Die Erfindung eines Feindbildes – Wie ein geleaktes FBI-Dokument verstörendes aufzeigt

VonRainer Hofmann

September 22, 2025

Es war ein Dokument, das nie für die Öffentlichkeit bestimmt war. Gestempelt von der „Buffalo Port Intelligence Unit“, nur an zwei oder drei Empfänger verschickt, versehen mit einem Titel, der wie eine Schlagzeile klang: „Radical Leftist Trans Militant Cult“. Darunter: Namen, Fotos, schwerste Anschuldigungen. Die Rede war von den „Zizians“, einer sektenartigen Gruppierung, deren Anführer Jack Amadeus „Ziz“ LaSota sei. In dem Briefing hieß es, die Zizians seien verantwortlich für die Tötung des Grenzschutzbeamten David Maland in Vermont, für den Mord an Curtis Lind in Kalifornien und für mindestens vier weitere Gewalttaten. LaSota, so das Papier, „identifiziert sich als trans Person“ und werde in zwei Bundesstaaten wegen sechs Tötungsdelikten gesucht.

So stand es schwarz auf weiß. Doch das, was fehlte, war mindestens ebenso auffällig wie das, was darin stand. Es gab keine Aktenzeichen, keine überprüfbaren Belege, keine Dokumente, die vor einem Gericht Bestand gehabt hätten. Es war eine Verdächtigungsliste, keine Anklage. Und dennoch wurde genau dieses Papier zur Grundlage einer politischen Kampagne, die weit über die eigentlichen Ermittlungen hinausging.

Die Leaks nennen reale Namen und Gewaltfälle – aber das Gesamtbild ist komplexer: Am klarsten belegt ist der Mord an Curtis Lind (Vallejo, 2022), Hauptzeuge gegen den Zizianer Alexander „Somni“ Leatham; der mutmaßliche Täter Maximilian Bentley Snyder steht dafür vor Gericht. In den Papieren werden den Zizians weitere Taten zugeschrieben, etwa der Tod des Grenzschutzbeamten David Maland in Vermont – doch dafür fehlen bis heute öffentlich überprüfbare Akten. Entscheidend für die Einordnung ist, was seriöse Recherchen zum Umfeld zeigen: Die Szene rekrutiert sich nicht aus „Linksaktivisten“, sondern aus Rationalist-Kreisen rund um LessWrong/CFAR, wo Ziz/Jack LaSota seit Jahren mit einer eigenen Ideologie wirkte – radikaler Veganismus („Carnismus als Holocaust“), eine exzentrische „Hemisphere Theory“ (Gehirnhälften als getrennte „Personen“), „Debucketing“ als Loslösung von Identitäten und die bewusst kultische Selbstinszenierung als „Sith“. Bereits 2019 blockierten Ziz und Mitstreiter maskiert eine CFAR-Reunion und verteilten ein Pamphlet, das „Alignment“ ausdrücklich als Moralfundament reklamiert – ein frühes Zeichen des sektenartigen Anspruchs, aber keine linke Agenda. Auch die vielzitierte Vermont-Schießerei passt in dieses Muster: Die Beteiligten waren keine Migranten, sondern technisch gebildete Rationalisten (u. a. Teresa Youngblut und ein deutscher Quant), die laut Szenezeugnissen „Ziz-nah“ waren. Und die pauschale Zahl „sechs Morde durch LaSota“ bleibt bis heute unbelegt. Unterm Strich: Ja, es gibt reale Gewalt durch Einzelne aus diesem Milieu; nein, es handelt sich weder in Ideologie noch Struktur um eine „linksextreme Mordsekte“. Das Label ist politisch gesetzt – die Realität ist eine kleine, sektenartige, rationalistoid geprägte Splittergruppe jenseits des Links-rechts-Schemas.

LaSota war nicht nur eine reale Person, sondern auch ein Ideologe. Seine Schriften drehen sich um transhumanistische Ideen, um Veganismus und um eine eigens erfundene Theorie, die „timeless decision theory“. Darin wird behauptet, Persönlichkeiten könnten in getrennten Gehirnhälften eigenständig weiterexistieren. Für Außenstehende wirkt das wie ein Konstrukt aus esoterischer Philosophie und Internet-Forenlogik – für seine Anhänger war es eine Rechtfertigung für Radikalität und Gewalt.

Vance pauschalisiert jede Bedrohung auf die politische Linke, während rechte Gewalt faktisch nicht existiert – obwohl nachweislich die allermeisten Straftaten von dort ausgehen.“

Das Bild, das sich daraus ergibt, ist verstörend. Doch es ist kein linkes Bild. In den Foren und Chatgruppen, in den Hinterlassenschaften von LaSota, findet sich nichts, was man mit Antifa, progressiven Parteien oder linker Bewegungspolitik verbinden könnte. Keine kollektive Forderung nach Umverteilung, keine Programmatik, die sich in linksliberale Milieus einordnen ließe. Stattdessen elitärer Sektencharakter, Heilsversprechen durch Technologie und eine strenge Ideologie, die eher an abgeschottete Kulte erinnert als an eine politische Bewegung. Gerade deshalb wirkt es so bezeichnend, dass im Buffalo-Leak die Formulierung „radikal linksextrem“ auftaucht. Sie sagt weniger über die Gruppe aus als über die Autoren des Briefings. Sie offenbart eine Brille, durch die alles, was trans, progressiv oder unkonventionell wirkt, sofort in die linke Ecke gestellt wird – ungeachtet der tatsächlichen Inhalte.

Dieses Narrativ wurde dankbar aufgegriffen. Nur Stunden nach dem Leak legte die Heritage Foundation nach, jener ultrakonservative Thinktank, der mit dem „Project 2025“ schon den Umbau des Staates nach Trumps Geschmack vorbereitet hatte. In einem mehrseitigen Papier hieß es wörtlich: „Die Ermordung von Charlie Kirk hat die Nation erschüttert. Es ist das jüngste Beispiel eines Täters, der von einer zerstörerischen und zersplitterten Transgender-Ideologie einer Gehirnwäsche unterzogen wurde.“ Heritage forderte, eine neue Terror-Kategorie einzuführen: „Transgender Ideology-Inspired Violent Extremism“, kurz TIVE.

Damit war das Drehbuch geschrieben. Aus einer gefährlichen, aber kleinen und sektenhaften Gruppe wurde ein Symbol, das Millionen von Menschen stigmatisieren sollte. Der Druck auf das FBI wuchs. Dessen neu geschaffene Kategorie „Nihilistic Violent Extremism“ – eine Schublade für Täter ohne klare Ideologie. Die politische Absicht ist offensichtlich: Rechte Gewalt, die statistisch den Großteil der tödlichen Anschläge in den USA ausmacht, soll aus dem Fokus gedrängt werden. Stattdessen wird ein neues Feindbild konstruiert: Trans und linksliberal gleich Terror. Die Zizians dienen dabei als Aufhänger, als Beweisstück, obwohl ihre Ideologie und ihr Handeln mit linker Politik nichts gemein haben.

Noch deutlicher wird der Bruch, wenn man den Leitfaden des US-Justizministeriums liest, ebenfalls Teil der Leaks. Dort heißt es unmissverständlich: „Bundesbediensteten ist es untersagt, sich an diskriminierenden Ermittlungen gegen Personen aufgrund ihrer Rasse, ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer nationalen Herkunft, Religion, Behinderung, sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu beteiligen.“ Mit anderen Worten: Ermittlungen dürfen niemals allein auf Grundlage der Geschlechtsidentität geführt werden. Doch genau das würde eine TIVE-Kategorie tun.

Die Geschichte der Zizians ist die Geschichte einer gefährlichen Sekte, ja. Aber sie ist zugleich die Geschichte einer politischen Instrumentalisierung. Ihre realen Taten – der Mord an Curtis Lind, der Tod von David Maland, die Gewaltakte ihrer Anhänger – werden genutzt, um ein weit größeres Feindbild zu konstruieren. Statt aufzuklären, wird verschleiert. Statt zu differenzieren, wird generalisiert. Das Ergebnis: ein Klima, in dem nicht mehr zwischen Täter und Identität unterschieden wird, sondern in dem trans und linksliberal pauschal unter Verdacht geraten.

So wird ein Leak, weitergegeben an zwei oder drei Adressaten, zur Initialzündung einer nationalen Kampagne. Es zeigt, wie eng Sicherheitsapparat, Thinktanks und politische Interessen inzwischen verflochten sind. Die Zizians mögen real sein. Doch das Etikett, das man ihnen verpasst hat, ist eine Erfindung. Und diese Erfindung sagt mehr über den Zustand der amerikanischen Politik aus als über die kleine, gefährliche Gruppe, die sie betrifft.

Mike Howell ist Direktor des Heritage Foundation Oversight Project, einer einflussreichen konservativen Denkfabrik in Washington. In seinen jüngsten Tweets griff er das FBI und die Regierung scharf an, weil sie angeblich nicht den Mut hätten, „transgender-ideologieinspirierten Extremismus“ ausdrücklich als Form von Terrorismus einzustufen. Stattdessen werde die schwammige Kategorie „Nihilistic Violent Extremism“ eingeführt, die laut Howell nur dazu diene, politische Korrektheit zu wahren und klare Benennungen zu vermeiden.

Unsere Recherchen legen offen, dass diese Entwicklung kein Zufall ist, sondern Teil einer neuen politischen Architektur. Was früher der nüchterne Versuch war, rechte Milizen, „Sovereign Citizens“ oder die Kapitolstürmer als „Anti-Government Violent Extremists“ zu erfassen, wurde unter Trump gestrichen und durch ein schwammiges Konstrukt ersetzt: „Nihilistic Violent Extremists“. Ein Label, so leer, dass es nach Belieben gefüllt werden kann – und in der Praxis gegen Transmenschen, Antifa und zunehmend auch Demokraten gewendet wird.

Der Bruch ist dokumentiert. Das Heimatschutzministerium erklärte am 18. März 2025, die Empfehlungen des Rechnungshofes seien „unangemessen“, weil sie „unter der vorherigen Administration“ entwickelt worden seien; Präsident Trump habe eine neue Strategie entworfen. Übersetzt heißt das: Nicht die Bedrohungslage bestimmt den Kurs, sondern der Wille des Präsidenten. Sprache und Justiz werden so zu Instrumenten einer Agenda, die nicht schützt, sondern stigmatisiert. In der Anklageschrift gegen Tyler Robinson, den mutmaßlichen Mörder von Charlie Kirk, wird das offenkundig: Dreimal tauchen dort Verweise auf seine angebliche „Trans-Orientierung“ auf – Passagen, die juristisch irrelevant sind, politisch aber gezielt platziert wirken.

Wie dieses Muster funktioniert, haben wir in einer umfassenden Recherche dokumentiert: Kriegserklärung an die Demokratie – Wie Trump Transmenschen, Antifa und Demokraten zum neuen Feindbild macht unter dem Link: https://kaizen-blog.org/kriegserklaerung-an-die-demokratie-wie-trump-transmenschen-antifa-und-demokraten-zum-neuen-feindbild-macht/

Dort zeigen wir anhand interner Memos, GAO-Berichte, FBI-Checklisten und offizieller Antworten, wie der Sicherheitsstaat in eine Maschine verwandelt wird, die nicht mehr die Realität abbildet, sondern eine ideologische Konstruktion. Es ist keine offene Schlacht, sondern eine stille, aber fundamentale Kriegserklärung an die Demokratie – nicht mit Waffen, sondern mit Papieren.

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Irene Monreal
Irene Monreal
1 Monat zuvor

Es ist für diese Polit-Monster ein leichtes, den „Linken“ wirklich alles in die Schuhe zu schieben, denn der Teil der Menschen, der mit dem Wort Menschenrechte etwas anfangen kann, verweigert diesen empfindungslosen Bluthunden die einfache „Endlösung“. Man will sich nicht mehr mit langen Ermittlungen und teuren Prozessen herumschlagen. Ein linientreuer Richter reicht und „Daumen hoch/Daumen runter“ entscheidet. Und weil das mindestens die Hälfte der US-Amerikaner, wie auch die Hälfte der Menschen im Rest der Welt, nicht mitmachen, werden sie als linke, terroristische Verbrecher gebrandmarkt, denen die Bekämpfung der Kriminalität nicht am Herzen liegt.
Ich bin 64 Jahre alt – Ich war noch nie so desillusioniert wie heute, aber nach langer Zeit der Fassungslosigkeit regt sich konstruktive Wut. Ich werde tun, was immer ich kann, um gegen diese Entwicklung anzukämpfen.
Danke, dass es euch gibt. Ihr seid Information und Halt zugleich!

Zuletzt bearbeitet am 1 Monat zuvor von Irene Monreal
Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Mir fällt da ein Zitat aus dem Jurastudium ein:
Die Beweise führen zum Täter/Aufklärung.
Man macht nicht die Beweise passend um einen angeblichen Täter zu verurteilen (Beweismittelfälschung).

Und genau das passiert hier.
Der Hass auf Links, woke, trans, etc hat keine rechtlich stabile Grundlage
Also konstruiert man etwas, was zum Narrativ passt.
So werden quasi alle Menschen die nicht Trumps Linie folgen unter Generalverdacht gestellt.

Gegen jeden kann ermittelt werden.

Woman erinnert mich das?
Deutschland 1933

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