Trump will „unangemessenes“ Material aus Nationalparks entfernen lassen

VonRainer Hofmann

September 10, 2025

Die Regierung von Donald Trump lässt derzeit Schilder, Ausstellungen und sogar Bücher in den Nationalparks der Vereinigten Staaten überprüfen – mit dem Ziel, alles zu entfernen, was nach ihrer Auffassung das Land „unangemessen verunglimpft“. In internen Dokumenten, die der National Parks Conservation Association zugespielt wurden, ist die Rede davon, dass Material über Sklaverei, die Zerstörung indigener Kulturen, den Klimawandel oder industrielle Umweltzerstörung neu bewertet werden müsse. Grundlage ist eine präsidiale Anordnung, die Trump im März unterzeichnete: Öffentliche Einrichtungen dürften keine Elemente enthalten, die „Amerikaner vergangener oder gegenwärtiger Generationen unangemessen herabsetzen“. Stattdessen solle die Darstellung „die Größe der Errungenschaften und den Fortschritt des amerikanischen Volkes“ betonen – sowie die Schönheit und den Reichtum der Landschaft. Bis zum 18. Juli hatte der National Park Service Zeit, vermeintlich „unangemessene“ Inhalte zu melden. Auch die Öffentlichkeit wurde zur Teilnahme aufgefordert. Eine Sprecherin des Innenministeriums erklärte, man werde alle Schilder, Tafeln und Ausstellungen überprüfen und bei Bedarf anpassen. Material, das nicht mit der Anordnung übereinstimme, werde entfernt oder abgedeckt und erst nach redaktioneller Überarbeitung wieder angebracht. Die Regierung kündigte an, alle betroffenen Inhalte bis zum 17. September zu beseitigen.

Damit gerät auch das President’s House Memorial in Philadelphia in Gefahr – jener Ort, an dem die Geschichte von Freiheit und Sklaverei zur Zeit der amerikanischen Staatsgründung untrennbar miteinander erzählt wird.

Was auf den ersten Blick nach administrativer Routine klingt, hat eine brisante politische Dimension. Denn unter den markierten Objekten finden sich unter anderem Schautafeln über die Luftverschmutzung in North Carolina, die Folgen des Klimawandels an den Küsten, historische Darstellungen der Sklaverei und der Brutalität von Sklavenhaltern, Ausstellungen über Zwangsassimilation und Vertreibung indigener Gemeinschaften in Alaska oder Florida sowie Bücher, die George Washington als Sklavenhalter benennen. Sogar das Everglades-Nationalparkprogramm, das die verheerenden Folgen von Urbanisierung und Landwirtschaft auf das Ökosystem beschreibt, wurde als möglicherweise „abwertend gegenüber der industriellen Entwicklung Amerikas“ gemeldet. Die Kritik ist deutlich: Historiker, Wissenschaftler und Bürgerrechtler warnen vor einer groß angelegten Geschichtskorrektur. „So zu tun, als hätte es das Schlechte nie gegeben, lässt es nicht verschwinden“, sagt Alan Spears von der National Parks Conservation Association. Gerade die Nationalparks seien Orte, an denen sich Besucher über die Schattenseiten der Geschichte informieren könnten – Umweltzerstörung, Sklaverei, koloniale Gewalt. Das Entfernen dieser Inhalte nehme den Menschen die Möglichkeit, zu verstehen, wie diese Probleme entstanden sind und was sie für die Gegenwart bedeuten.

Ausstellungen im Besucherzentrum des Harriet-Tubman-Underground-Railroad-National Historical Park bei Cambridge erzählen das Leben der berühmten Abolitionistin. Der National Park Service betreibt das Besucherzentrum gemeinsam mit den Maryland State Parks

Auch die NAACP warnt vor einem weißen Fleck auf der Landkarte der Erinnerung: Sklaverei sei nicht eine Randnotiz, sondern der Motor des wirtschaftlichen Aufstiegs der USA über mehr als zwei Jahrhunderte, betont Cedric Haynes, der die politische Arbeit der Organisation leitet. Es sei entscheidend, die Täter klar zu benennen, weil ihre Handlungen bis heute in Gesetzen, Institutionen und Vermögen fortwirken. Indigene Stimmen äußern ähnliche Sorgen. In Alaska wurden Schautafeln über die Zerstörung von Sprache und Kultur der Tlingit und anderen Völkern markiert, in Florida Darstellungen über die Zwangsinternierung von Prärie-Indianern. Für Brenda Child, Professorin und Mitglied des Red-Lake-Ojibwe-Stammes, ist es bitter, dass gerade jetzt, wo endlich ein umfassenderes und ehrlicheres Bild der amerikanischen Geschichte gezeichnet werde, wieder der Versuch unternommen werde, diese Kapitel zum Schweigen zu bringen. „Man kann versuchen, sie zu unterdrücken, aber die Katze ist aus dem Sack. Wir wissen, was geschehen ist. Die Bücher sind geschrieben.“

Der Cane River Creole National Historical Park in Louisiana liegt auf dem Gelände zweier ehemaliger Plantagen. Trumps Vorstoß, Nationalparks nach „unangemessenen Inhalten“ zu durchforsten, könnte dazu führen, dass Hinweistafeln zur Geschichte der Sklaverei entfernt werden

Besonders brisant ist die Streichung von Klimawandel- und Umweltthemen. In North Carolinas Cape Hatteras National Seashore wurden Tafeln über den Meeresspiegelanstieg zur Überprüfung gemeldet – mit dem Argument, sie könnten den Fokus von der „Schönheit und Fülle“ der Landschaft ablenken. Carlos Martinez von den Union of Concerned Scientists hält das für gefährlich: Nationale Schutzgebiete seien der Ort, an dem die Bevölkerung über die realen Gefahren für Natur und Klima aufgeklärt werden müsse. „Wenn wir diese Informationen entfernen, nehmen wir der nächsten Generation die Möglichkeit zu begreifen, was auf dem Spiel steht – und sich zu engagieren.“ Selbst in den Everglades, einem der symbolträchtigsten Schutzgebiete Amerikas, sind die Beschreibungen der Umweltzerstörung auf der Kippe. Jahrzehntelang hatten Landwirtschaft und Urbanisierung das Ökosystem zerschnitten, bevor 1947 der Park gegründet wurde. Heute läuft ein gigantisches Renaturierungsprojekt, das vom Kongress parteiübergreifend beschlossen wurde. Eve Samples, Direktorin der Friends of the Everglades, warnt: „Wenn wir diese Fehler aus der Vergangenheit ausblenden, sind wir dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Die Debatte um die Nationalparks wird so zu einem Brennspiegel der politischen Auseinandersetzung in den USA. Es geht nicht nur um Schilder und Bücher, sondern um das kollektive Gedächtnis eines Landes. Die Frage ist, ob Amerika seinen Kindern die ganze Wahrheit zumutet – oder ob es sich in ein geschöntes Selbstbild zurückzieht, das den Konflikt mit der Realität nur weiter verschärft.

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Ela Gatto
Ela Gatto
15 Tage zuvor

Unglaublich!
Das gibt keinen breiten Aufschrei? All die indigenen Völker? Black live Matters? Marching Luther King Foundation?

Es soll die Geschichte umgeschrieben werden.
Alle Gräueltaten der Kolonialisierung der USA getilgt werden.
Die Indigenen werden erneut verleugnet.
Die Sklaverei wird als „positiv“ deklariert. Weil ja „die dummen Wilden“ ihre Fähigkeiten aufbauen konnten, dank ihrer „großzügigen Sklavenhaltern“.

Und von der Verleugnung von Umweltverschmutzung Und Klimawandel kommen noch oben drauf.

Aber Hauptsache man hat einen Nachbau der Arche Noah …. natürlich sind Noah Und seine Familie „schneeweiß“ und züchtig gekleidet 🤣 genau gegenteilig zu antropologischen und geschichtlichen Nachweisen.

Ich bin froh, dass ich die Nationalparks noch ohne die Zensur gesehen habe. Ebenso die Museen.

Hoffentlich gibt es mutige Menschen, die all diese wichtigen Errungenschaften retten.

Ela Gatto
Ela Gatto
5 Tage zuvor
Reply to  Rainer Hofmann

Danke für die Info.
Hier hört man nichts
Auch nicht wirklich bei ACLU
CNN, ABC etc

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