Vorwort: Ein Aufruf zur Solidarität in Zeiten der Barbarei
Eine Warnung sei hier ausgesprochen: Das im Artikel enthaltene Material aus dem CECOT dokumentiert extreme Formen menschlicher Entwürdigung.“ Es ist nichts für schwache Nerven – und doch ein unverfälschter Spiegel dessen, was geschieht, wenn Menschen nicht mehr als Individuen mit unveräußerlicher Würde, sondern nur noch als Bedrohung, als Statistik, als zu eliminierende Variable in einer Gleichung der Angst erscheinen. In Nayib Bukeles Folterhölle CECOT – diesem architektonischen Monument der Entmenschlichung in El Salvador – vegetieren Zehntausende unter Bedingungen, die jede zivilisatorische Errungenschaft verhöhnen. Die teils verdeckt aufgezeichneten Videoaufnahmen aus diesem Komplex zeigen dicht gedrängte Körper, nackte Leiber aneinandergereiht wie Vieh vor der Schlachtung, Menschen ihrer Individualität beraubt und zu einer amorphen Masse des Elends verschmolzen. Dies ist die Hölle auf Erden, die sich hinter dem Euphemismus der „Sicherheitspolitik“ verbirgt – eine Hölle, die mit stillschweigender Billigung, wenn nicht gar aktiver Unterstützung Washingtons operiert.
Als die Trump-Administration verkündete, dass rund 139.000 Menschen abgeschoben worden seien, sprach Thomas Homan von „guten Zahlen“ – als wäre menschliches Leid eine Excel-Tabelle, die es zu optimieren gilt. Homan, dieser Technokrat der Grausamkeit, der bereits unter Trump 1.0 als kommissarischer Direktor von ICE die Maschinerie der Deportation perfektionierte, verkörpert die kalte Rationalität eines Systems, das Einwanderung nicht als menschliche Realität mit all ihren Facetten von Hoffnung, Verzweiflung und Überlebenswillen begreift, sondern als „Sicherheitsproblem“, das es mit industrieller Effizienz zu lösen gilt. Zurück an der Macht unter Trump 2.0, präsentiert er Deportationsstatistiken mit der emotionalen Distanz eines Controllers, der seine Quartalsbilanz vorlegt – blind für die zerrissenen Familien, die traumatisierten Kinder, die zerstörten Existenzen hinter jeder Zahl.
Die erschütternde Wahrheit ist, dass fast 75 Prozent der Abgeschobenen keine Verbrechen begangen haben – außer dem „Verbrechen“, auf der falschen Seite einer imaginären Linie geboren zu sein, die falsche Hautfarbe zu haben, den falschen Akzent zu sprechen. Sie sind Kollateralschäden einer Politik, die Angst zur Währung und Hass zur Strategie erhoben hat. Eine Weltpolitik, die meint, freundlich wegschauen zu können, während die Fundamente der Menschlichkeit erodieren.

Zusätzlich bestätigt eine aktuelle Recherche von Human Rights Watch – in enger Zusammenarbeit mit anderen Organisationen – im Wesentlichen die gleiche Statistik, die wir auf Grundlage unserer eigenen Daten bereits seit Monaten veröffentlichen. Demnach haben nahezu 72 % der Menschen in US-Einwanderungshaft keine kriminelle Vorgeschichte. Den Link zum vollständigen Bericht finden Sie hier: https://www.hrw.org/report/2025/07/21/you-feel-like-your-life-is-over/abusive-practices-at-three-florida-immigration?utm_source=chatgpt.com
Doch wir – und mit diesem „wir“ meine ich all jene, die noch an die Unteilbarkeit der Menschenwürde glauben – lassen uns von dieser orchestrierten Barbarei nicht abschrecken. Im Gegenteil: Gerade jetzt ist es unsere moralische Pflicht, Menschen zu unterstützen, die durch die menschenrechtsverletzende Politik der USA und ihrer Vasallen in größte Not geraten sind. Die NGOs vor Ort, die unter widrigsten Bedingungen versuchen, ein Minimum an Humanität zu bewahren, brauchen unsere Solidarität – nicht nur finanziell, sondern auch politisch, physikalischer Hilfe und moralisch. Sie sind die letzten Bastionen der Zivilisation in einer Welt, die in die Barbarei abzugleiten droht.
Lateinamerika mag für viele geografisch weit entfernt sein, doch die Politik der Entmenschlichung kennt keine Grenzen. Sie ist bereits bei uns angekommen, schleicht sich in unsere Gesetze, unsere Diskurse, unsere Normalität. Die nächtlichen Klopfzeichen an den Türen – bei den „falsch“ geheirateten Ehepartnern, bei den „illegalen“ Familien, bei all jenen, die das System als überflüssig markiert hat – sind keine dystopische Zukunftsvision mehr, sondern gegenwärtige Realität. Vielleicht sind es Ihre Freunde, Ihre Bekannten, Ihre Nachbarn, die als Nächste im Visier stehen.

„Es war noch Zeit“, schrieb einst ein Dichter über die Vorabende der Katastrophe. Noch ist Zeit, den Anfängen zu wehren, auch wenn diese Anfänge bereits fortgeschritten sind. Noch ist Zeit, Widerstand zu leisten gegen die Normalisierung des Unerträglichen. Noch ist Zeit, unsere Stimmen zu erheben für jene, denen die Stimme genommen wurde. Denn aus der Hölle, das lehrt uns die Geschichte mit erbarmungsloser Klarheit, geht es nur bergab. Und wenn wir zulassen, dass die Hölle zur neuen Normalität wird, dann werden wir alle, früher oder später, ihre Bewohner sein, zumindest moralisch.
Der folgende Artikel analysiert die jüngste Eskalation amerikanischer Interventionspolitik in Lateinamerika – nicht als abstraktes geopolitisches Phänomen, sondern als konkrete Bedrohung für Millionen von Menschen, deren einziges „Verbrechen“ es ist, am falschen Ort zur falschen Zeit geboren zu sein. Es ist ein Appell an unser kollektives Gewissen, aber mehr noch: Es ist ein Aufruf zum Handeln. Denn Solidarität, die sich in Worten erschöpft, ist keine Solidarität. Sie muss gelebt, praktiziert, erkämpft werden – jeden Tag aufs Neue, gegen alle Widerstände, trotz aller Rückschläge.
Das Echo der Geschichte
In den Straßen von Mexiko-Stadt, Caracas und Quito hallt ein Widerhall durch die Zeit – ein Echo, das zweihundert Jahre amerikanischer Hegemonialpolitik in sich trägt. Donald Trumps jüngste Direktive an das Pentagon, militärische Gewalt gegen lateinamerikanische Drogenkartelle zu autorisieren, hat eine tektonische Verwerfung in der kollektiven Psyche des Kontinents ausgelöst. Was in den marmornen Hallen Washingtons als chirurgischer Eingriff gegen das Krebsgeschwür des Drogenhandels präsentiert wird, entpuppt sich südlich des Rio Grande als Wiedergänger einer Politik, die Generationen von Lateinamerikanern mit Blut, Tränen und gebrochener Souveränität bezahlt haben. Die Tragweite dieser Entscheidung lässt sich nur im Kontext einer jahrhundertealten Machtasymmetrie verstehen, die seit James Monroes folgenreicher Proklamation von 1823 den amerikanischen Doppelkontinent in eine hegemoniale Ordnung zwängte. Die Monroe-Doktrin, ursprünglich als Schutzschild gegen europäische Kolonialambitionen konzipiert, mutierte über die Jahrzehnte zu einem Damoklesschwert, das über jeder progressiven Regung, jeder nationalen Selbstbestimmung und jeder demokratischen Erhebung schwebte, die Washingtons Interessen zuwiderlief.

Die Geschichte amerikanischer Interventionen in Lateinamerika liest sich wie ein Kompendium imperialer Übergriffe, dessen einzelne Kapitel durch einen roten Faden verbunden sind: die Subordination lateinamerikanischer Souveränität unter die geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Staaten. Der Mexikanisch-Amerikanische Krieg von 1846-1848 unter James K. Polk entriss Mexiko nicht nur die Hälfte seines Territoriums – ein Gebiet, das heute Kalifornien, Nevada, Utah, Arizona, New Mexico und Texas umfasst –, sondern prägte auch das mexikanische Nationalbewusstsein mit einer tiefen Wunde, die bis heute nicht verheilt ist. Die kollektive Erinnerung an diese territoriale Verstümmelung durchzieht die mexikanische Identität wie ein Phantomschmerz, der bei jeder neuen Drohgebärde aus dem Norden reaktiviert wird. Theodore Roosevelts „Big Stick“-Diplomatie zu Beginn des 20. Jahrhunderts perfektionierte die Kunst der militärischen Einschüchterung. Die Abspaltung Panamas von Kolumbien 1903, orchestriert zur Sicherung der Kanalrechte, demonstrierte die Bereitschaft Washingtons, nationale Grenzen nach Belieben neu zu zeichnen. Die nachfolgenden Okkupationen Haitis (1915-1934), der Dominikanischen Republik (1916-1924) und Nicaraguas (1912-1933) etablierten ein Muster direkter militärischer Kontrolle, das ganze Generationen prägte und politische Kulturen deformierte.

Der Kalte Krieg transformierte diese offene Gewaltpolitik in ein subtileres, aber nicht weniger zerstörerisches Spiel verdeckter Operationen. Guatemala 1954: Die demokratisch gewählte Regierung Jacobo Árbenz‘ fällt einem CIA-orchestrierten Putsch zum Opfer, weil ihre Landreform die Profite der United Fruit Company bedroht. Die Folge: Vier Jahrzehnte Bürgerkrieg mit über 200.000 Toten. Chile 1973: Salvador Allendes sozialistische Regierung wird mit aktiver Unterstützung der CIA gestürzt, Augusto Pinochets Militärdiktatur hinterlässt Tausende Verschwundene und Gefolterte. Die Liste ließe sich fortsetzen: Brasilien 1964, Argentinien 1976, Nicaragua in den 1980er Jahren – überall hinterließ die amerikanische Einmischung Spuren der Verwüstung.

Trumps Klassifizierung lateinamerikanischer Drogenkartelle als Terrororganisationen markiert eine gefährliche Eskalation in dieser historischen Kontinuität. Die juristische Sophisterei dieser Kategorisierung verschleiert kaum ihre wahre Intention: Sie schafft den rechtlichen Rahmen für unilaterale militärische Aktionen auf fremdem Territorium. Das Sinaloa-Kartell in Mexiko, der Tren de Aragua in Venezuela, die verschiedenen Gruppierungen in Ecuador und Kolumbien – sie alle werden zu legitimen Zielen einer Militärmaschinerie erklärt, deren Präzisionsschläge in Afghanistan, Irak und Syrien bereits ihre verheerende Ungenauigkeit bewiesen haben. Die Reaktion Mexikos unter Präsidentin Claudia Sheinbaum war unmissverständlich und von historischem Bewusstsein geprägt. Ihre kategorische Ablehnung jeder Form militärischer Intervention reflektiert nicht nur die traumatische Erinnerung an 1848, sondern auch das Verständnis, dass militärische Lösungen die komplexen sozioökonomischen Wurzeln des Drogenhandels nicht adressieren können. In Venezuela instrumentalisiert Nicolás Maduro die Bedrohung zur Konsolidierung seiner autoritären Herrschaft, während er gleichzeitig berechtigte Ängste vor einer Wiederholung vergangener Interventionsmuster schürt.
Die menschenrechtliche Katastrophe: Vorhersehbare Kollateralschäden
Die menschenrechtlichen Implikationen von Trumps Militärorder sind katastrophal in ihrer Vorhersehbarkeit. Die Geschichte lehrt uns, dass militärische Interventionen unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung invariabel die Zivilbevölkerung am härtesten treffen. Die „Kollateralschäden“ – ein euphemistischer Begriff, der menschliches Leid in militärische Statistik verwandelt – werden sich in zerstörten Gemeinden, traumatisierten Familien und einer weiteren Erosion ohnehin fragiler staatlicher Strukturen manifestieren. Die Erfahrungen aus Kolumbiens jahrzehntelangem Drogenkrieg sind instruktiv: Trotz Milliarden von Dollar amerikanischer Militärhilfe und unzähliger Operationen gegen Kartelle floriert der Kokainhandel weiterhin, während ländliche Gemeinden zwischen den Fronten zerrieben werden. Bauern, die aus wirtschaftlicher Not Koka anbauen, werden kriminalisiert und vertrieben. Indigene Gemeinschaften verlieren ihre angestammten Territorien. Menschenrechtsverteidiger und Journalisten werden zwischen staatlicher Repression und krimineller Gewalt aufgerieben. Eine militärische Eskalation würde diese Dynamiken exponentiell verstärken. Die Kartelle, längst in die soziale und wirtschaftliche Struktur ihrer Operationsgebiete eingewoben, würden auf externe militärische Bedrohungen mit verstärktem Terror gegen die Zivilbevölkerung reagieren. Die Geschichte zeigt, dass asymmetrische Konflikte dieser Art die Gewalt nicht eindämmen, sondern diversifizieren und intensivieren.

Donald Trumps heimlich unterzeichnete Direktive, die dem Pentagon den Einsatz militärischer Gewalt gegen bestimmte lateinamerikanische Drogenkartelle erlaubt, die seine Regierung als Terrororganisationen eingestuft hat. Damit überschreitet er eine bisherige rote Linie: Aufgaben, die traditionell in den Bereich der Strafverfolgung fielen, sollen nun vom Militär übernommen werden. Das Weiße Haus will so den Zufluss von Fentanyl und anderen Drogen eindämmen – auch durch Operationen auf See und auf fremdem Staatsgebiet. Militärplaner erarbeiten bereits Szenarien, doch das Vorhaben wirft gravierende juristische Fragen auf: Ob Tötungen außerhalb eines vom Kongress autorisierten bewaffneten Konflikts nicht als Mord gelten könnten, bleibt offen. Unklar ist auch, welche Rechtsgutachten von Pentagon, Außen- oder Justizministerium vorliegen.
Seit seiner Rückkehr ins Amt im Januar hat Trump die Nationalgarde und aktive Truppen an die Südgrenze beordert, die Überwachung verstärkt und Kartelle wie Tren de Aragua, MS-13 oder das venezolanische Cartel de los Soles offiziell zu Terrorgruppen erklärt. Für Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, den Washington als Kartellchef bezeichnet, wurde das Kopfgeld auf 50 Millionen Dollar verdoppelt. Außenminister Marco Rubio begründet die Einstufung damit, dass so „alle Elemente amerikanischer Macht“ gegen diese Gruppen eingesetzt werden könnten. Juristen widersprechen: Die Terrorlisten erlauben Sanktionen, aber keine Kriegseinsätze ohne Mandat. In der Vergangenheit bewegte sich der Einsatz von US-Truppen in Lateinamerika – von Panama 1989 bis zu Marineoperationen auf Hoher See – stets im Grenzbereich des Völkerrechts und unter dem Posse-Comitatus-Gesetz, das Militäraktionen als Polizei weitgehend verbietet.

Trumps neue Anweisung zielt offenbar auf direkte Festnahmen oder gezielte Tötungen von Kartellmitgliedern. Das würde nicht nur den Bann präsidialer Attentate berühren, sondern auch Fragen nach Gefangenenhaltung ohne Kongressmandat aufwerfen. Zugleich hat die Regierung interne juristische Kontrollinstanzen wie die Judge Advocates General und das Office of Legal Counsel weitgehend entmachtet, Schlüsselposten neu besetzt und signalisiert, Trumps verfassungsmäßige Befugnisse maximal auszulegen, während die USA Geheimdrohnen über mexikanischem Territorium einsetzen, offiziell nur zur Aufklärung. An der Grenze fliegt das Northern Command mit U-2-Maschinen, RC-135-Rivet-Joints, P-8-Flugzeugen und Drohnen – Teil einer Eskalationsstrategie, die die Trennlinien zwischen Strafverfolgung, Geheimdienstoperationen und Kriegseinsatz zunehmend verwischt.
Der Tourismus als Geisel: Wirtschaftliche Verwerfungen
Ein besonders perfider Aspekt militärischer Interventionen ist ihre Auswirkung auf den Tourismus – eine Lebensader vieler lateinamerikanischer Volkswirtschaften. Die Kartelle, in die Enge getrieben durch militärischen Druck, würden voraussichtlich ihre Taktiken anpassen und möglicherweise Touristen als symbolische Ziele oder Verhandlungsmasse ins Visier nehmen. Die Entführungen und Anschläge der 1980er und 1990er Jahre in Kolumbien und Peru, als der Konflikt zwischen Staat, Paramilitärs und Guerillagruppen eskalierte, bieten einen düsteren Vorgeschmack auf mögliche Szenarien. Mexikos Riviera Maya, Ecuadors Galápagos-Inseln, Kolumbiens Karibikküste – diese touristischen Juwelen würden zu Hochrisikogebieten mutieren. Der wirtschaftliche Dominoeffekt wäre verheerend: Millionen von Arbeitsplätzen im Tourismussektor stünden auf dem Spiel, lokale Ökonomien würden kollabieren, und die soziale Verwerfung würde ironischerweise genau jene Bedingungen verstärken, die den Drogenhandel erst ermöglichen.
Die Komplizenschaft des Schweigens: Internationale Reaktionen
Bemerkenswert und beunruhigend zugleich ist die gedämpfte internationale Reaktion auf Trumps Militärorder. Die Europäische Union, in rhetorischer Verteidigung des Multilateralismus gefangen, beschränkt sich auf diplomatische Floskeln. Die Vereinten Nationen, paralysiert durch die Vetomacht der USA im Sicherheitsrat, bleiben weitgehend stumm. Diese internationale Apathie perpetuiert ein System, in dem Großmachtpolitik über Völkerrecht triumphiert und die Souveränität kleinerer Nationen zur Verhandlungsmasse degradiert wird.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), historisch ein Instrument amerikanischer Hegemonie trotz gegenteiliger Rhetorik, ringt mit ihrer eigenen Irrelevanz. Lateinamerikanische Regionalorganisationen wie CELAC oder UNASUR, geschwächt durch ideologische Gräben und wirtschaftliche Krisen, verfügen nicht über die kohäsive Kraft, um effektiven Widerstand zu leisten. Diese institutionelle Schwäche schafft ein Vakuum, das unilaterale Aktionen begünstigt.
Die Ambivalenz der lateinamerikanischen Reaktionen offenbart eine tragische Dialektik. Während die überwältigende Mehrheit jede Form ausländischer militärischer Intervention ablehnt, existieren Stimmen – oft aus der verzweifelten Mittelschicht autoritär regierter Länder –, die in amerikanischer Gewalt die letzte Hoffnung auf Befreiung sehen. Die anonyme Frau in Maracaibo, die auf Maduros Sturz hofft, verkörpert diese tragische Sehnsucht nach externer Erlösung, geboren aus der Ohnmacht gegenüber interner Unterdrückung. Diese Ambivalenz ist historisch verwurzelt. In jeder Epoche lateinamerikanischer Geschichte gab es Fraktionen, die Washington als Befreier herbeiriefen – von den konservativen Eliten des 19. Jahrhunderts, die amerikanischen Schutz gegen liberale Reformen suchten, bis zu den Wirtschaftseliten der Gegenwart, die in neoliberaler Integration ihre Rettung erblicken. Diese innere Spaltung schwächt den Widerstand gegen externe Intervention und perpetuiert Abhängigkeitsmuster. Die fundamentale Fehlannahme militärischer Ansätze liegt in ihrer Unfähigkeit, die strukturellen Ursachen des Drogenhandels zu adressieren. Der Narcotraffic ist nicht die Ursache, sondern das Symptom tieferliegender sozioökonomischer Pathologien: extremer Ungleichheit, systematischer Exklusion, korrupter Governance und der Integration illegaler Ökonomien in formelle Machtstrukturen. Militärische Gewalt kann Kartellführer eliminieren, aber sie kann nicht die Armut beseitigen, die Zehntausende in die Arme krimineller Organisationen treibt.
Die Prohibitionspolitik selbst, mit ihrer Kriminalisierung von Sucht und ihrer Schaffung lukrativer Schwarzmärkte, perpetuiert den Kreislauf der Gewalt. Solange die Nachfrage in den Konsumländern – primär den USA selbst – ungebrochen bleibt und solange alternative Entwicklungspfade für marginalisierte Gemeinschaften fehlen, wird jeder militärische „Erfolg“ nur temporär sein, eine Hydra, der für jeden abgeschlagenen Kopf zwei neue wachsen.
Sovereignty Lost: Die Erosion des Völkerrechts
Trumps Militärorder repräsentiert einen frontalen Angriff auf die Grundprinzipien des Völkerrechts. Das Prinzip der staatlichen Souveränität, kodifiziert in der UN-Charta und zahllosen internationalen Verträgen, wird zur Disposition gestellt. Die Doktrin der „Schutzverantwortung“ (Responsibility to Protect), ursprünglich für Fälle von Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit konzipiert, wird pervertiert zur Rechtfertigung unilateraler Militäraktionen gegen kriminelle Organisationen. Die Alternative zu militärischer Intervention liegt nicht in Passivität, sondern in einem fundamentalen Paradigmenwechsel. Erfolgreiche Modelle der Drogenbekämpfung – von Portugals Entkriminalisierung bis zu Uruguays reguliertem Cannabismarkt – demonstrieren, dass Gesundheits- und Sozialpolitik effektiver sind als Gewalt. Investitionen in Bildung, Gesundheitsversorgung und wirtschaftliche Alternativen für marginalisierte Gemeinschaften adressieren die Wurzeln des Problems, nicht nur seine Symptome.

Regionale Kooperation, basierend auf Respekt für Souveränität und gemeinsamer Verantwortung, könnte effektivere Mechanismen zur Bekämpfung transnationaler Kriminalität schaffen. Die Stärkung demokratischer Institutionen, die Bekämpfung von Korruption und die Förderung inklusiver Entwicklung sind langfristige Strategien, die nachhaltiger sind als kurzfristige militärische „Lösungen“.
Die Schatten der Vergangenheit, die Gefahren der Gegenwart
Während die Schatten amerikanischer Kanonenboote erneut über Lateinamerika ziehen, steht der Kontinent an einem historischen Scheideweg. Die Entscheidungen der kommenden Monate werden determinieren, ob die Region in alte Muster der Subordination und Gewalt zurückfällt oder ob sie die kollektive Kraft findet, alternative Wege zu beschreiten. Die Geschichte lehrt uns, dass militärische Interventionen keine Probleme lösen – sie verschieben und verstärken sie nur. Die wahren Opfer sind immer die Schwächsten: die indigenen Gemeinschaften in den Bergen Mexikos, die Bauern in den Kokaplantagen Kolumbiens, die Jugendlichen in den Favelas, die zwischen Staat und Kartell keine Zukunft sehen. Ihre Stimmen, oft übertönt vom Getöse der Gewalt und der Rhetorik der Macht, mahnen uns: Der Preis der Intervention wird in Menschenleben gezahlt, und die Rechnung ist immer höher als versprochen.
Die internationale Gemeinschaft steht in der Verantwortung, ihr Schweigen zu brechen. Die Verteidigung der Souveränität Lateinamerikas ist nicht nur eine Frage regionaler Stabilität, sondern ein Test für die Gültigkeit internationaler Rechtsnormen im 21. Jahrhundert. In einer Welt, in der Macht zunehmend über Recht triumphiert, könnte Lateinamerikas Widerstand gegen erneute Intervention zum Lackmustest für die Zukunft der internationalen Ordnung werden. Die Vergangenheit, so zeigt sich, ist in dieser Hemisphäre tatsächlich nie vorbei. Sie lauert in den Korridoren der Macht, in den Träumen der Hegemonen und in den Alpträumen der Unterdrückten. Doch vielleicht liegt gerade in diesem historischen Bewusstsein, in der kollektiven Erinnerung an vergangenes Leid und überwundene Kämpfe, die Kraft zum Widerstand. Die Völker Lateinamerikas haben gelernt, dass wahre Befreiung nicht von außen kommt, sondern von innen erwächst – mühsam, schmerzhaft, aber authentisch. Diese Lektion, in Blut geschrieben und in Tränen bewahrt, könnte ihre größte Waffe gegen die Wiederkehr der Kanonenboote sein.
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Wegschauen kann die internationale Weltengemeinschaft gut.
Sie haben nichts, aber auch rein gar nichts aus Hitlers Machtergreifung gelernt.
Man kann Faschisten nicht Aussetzen.
Man kann Diktatoren bicht wie demokratische Staatsmänner behandeln.
Man darf zu deren Taten nicht schweigen.
Überall wird um Trump auf Zehenspitzen rumgetanzt.
Man küsst die Füße, bettelt um geringere Zölle.
Die Menschenrechtsverletzungen in den USA finden gar keine Erwähnung.
An die seit Jahrzehnten andauernden Menschenrechtsverletzungen in Russland „hat man sich gewohnt, das ist da halt so“.
Leider wird Mittel- und Südametika sich nie eins werden.
Zu weit stehen die politischen Ansichten und persönlichen Machtansprüche auseinander.
Ich bewundere die Ministerpräsidentin Sheinbaum, dass sie Trump klar geantwortet hat.
Sie hat mehr Mut und Rückgrat als die meisten Stastsleute.
Einer der besten Berichte die ich jemals gelesen habe.
Dankeschön
Nach den Ende des 2. Weltkrieges… Nie wieder sollte so etwas passieren! Und doch schaut die ganze Welt zu und andere Staaten tun nichts dagegen.
Noch letztes Jahr sagte ich meiner Familie, Trump und seine korrupte und gewissenlose Gefolgschaft drehen die Uhr um 80 Jahre zurück und wir werden Bilder wie in der 30iger Jahren sehen.
Man hielt mich für pessimistisch! Ich wünschte, es wäre so!
Und ich wünschte, Trump würde ebenso wie Putin, Netanyahu und andere Diktatoren und Menschenverächter verurteilt!
Danke für den super Bericht 🙏🏼
Ich danke dir