Texas im Ausnahmezustand – Gouverneur Abbott droht abtrünnigen Demokraten mit Entmachtung

VonRainer Hofmann

August 4, 2025

Der politische Konflikt in Texas hat sich am Wochenende zu einem beispiellosen Machtkampf zugespitzt. Gouverneur Greg Abbott, Republikaner und treuer Verbündeter von Donald Trump, hat angekündigt, am Montag mit dem Versuch zu beginnen, demokratische Abgeordnete aus dem Amt zu entfernen, sollten sie nicht umgehend nach Texas zurückkehren. Dutzende Mitglieder der demokratischen Fraktion im Repräsentantenhaus des Bundesstaates hatten sich zuvor aus Texas abgesetzt, um die von Trump gewünschte Neuordnung der Wahlkreise für das US-Repräsentantenhaus zu blockieren – ein dramatischer Schritt, der den Streit über die politische Zukunft des Staates und die Kontrolle über das US-Kongresshaus eskalieren lässt.

Im Zentrum des Konflikts stehen die neuen Wahlkreispläne der texanischen Republikaner, die darauf abzielen, fünf zusätzliche republikanische Sitze im Repräsentantenhaus zu schaffen und so die knappe Mehrheit von Trumps Partei vor den Wahlen 2026 zu sichern. Derzeit halten die Republikaner 25 der 38 texanischen Sitze im US-Repräsentantenhaus. Mit den neuen Karten würden sie ihre Position weiter festigen – auf Kosten der Demokraten, die die Umgestaltung als einen eklatanten Versuch der politischen Manipulation und Entmachtung ihrer Wähler ansehen. Abbott verschärfte die Tonlage, als er den Demokraten weniger als 24 Stunden Zeit gab, nach Texas zurückzukehren, bevor die Abstimmung im Repräsentantenhaus am Montag stattfinden sollte. Ohne die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten kann keine Entscheidung fallen – ein Mittel, das die Demokraten bewusst nutzen, um das Gesetz zu blockieren. Viele von ihnen reisten am Sonntag nach Illinois und New York, wo sie von demokratischen Gouverneuren wie JB Pritzker in Empfang genommen wurden. Pritzker, ein möglicher Präsidentschaftskandidat für 2028 und einer der schärfsten Kritiker Trumps, sprach in Carol Stream, Illinois, von einem Angriff auf die demokratischen Grundrechte in den Vereinigten Staaten. „Das ist nicht nur das Manipulieren des Systems in Texas, es ist ein Angriff auf die Rechte aller Amerikaner für die kommenden Jahre“, sagte er am Sonntagabend.

Abbott hingegen greift zu einer beispiellosen Drohkulisse. Er verweist auf ein rechtlich unverbindliches Gutachten von 2021 des republikanischen Generalstaatsanwalts Ken Paxton, das nahelegt, dass ein Gericht das Amt eines Abgeordneten als „verwirkt“ erklären könnte, wenn dieser dauerhaft seiner Pflicht fernbleibt. Außerdem deutete Abbott an, dass die Demokraten mit möglichen Straftaten rechnen müssten, da sie Spenden gesammelt haben, um drohende Geldstrafen zu begleichen. „Dieses Schulschwänzen endet jetzt“, erklärte der Gouverneur in scharfem Ton. Die Demokraten reagierten mit einer kurzen, provokanten Erklärung: „Come and take it.“ Die Lage erinnert an den Sommer 2021, als dieselbe Fraktion 38 Tage lang den Bundesstaat verließ, um neue Wahlgesetze zu verhindern. Damals konnten die Republikaner am Ende dennoch ihre Reformen durchsetzen. Vier Jahre später ist der Konflikt noch unversöhnlicher: Die Republikaner haben ihre internen Regeln verschärft und können abwesende Abgeordnete nun mit täglichen Strafen von 500 Dollar belegen. Der texanische Supreme Court bestätigte bereits vor Jahren, dass fehlende Abgeordnete sogar physisch zur Teilnahme gezwungen werden können. Paxton, der sich um einen Sitz im US-Senat bewirbt, forderte auf X, die Demokraten sollten „wie Feiglinge“ nicht davonkommen, sondern sofort aufgespürt, verhaftet und ins Kapitol zurückgebracht werden. Die Konsequenzen des Boykotts gehen über die parteipolitische Auseinandersetzung hinaus. Neben der Neuordnung der Wahlkreise stehen im texanischen Parlament auch dringend benötigte Hilfen nach den verheerenden Überschwemmungen im Juli auf der Agenda, bei denen mindestens 136 Menschen starben. Demokraten hatten gefordert, diese Fluthilfe und neue Warnsysteme zuerst zu beschließen, bevor über die hochumstrittenen Karten abgestimmt wird.

Während in Texas der Ton rauer wird, koordinieren demokratische Gouverneure außerhalb des Bundesstaates ihre Unterstützung. JB Pritzker in Illinois und Gavin Newsom in Kalifornien hatten sich seit Wochen im Hintergrund mit den texanischen Demokraten abgestimmt, um im Fall einer Flucht aus dem Bundesstaat Rückhalt zu bieten. Pritzker empfing die Delegation am Wochenende persönlich und inszenierte die Aktion als Teil eines landesweiten Kampfes gegen die republikanische Dominanz, die Trump auf dem Weg zu den Midterms 2026 zu sichern versucht. Trump wiederum hofft, eine Wiederholung seiner ersten Amtszeit zu verhindern, als die Demokraten nach nur zwei Jahren die Kontrolle über das Repräsentantenhaus übernahmen. Mit einer aggressiven Neuaufteilung der Wahlkreise will er ein strategisches Bollwerk errichten – nicht nur in Texas, sondern auch in anderen Bundesstaaten, deren Republikaner ähnliche Schritte erwägen. Der Showdown in Texas ist mehr als ein regionaler Streit. Er ist ein Fanal für die politisch aufgeladene Atmosphäre des Landes, in der selbst traditionelle Spielregeln der Legislative zur Waffe geworden sind. Während Abbott auf Konfrontation setzt und offen mit Entmachtung droht, bleiben die Demokraten trotzig im Exil. Der Ausgang dieses Duells wird nicht nur über die politische Landkarte von Texas entscheiden – sondern auch über das Gleichgewicht der Macht in Washington.

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Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Das ist der Tod der Demokratie, wenn sich der Gouverneur durchsetzt.

Bei einer derartigen Machtverfestigung braucht es keine Wahlen mehr.
Da kann man gleich, wie in anderen Autokratien, verkünden, dassdie Republikaner mit 95% gewonnen haben.
Die feuchten Träumen von Abbott und Co.
Trump selber hält sich ja ohnehin für den beliebtesten Präsidenten….

Wenn Abbott damit durch kommt, dann müssen die Demokraten überleben, ob sie weiter wie bisher agieren.
Oder die Samthandschuhe ausziehen und das Gleiche in blauen Staaten machen.
Sonst haben sie, so denn Midterms stattfinden, keine Chance.
Und wenn sie die Kontrolle in den Midterms nicht zurück gewonnen, dann wird es keine Wahlen mehr geben.
Denn in zwei weiteren Jahren hat Trump mit seinen Schergen die Demokratie komplett abgebaut.

Der wunsch der Republikaner. Gouverneur etc auf Lebenszeit bleiben.

Die US-Amerikaner werden sich dann schon an die neue Wirklichkeit gewöhnen…

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