Es ist ein juristisches Donnerwetter, das an diesem Dienstag über Washington niederging: Bundesrichter Charles Breyer hat entschieden, dass der Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles zur Begleitung von Einwanderungsrazzien rechtswidrig war. In seinem Urteil heißt es, die Regierung habe gegen ein zentrales Schutzprinzip der US-Demokratie verstoßen – das Verbot, Militär zur Durchsetzung von Zivilrecht einzusetzen. Damit erhält Kalifornien, das gegen den Einsatz geklagt hatte, in allen wesentlichen Punkten recht. Die Entscheidung hat Sprengkraft. Sie betrifft nicht nur den Einsatz von mehreren Hundert Gardisten, die im Sommer an der Seite von ICE-Agenten in der Metropole patrouillierten, sondern sie rüttelt an einer Grundfrage des amerikanischen Staatswesens: Wo endet die Macht des Präsidenten, wo beginnt der Schutz der Bürger vor militärischer Gewalt im Inneren? Breyer ließ keinen Zweifel daran, dass das Handeln der Regierung einen Tabubruch darstellt. „Die Exekutive darf das Militär nicht als Verstärker ihrer politischen Agenda instrumentalisieren“, heißt es in der schriftlichen Begründung.

Im Zentrum der Auseinandersetzung steht das Posse-Comitatus-Gesetz, das seit 1878 den Einsatz von Soldaten für polizeiliche Aufgaben verbietet. Ausnahmen sind eng begrenzt – etwa bei Naturkatastrophen oder wenn Aufstände die öffentliche Ordnung bedrohen. Die Anwälte der Trump-Regierung hatten argumentiert, die Nationalgardisten hätten lediglich den physischen Schutz der ICE-Beamten übernommen, nicht selbst Menschen festgenommen oder Gesetze durchgesetzt. Breyer wies diese Interpretation zurück: Bereits die Präsenz uniformierter Truppen an Straßensperren und während Razzien habe eine einschüchternde Wirkung entfaltet, die den verfassungsrechtlich garantierten Rahmen sprenge. Die Klage war von Kalifornien eingereicht worden, unterstützt von Bürgerrechtsorganisationen und mehreren Abgeordneten aus Los Angeles. Sie hatten den Einsatz als eine „militarisierte Abschreckungskampagne“ bezeichnet, die darauf abziele, Migranten und Unterstützer mundtot zu machen. Tatsächlich war es während der Proteste gegen Massenabschiebungen im Juli zu Szenen gekommen, die an Krisengebiete erinnerten: Humvees auf dem Hollywood Boulevard, Soldaten in voller Kampfausrüstung, Tränengaswolken über der Innenstadt. Das Urteil könnte nun als wegweisender Präzedenzfall wirken – und weitere Bundesstaaten ermutigen, gegen ähnliche Maßnahmen vorzugehen.

Diese Handlungen zeigen, dass die Beklagten wussten, dass sie Truppen anordneten, innerstaatliches Recht über ihre übliche Befugnis hinaus durchzusetzen. Ob sie glaubten, dass eine verfassungsrechtliche oder andere Ausnahme Anwendung fand, spielt keine Rolle;
Politisch trifft der Spruch das Weiße Haus zu einem heiklen Zeitpunkt. Trump hat seine Migrationspolitik zum Kernstück seiner Präsidentschaft gemacht und warb zuletzt offensiv damit, „alle Mittel des Staates“ zu nutzen, um die Abschiebungen zu beschleunigen. Gegner werfen ihm vor, eine Atmosphäre der Angst zu schüren und den Rechtsstaat auszuhöhlen. Mit Breyers Entscheidung ist nun klar: Der Einsatz militärischer Macht hat klare Grenzen, selbst für den Präsidenten. Juristen erwarten, dass die Regierung in Berufung gehen wird – vermutlich bis hinauf zum Supreme Court. Doch schon jetzt hat das Urteil Signalwirkung. Es erinnert daran, dass die Gewaltenteilung kein rhetorisches Ornament ist, sondern eine konkrete Barriere gegen Übergriffe der Exekutive. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom sprach von einem „Sieg für die Demokratie und die Verfassung“. Bürgerrechtler sprachen von einem „historischen Schutzschild“ für Einwanderer und Protestierende. Trumps Sprecher hingegen reagierten trotzig. Man habe lediglich versucht, „federal property und federal officers“ zu schützen, hieß es in einer Stellungnahme. „Der Präsident wird nicht zulassen, dass Chaos auf den Straßen herrscht.“ Doch das Gericht hat unmissverständlich klargemacht: Chaos ist kein Freibrief für Militarisierung. Das Bild, das von diesem Urteil bleibt, ist das eines Präsidenten, der seine Macht überdehnt – und eines Richters, der das juristische Stoppschild hochhält. Der Kampf um die Grenze zwischen innerer Sicherheit und verfassungsrechtlichen Freiheitsrechten ist damit nicht beendet, aber er hat eine neue Richtung bekommen.
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Ein mutiger Richter, mit einer sehr klaren und deutlichen Begründung.
Das wird natürlich auch anderen demokratischen Staaten und Städten helfen.
Ein Funken Hoffnung.
Wobei der Marionetten-Supreme Court sehr wahrscheinlich das Urteil kippen wird.
Danke für diesen hoffnungsspendenden Bericht
Der Supreme Court kann sich doch nicht über das geltende Recht wie es Richter Breyer anwendet hinwegsetzen. Es gibt doch nur ein Recht.