Helden ohne Waffen – Wie ein Syrer und ein Tschetschene den Terror am Gleis stoppten

VonKatharina Hofmann

Mai 25, 2025

Es war ein Freitagabend wie viele andere – Menschen hasteten durch die Hallen des Hamburger Hauptbahnhofs, Züge rauschten ein, das Leben lief in gewohnten Bahnen. Bis auf einmal alles anders war. Am Gleis 13 zog eine Frau ein Messer – und stach zu. 18 Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwebten in Lebensgefahr. Panik brach aus, Schreie, Blut, Chaos.

Doch mitten in diesem Moment, in dem viele flohen, entschieden sich zwei Männer zu bleiben. Und zu handeln.

Ein Tschetschene – sein Name ist bislang nicht bekannt – reagierte als Erster. Er trat der Angreiferin entgegen, versetzte ihr einen gezielten Tritt. Sie stürzte. Es war der entscheidende Augenblick. Der zweite Mann, Mohammad al-Mohammad, ein 19-jähriger Syrer aus Aleppo, war gerade auf dem Rückweg in seine WG in Buchholz. Er zögerte keine Sekunde. Er stürmte vor, fixierte die Frau mit bloßen Händen, drückte ihre Arme auf den Rucksack. So lange, bis die Polizei kam.

„Ich habe mich entschieden, sie zu stoppen“, sagte al-Mohammad später. Es war keine Heldengeste – es war Menschlichkeit im Ausnahmezustand.

Die mutmaßliche Täterin ist eine 39-jährige deutsche Frau mit psychischer Erkrankung. Sie wurde noch am Tatort festgenommen, nun befindet sie sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Doch die Fragen bleiben: Wie konnte sie trotz geltenden Waffenverbots am Hauptbahnhof ein Messer mitführen? Warum reagierte niemand schneller?

Die Tat hat eine neue Debatte ausgelöst – über Sicherheit, über Prävention, über Technik. Seit 2023 gilt ein erweitertes Waffenverbot im Bereich des Bahnhofs. Und doch fordern Experten jetzt mehr: Gesichtserkennung, KI-gestützte Überwachung, mehr Personal. Alles berechtigt – aber all das ersetzt keine Zivilcourage.

Denn es waren keine Kameras. Es waren keine Polizisten. Es waren zwei junge Männer – Flüchtlinge, wie sie oft pauschal genannt werden – die den Angriff stoppten. Einer aus Syrien. Einer aus Tschetschenien.

Mohammad al-Mohammad lebt seit 2022 in Deutschland. In Aleppo überlebte er Krieg. In Hamburg rettete er Leben. Sein Mut, seine Entschlossenheit wurden inzwischen von vielen gewürdigt – Medien, Politik, Menschen auf der Straße. Doch noch viel wichtiger ist die Wirkung seiner Tat: Sie zeigt, dass Menschlichkeit keine Staatsbürgerschaft braucht.

Für die Verletzten wurde ein Opferhilfeprogramm eingerichtet. Die Polizei hat ein Hinweisportal freigeschaltet – für Bilder, Videos, Zeugenaussagen. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen Abend, der auch schlimmer hätte enden können. Wäre da nicht der Mut von zwei jungen Männern gewesen.

Manchmal braucht es keine Uniform, kein Gesetz, kein System. Manchmal reicht ein Schritt nach vorn – gegen die Angst, gegen die Gewalt, für das Leben.

Auf den Accounts der AfD herrscht bemerkenswerte Stille. Kein Wort des Dankes an die beiden jungen Männer, kein Kommentar zum Angriff selbst. Es passt nicht ins Weltbild einer Partei, die Geflüchtete oft pauschal als Gefahr darstellt – und nun zusehen muss, wie zwei von ihnen zur Rettung wurden. Schweigen kann manchmal lauter sein als jede Parole.

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