnerung bleiben, sondern auch als Lehrstück über die Mechanik politischer Inszenierung. Donald Trump hat die Bühne der UNO genutzt, um einerseits Stärke gegenüber seiner innenpolitischen Basis zu demonstrieren – die Feindbilder „Migration“, „Green Energy“, „bürokratische UNO“ sind dort hoch im Kurs –, andererseits um der Weltöffentlichkeit zu versichern, dass Amerika nicht auf dem Rückzug sei. Für die Diplomatie bedeutet das: ständiges Lavieren zwischen Drohung und Beschwichtigung, ein Tanz auf Messers Schneide.

Ob die Vereinten Nationen den Treueschwur „100 %“ ernst nehmen können, wird sich nicht an Trumps Worten, sondern an den nächsten Überweisungen aus Washington entscheiden.

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Harald Grundke
Harald Grundke
1 Monat zuvor

Ein peinlicher, erbärmlicher Auftritt 😦 

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Nach dem Gespräch mit Guiterres war die UN beruhigt.

Wie dumm!
Trump inszeniert und hat viel heiße Luft.
Aber eben nichts dahinter.
Auf seine Zusagen und Versprechungen kann man sich in keinster Weise verlassen.
Aber das ist immer noch nicht angekommen bei den Ländern.
Schweigende Höflichkeit, anstatt klarer Worte.

Genau so bauen Autokraten/Diktatoren ihre Macht aus.
sie verlassen sich auf das Schweigen der Mehrheit.
Und es funktioniert.
Ungarn, Türkei, USA.

Aber dieser extrem peinlich Auftritt war ein echtes Tiefpunkt von Trumps bisherigen Auftritten.
Und die dummen MAGA feiern es als Stärke für die USA, obwohl Trump ja „von seinen Gegnern sabotiert wurde (Rolltreppe und Teleprompter)“

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