„Festnahmen auf Zuruf“ – Wie Trump und Gabbard den Rechtsstaat attackieren und selbst Republikaner zögern

VonRainer Hofmann

Juli 28, 2025

Tulsi Gabbard hat geliefert. Mit einem öffentlichen Paukenschlag präsentierte die neue Geheimdienstchefin der USA ihre Auswertung interner Unterlagen zur Russlandaffäre rund um die Wahl 2016 – und stieß damit ein politisches Beben an, das Präsident Trump gezielt zur Eskalation nutzt. Die Veröffentlichung, so Trumps Lesart, beweise einen „versuchten Staatsstreich“ unter seinem Vorgänger Barack Obama. Jetzt müsse es „sehr ernste Konsequenzen“ geben. Was Trump darunter versteht, machte er auf seinem Netzwerk Truth Social deutlich: ein KI-generiertes Video zeigt Obama in Handschellen, daneben digitale Polizeifotos seiner einstigen Kabinettsmitglieder. Wir haben darauf verzichtet, diesen Müll hier zu zeigen. Doch selbst in den eigenen Reihen stößt der Präsident mit diesem Vorstoß auf Zurückhaltung. Zwar herrscht innerhalb der Republikanischen Partei große Einigkeit darüber, dass die Enthüllungen Gabbards politisch brisant sind – „wirklich erschütternd“, nennt sie der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Steve Scalise. Doch von der offenen Forderung nach Festnahmen oder Anklagen, wie sie Trump nun offensiv erhebt, wollen viele seiner Parteifreunde noch nichts wissen. Stattdessen setzen sie auf eine vertraute Formel: „Erst ermitteln, dann urteilen.“ Die Arbeit beginne gerade erst, betonte Scalise. Und auch Speaker Mike Johnson blieb vage, sprach von einem „klaren Verdacht“, kündigte aber nur „neue Werkzeuge zur Rechenschaft“ an – ohne zu benennen, welche.

Verschwörungswahn der schlimmsten Art

Für Trump ist diese zögerliche Haltung ein Ärgernis. Gabbards Unterlagen sollen aus seiner Sicht belegen, dass das Obama-Team gezielt versucht habe, seine Wahl zu untergraben – ein Narrativ, das er seit Jahren verfolgt. Die freigegebenen Dokumente, die zum Teil bereits bekannten Informationen entsprechen, zeigen allerdings vor allem eins: dass US-Geheimdienste keinen Beleg dafür fanden, dass Russland 2016 Stimmen manipulierte. Wohl aber bestätigen sie erneut, dass Moskau eine massive Desinformationskampagne startete – mit dem Ziel, Misstrauen zu säen. Genau das also, was bereits Barack Obama öffentlich sagte. Und genau das, was auch vom parteiübergreifenden Bericht des Senats 2020 unter Marco Rubio gestützt wurde: Russland wollte Trump helfen – nicht weil es ihn liebte, sondern um Hillary Clinton zu schaden und das Vertrauen in die Demokratie zu zerstören. Doch Trump sieht in den neuen Papieren einen endgültigen Beweis für Verrat – und seine Verbündete Gabbard unterstützt diese Sicht mit provokanten Begriffen wie „Verschwörung gegen das Volk“ und „Staatsverrat“. Es ist ein Ton, der nicht nur Demokraten empört. Auch moderate Republikaner halten die Forderung nach sofortigen Anklagen für rechtlich fragwürdig und politisch gefährlich. „Wir sind ganz am Anfang“, mahnt etwa der Republikaner Ralph Norman. Und Senator Lindsey Graham spricht zwar von einem „historischen Missbrauch der Macht“ unter Obama, fordert aber lediglich die Einsetzung eines Sonderermittlers – keine Handschellen.

Demokraten werfen der Regierung unterdessen vor, mit der Aktion vor allem eines zu bezwecken: von wachsenden Forderungen nach Transparenz in der Epstein-Affäre abzulenken. „Sie lügen. Sie fabrizieren“, sagt Jim Himes, der ranghöchste Demokrat im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses. Wenn Gabbard tatsächlich überzeugt sei, dann solle sie Anklage erheben – und sich vor Gericht vorführen lassen, wie haltlos ihre Vorwürfe seien. „Kein Gericht in den USA würde sich das anhören, ohne in Gelächter auszubrechen“, so Himes. Für ihn ist klar: Die angeblichen Enthüllungen enthalten keine substanziellen neuen Informationen – und das Risiko, dass Gabbard mit ihren Veröffentlichungen geheime Quellen oder Methoden preisgibt, sei weitaus größer als deren politischer Mehrwert. Auch das Team von Barack Obama meldete sich ungewöhnlich deutlich zu Wort. Die Anschuldigungen seien nicht nur bizarr, sondern ein gezielter Ablenkungsversuch. „Normalerweise äußern wir uns nicht zu dem ständigen Strom von Unsinn und Desinformation aus diesem Weißen Haus. Aber in diesem Fall ist es so absurd, dass wir eine Ausnahme machen müssen“, hieß es in einem Statement. Die Reaktion war kühl, aber deutlich: Was Trump hier betreibt, sei politisches Theater – mit autoritären Anklängen. Dennoch gibt es innerhalb der Partei Stimmen, die den radikalen Kurs stützen. So forderte die rechte Abgeordnete Anna Paulina Luna unverhohlen Festnahmen: „Wenn niemand verhaftet wird, wird sich diese systemische Korruption fortsetzen.“ Was sie dabei unter Korruption versteht, blieb offen – ebenso wie die Beweislage, auf der solche drastischen Maßnahmen beruhen sollten. Juristisch allerdings steht Trump ein zentraler Grundsatz im Weg: Der Supreme Court hatte 2024 entschieden, dass Ex-Präsidenten für Handlungen im Rahmen ihrer Amtsführung Immunität genießen – auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Ein Urteil, das er selbst herbeigeführt hatte. Ironischerweise könnte es nun seinen Wunsch vereiteln, genau diese Logik bei Obama zu durchbrechen.

So bleibt ein Bild zurück, das selbst eingefleischten Republikanern Unbehagen bereitet: ein Präsident, der sich von belastbaren Fakten entfernt, mit Fantasiebildern politischer Gegner in Häftlingskleidung spielt – und eine Geheimdienstchefin, die ihre Autorität nutzt, um politische Deutungshoheit zu inszenieren. Was dabei verloren geht, ist das Vertrauen in rechtsstaatliche Prinzipien. Und was bleibt, ist ein neuer Präzedenzfall für die Aushöhlung politischer Kultur: Wenn Dokumente nicht mehr zur Aufklärung dienen, sondern zur Disziplinierung. Wenn Gerechtigkeit zur Drohung wird. Und wenn ein Staat beginnt, seine Vorgänger nicht mit Akten, sondern mit Handschellen zu überziehen.

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Frank
Frank
1 Monat zuvor

Hammer, was diese „Regierung“ jeden Tag für Mist produziert….mir wird so langsam schlecht vor lauter Kopfschütteln…..

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Angriff mit unbelegten Behauptungen um von den eigentlichen Problemen abzulenken.
Eine Taktik, die Trump seit Jahrzehnten (leider zumeist sehr erfolgreich) anwendet.

Und jetzt mit der Macht als Präsident und einem Trupp loyaler Arschkr******, ist das natürlich noch viel einfacher.

Es klappt auch diesmal wieder.
MAGA jubelt und überschlägt sich mit Lobhuddeleien, dass Trump die korrupten Demorats und den Deepstate beseitigt.

Hoffentlich wachen dennoch einige Republikaner auf und entscheiden sich für das Richtige, nicht fur die Schleimspur von Trump

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