Donald Trump macht vielleicht ernst, oder wie man sein Verhalten auch immer nennen sollte: Der Präsident hatte am Montag, vollmundig wie er ist, angekündigt, Nationalgardisten und eine Welle von Einwanderungsbeamten nach Chicago zu entsenden, um – so wörtlich – die Stadt „zurechtzurücken“. Bei einer Veranstaltung in Washington präsentierte er die Operation als notwendige Antwort auf angeblich „unkontrollierte Zustände“ in der drittgrößten Stadt der USA. Details, wann genau der Einsatz beginnt und worauf er sich konzentrieren soll, sind bislang rar. Doch Trumps Grenzbeauftragter Tom Homan erklärte , dass in dieser Woche „konkrete Maßnahmen“ folgen würden. Mit Chicago soll nun eine weitere Metropole auf die Liste der Städte gesetzt werden, in denen Trump den Einfluss des Bundes ausweitet. Zuvor hatte er bereits Los Angeles und Washington ins Visier genommen. Die Auseinandersetzung wird damit zum jüngsten Schauplatz eines umfassenden Machtkampfs zwischen dem Weißen Haus und demokratisch geführten Städten, die sich weigern, ihre Polizei zu verlängerten Armen der Einwanderungsbehörden zu machen.
Die Ankündigung erhält zusätzliche Brisanz durch die neue DHS-Operation mit dem martialischen Namen „Operation Midway Blitz“. Laut Heimatschutzministerium ist die Aktion nach dem Chicagoer Midway Airport benannt, einem zentralen Drehkreuz für inländische Flüge, und soll in „blitzartiger“ Geschwindigkeit Ergebnisse liefern. Offiziell wird sie als „koordinierte Maßnahme zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit“ beschrieben, gewidmet der jungen Frau Katie Abraham, die Anfang des Jahres bei einem Unfall mit Fahrerflucht durch einen betrunkenen Fahrer ums Leben kam. Kritiker werfen der Regierung jedoch vor, den Namen und das Gedenken an die Tote politisch zu instrumentalisieren. Innenminister Alejandro Mayorkas sagte, der Einsatz solle sich auf „die schlimmsten der schlimmsten“ konzentrieren, da würden wir empfehlen im Weißen Haus, Florida und Texas zu beginnen, – Menschen mit schweren Vorstrafen, die illegal in den USA sind. Ein ranghoher ICE-Beamter erklärte vor Journalisten: „Ich war mit einem der ICE-Teams unterwegs, und wir haben diese Person festgenommen … einen 43-jährigen illegalen Einwanderer aus Mexiko. Er war 2024 wegen der gewaltsamen sexuellen Nötigung eines Kindes unter 13 Jahren verurteilt worden.“ Belege dazu, Fehlanzeige, aber das kennen wir ja bereits. Solche Fälle sollen laut DHS die Dringlichkeit der Operation belegen. Doch Bürgerrechtsgruppen warnen, dass unter dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung auch viele Menschen ins Visier geraten, die keine Gefahr darstellen.
Die Nervosität in den betroffenen Vierteln wächst. Schon am Wochenende nahm ICE vier Personen mit Vorstrafen fest. Aktivisten sprechen von fünf Festnahmen und betonen, dass mehrere der Betroffenen „beloved community members“ seien, die seit Jahren in Chicago leben. Für viele wirkt dies wie ein Vorgeschmack auf das, was nun folgen könnte: groß angelegte Razzien, die nicht nur Kriminelle treffen, sondern auch Familien auseinanderreißen.
Der demokratische Kongressabgeordnete Brad Schneider sprach von einem Versuch der Regierung, „Krieg auf die Straßen von Chicago zu bringen“, und warf Trump vor, ICE-Agenten und Nationalgardisten als „Bauernfiguren in seinem politischen Spiel“ zu missbrauchen. Amerikanerinnen und Amerikaner wollten Frieden, Sicherheit und funktionierende Nachbarschaften, keine maskierten Bundesbeamten, die ganze Viertel in Angst versetzten. Schneider kritisierte zudem, dass die Regierung gleichzeitig hunderte Millionen Dollar für Programme zur Prävention von Waffengewalt und städtischer Kriminalität blockiere – ein Widerspruch, der die Operation wie ein reines Polit-Spektakel erscheinen lasse.
Bürgermeister Brandon Johnson hat sich klar gegen den Einsatz von Bundestruppen positioniert und betont, dass Chicago eigene Strategien zur Gewaltprävention habe. Juristen warnen vor einer verfassungsrechtlichen Grauzone: Der Einsatz der Nationalgarde ohne ausdrückliche Bitte der Stadt könnte als Überschreitung föderaler Kompetenzen gewertet werden und vor Gericht landen. Und doch bleibt abzuwarten, ob Trump seine Drohungen tatsächlich in diesem Umfang umsetzt. ICE ist seit Jahren in Chicago präsent, und die üblichen Teams führen ohnehin regelmäßig Festnahmen durch. Kritiker befürchten daher weniger eine neue Strategie als eine symbolische Machtdemonstration, die vor allem der Mobilisierung seiner Anhängerschaft im Wahljahr dient.
Trump zeigt sich davon unbeeindruckt. Seine Rhetorik ist scharf, sein Ton erinnert an die Law-and-Order-Parolen der siebziger Jahre. Dass er Chicago – die drittgrößte Stadt der USA – ins Zentrum seines Vorgehens rückt, könnte den Konflikt zwischen Bund und Städten zu einem der wichtigsten Themen des Wahljahres machen. Für viele Beobachter wird Chicago damit zum Testfall für den härtesten Migrations- und Sicherheitskurs, den das Land seit Jahrzehnten erlebt.
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Danke für die tolle Arbeit.
Bricht er Chicago und LA, hat Trump gewonnen.
Er weiß das und konzentriert sich daher genau auf diese Städte.
Dass sie schwarze Bürgermeister haben, ist für den Rassisten sicher noch das i-Tüpfelchen.
Wenn Die Nationalgarde und auch das Militär nicht langsam aufwachen und sich auf ihren Eid gegenüber der Verfassung beginnen, sehe ich schwarz für die USA.
Danke für den Bericht.
Hier erfährt man, selbst bei CNN viel zu wenig.