MAGA in den USA, AfD in Deutschland – die tödliche Saat des politischen Wahns

VonRainer Hofmann

September 17, 2025

Die Nachrichten über den Mord an Charlie Kirk haben die Vereinigten Staaten erschüttert. Doch noch bevor die Ermittlungsakten ganz sortiert waren, offenbaren uns vorliegende Chatverläufe zwischen Tyler Robinson und seinem Mitbewohner, wie tief der Abgrund reichte, in den dieser junge Mann gestürzt war. Es ist die Geschichte eines 22-Jährigen, der nicht nur ein politisches Attentat plante, sondern auch ein Kindheitstrauma auslebte – geprägt von einem Vater, der den „Make America Great Again“-Wahn in vollen Zügen verinnerlichte und in sein eigenes Haus trug.

Die Nachrichten lesen sich wie das Protokoll einer zerstörten Seele. Robinson sorgt sich um das Gewehr des Großvaters, das er in Panik zurücklassen musste. Er spricht von gravierten Patronen, von der Angst, Spuren zu hinterlassen, von dem Druck, dem Vater erklären zu müssen, warum die Waffe verschwunden ist. „Seit Trump ins Amt kam, ist mein Vater ziemlich hardcore MAGA“, schreibt Robinson. Ein Satz, der in seiner Nüchternheit mehr aussagt als ganze Ermittlungsberichte.

Es ist das Psychogramm einer Familie, die vom politischen Wahn aufgefressen wurde. Während die Öffentlichkeit den Täter als radikalisierten Einzelgänger sieht, deutet vieles darauf hin, dass Robinson in einem Umfeld aufwuchs, in dem Verschwörungsideologien und politische Härte zum Alltag gehörten. Die erste Amtszeit Trumps markierte bereits den Bruch: der Vater als glühender Verfechter des neuen Präsidenten, der Sohn als stummes Opfer dieser Politisierung der Privatsphäre. Doch in der zweiten Amtszeit verschärfte sich alles. Die Chatprotokolle zeigen einen jungen Mann, der zwischen der Liebe zu seiner Familie, der Angst vor Entdeckung und einem selbstzerstörerischen Drang hin- und hergerissen war.

Genau dieser Mechanismus lässt sich nicht nur in amerikanischen Familien beobachten. Auch in Deutschland haben die letzten Jahre gezeigt, wie politische Radikalisierung, wenn sie von oben befeuert wird, den privaten Raum zerfrisst. Die Rhetorik der AfD – ob „Remigration“, Hetze gegen Geflüchtete oder die permanente Stilisierung einer angeblichen „Bedrohung“ – spiegelt sich längst in den Begründungen rechter Täter wider. Offizielle Statistiken belegen einen massiven Anstieg rechter Straftaten, seit die AfD politische Bedeutung erlangt hat: Laut Bundesinnenministerium stieg die Zahl rechter Straftaten 2024 auf 33.963 (+17,3 % gegenüber dem Vorjahr) (Quelle: Bundesministerium des Innern, Politisch motivierte Kriminalität 2024, Pressemitteilung vom 14. Mai 2025). Der Verfassungsschutz verzeichnete sogar 37.835 Delikte – fast doppelt so viele wie 2013, dem Gründungsjahr der AfD (Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2024, veröffentlicht Juni 2025). Täter übernehmen Vokabeln, die aus den Programmen und Parolen der Partei stammen, und setzen sie in Gewalt um. Wie in den USA die MAGA-Ideologie, so schafft auch in Deutschland der völkische Furor der AfD ein Klima, in dem Hass salonfähig wird – und aus Worten Taten entstehen.

Hinzu kommt eine Flut von Fake News, die von MAGA-Netzwerken und der AfD gleichermaßen massenhaft gestreut wird. Sie verbreiten Lügen, konstruieren Bedrohungen und schüren Misstrauen gegen Medien, Institutionen und ganze Bevölkerungsgruppen. Diese Propaganda ist nicht harmlos, sie vergiftet das soziale Miteinander bis in den Alltag hinein. Wie oft lesen wir auf Facebook von Freundschaften, die an diesen erfundenen Geschichten zerbrechen? Wie oft spalten diese digitalen Giftpfeile Familien und Nachbarschaften? Was als Kommentar beginnt, endet im Abbruch jahrzehntelanger Bindungen. Diese Fake News sind nicht nur abstrakte Desinformation – sie sind die Währung des Hasses, die Gesellschaften von innen zersetzen.

„Warum habe ich es getan?“, fragt Robinson in einem der Nachrichtenstränge. Seine Antwort: „Ich hatte genug von seinem Hass. Manche Formen von Hass kann man nicht verhandeln.“ Worte, die nicht nur Kirk meinen, sondern unausgesprochen auch den Vater, dessen unerschütterlicher Glaube an Trump und dessen Ideologie das familiäre Klima vergiftete. Tyler Robinson lebte in einer Welt, in der der politische Fanatismus der Eltern kein Außen mehr kannte. Jeder Tag war ein Spiegelbild der Spaltung, die Trump in die amerikanische Gesellschaft trug – nur dass sie in diesem Fall mitten im Wohnzimmer einer Familie detonierte. Dass Robinson den Mord an Kirk schließlich gestand, erschüttert nicht nur wegen der Tat selbst. Es zeigt auch, was es bedeutet, wenn politische Obsessionen kein Ventil mehr haben, sondern als familiäre Doktrin weitergegeben werden. Ein Vater, der sich selbst in den Dienst eines politischen Idols stellte, erzeugte einen Druck, unter dem der Sohn zerbrach. Die Chatverläufe sind das bedrückende Dokument einer Generation, die nicht mehr zwischen politischer Realität und privatem Leben unterscheiden konnte. Die Wahrheit, die sich hier zeigt, ist bitter: Tyler Robinson wurde nicht nur von der Rhetorik eines Charlie Kirk beeinflusst, sondern er war bereits jahrelang ein Gefangener der „MAGA“-Vorstellung, die sein Vater lebte. Die Tat mag ein Akt individueller Gewalt gewesen sein, aber sie wurzelt tief in einem Klima, das ihn von Kindheit an prägte. Es ist ein erschütterndes Beispiel dafür, wie politischer Wahn nicht nur eine Gesellschaft, sondern auch eine Familie zerreißen kann – bis der Sohn den Abzug zieht.

DAWUM – Darstellung und Auswertung von Wahlumfragen

Und dieser Wahn ist nicht auf Amerika beschränkt. In Deutschland sehen wir die gleiche Dynamik – nur mit anderen Namen. Die AfD trägt ihre Ideologie in Parlamente und Wohnzimmer, senkt die Hemmschwelle für Gewalt und vergiftet das Klima mit denselben Mechanismen, die Trump und seine Jünger groß machten. Die Statistiken über rechte Straftaten sind der schmerzhafte Beweis: Radikale Worte zerstören nicht nur die politische Kultur, sie brechen in Familien ein, sie prägen Kinder, sie setzen Traumata frei. Tyler Robinsons Geschichte ist deshalb nicht nur ein amerikanisches Drama – sie ist eine Warnung für uns alle.

Siehe auch unseren Artikel unter: https://kaizen-blog.org/wie-republikaner-rassismus-wieder-salonfaehig-machen-und-die-afd-davon-traeumt/

Bei den Kommunalwahlen in NRW 2025 lag die Wahlbeteiligung bei mageren 56,8 Prozent, die AfD erreichte 14,5 Prozent – und dennoch erweckte es den Eindruck, als würde das Ergebnis von vielen verharmlost oder gar gefeiert. Auf die Frage, warum sie nicht wählen gegangen seien, erklärten zahlreiche Bürger, die AfD werde „sowieso nicht groß“ in Nordrhein-Westfalen – als ob 14,5 Prozent kein deutliches Warnsignal wären. Genau so begann es auch 1933: mit Abwiegeln, Wegsehen und dem Irrglauben, Extremisten ließen sich durch Ignoranz kleinhalten. Wer sich die bundesweiten Umfragewerte ansieht, erkennt die Dramatik: CDU/CSU liegen aktuell bei 25,8 Prozent, die AfD bei 25,4 Prozent, während SPD (14,8), Grüne (11,4) und Linke (10,4) weit dahinter zurückfallen. Das bedeutet, die AfD ist längst auf Augenhöhe mit der Union, und jeder Nichtwähler stärkt faktisch ihre Position. Es braucht jetzt Engagement, Gegenwehr und Haltung – sei es durch den Gang an die Wahlurne, den Widerspruch im Alltag oder auch nur einen Brief an den Kanzler. Doch wenn am Ende nur acht Menschen bereit sind, ihre Stimme zu erheben, bleibt es ein wirkungsloser Tropfen auf den heißen Stein, während die Demokratie Stück für Stück zerfällt.

Betreff: Bitte prüfen und einleiten – Verbotsverfahren gegen die AfD

Bundeskanzler Friedrich Merz
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
16. September 2025

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

die AfD ist längst keine normale Partei mehr. In mehreren Bundesländern stufen Verfassungsschutzbehörden sie als gesichert rechtsextrem ein. Ihr Gedankengut ist geprägt von Menschenfeindlichkeit, Geschichtsrevisionismus und einer Verachtung demokratischer Institutionen. Wer das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ diffamiert oder Lehrkräfte einschüchtern will, überschreitet rote Linien.

Dazu kommt: Die AfD leugnet den menschengemachten Klimawandel, blockiert jede ernsthafte Umwelt- und Bildungspolitik und will die Wahrheit aus Schulen verdrängen. Damit gefährdet sie die Zukunft unserer Kinder – ökologisch, historisch und demokratisch.

Ich fordere Sie auf, alle rechtsstaatlichen Mittel zu nutzen, um ein Verbot der AfD beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten. Unser Land darf nicht zulassen, dass eine rechtsextreme Partei weiter den Boden für Hetze, Geschichtslügen und Ignoranz bereitet.

Mit freundlichen Grüßen

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Patricia Lösche
Patricia Lösche
1 Monat zuvor

Man sitzt verzweifelt da und fragt sich: Was in aller Welt passiert hier gerade in der (wahrgenommenen) Welt? Warum schaffen es wieder Lügen, so vielen Menschen das Gehirn derart zu vernebeln, dass offensichtliche Lügen für wahr, Wahrheit für Lüge, Dummheit für vertrauenswürdig gehalten wird, Klugheit und Wissen misstraut wird? Ein Teil der Antwort ist sicher, dass diejenigen, die profitieren, auch diejenigen sind, die es in der Hand haben, das zu tun. Ein bewusst provozierter Amoklauf des medialen Pöbels und die asozialen Medien teilen dafür die Waffen aus.

Rossmann
Rossmann
1 Monat zuvor

SUPER ARTIKEL

Irene Monreal
Irene Monreal
1 Monat zuvor

Danke für den Artikel, der klärt und erklärt wirklich einiges.
Und das mit dem Schreiben an Merz werde ich morgen erledigen 👍

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Danke für diesen ausgezeichneten Artikel.

Der MAGA Sektenwahn (und der AfD Hass) Zerstörung Familien, Freundschaften und noch so viel mehr.

Das was mit Robinson passiert ist, musste ich bei einigen Bekannten auch erleben.
Vorher nie politisch gewesen, aber zum Ende von Trumps 1. Amtszeit plötzlich in diesen Sog abgedriftet.
Es wurde nur noch Fox geguckt, andere Sender waren Fake News.
Die Wahl war natürlich gestohlen und manipulierten von den Demokraten. Die haben illegale Migranten und Tote wählen lassen
Wer Trump und seine Linie nicht gelobt hat, war nicht mehr willkommen in seinem Haus, seinem Leben …. inklusive einer seiner erwachsenenTöchter. (Die Andere ist da voll auf MAGA mit eingestiegen). Fast 3 Jahre haben sie nicht miteinander kommuniziert (wohnen sehr weit auseinander). Und das obwohl sie sich selber dem konservativen Spektrum zuordnet, aber eben nicht MAGA

Natürlich ist das nicht so drastisch, wie die Quintessenz des Mörder.
Aber in einem Land, wo Jeder leicht an Waffen kommt, aber sein (nicht Trump) Ich nicht frei ausleben kann…. da gibt es viele, viele Zündfässer …. und Trump samt seiner Schergen befeuert es.

Und in Deutschland erreicht man die Menschen, die in die AfD Bubble abgedriftet sind, auch nicht.
Entweder mangels IQ, sie plappern nur dumm nach
Mangels politischer Information „ich wähle AfD aus Protest“
Oder weil man diese Ideologie selber voll vertritt… das sind die, die man nie erreichen wird und das sind die, die den Hass verbreiten.

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Den Brief an Merz werden wir (meine Familie) natürlich abschicken.
Und ich leider es an Alle weiter, wo ich glaube, dass sie mitmachen.

Andy B
Andy B
1 Monat zuvor

Ich habe den Brief auch geschickt. Ein sehr informativer Artikel der zeigt, hier wurde seriöse und mit Verstand recherchiert. Keine Spekulationen, Verschwörungstheorien oder Häme. Ganz tolle Arbeit.

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