12 Stunden Amerika – U.S.-Crash

VonRainer Hofmann

November 19, 2025

Zwölf Stunden Amerika – und alles liegt offen: ein Land zwischen Hunger und Größenwahn, zwischen Armut und Macht, zwischen Ideologie und Angst. Zwölf Stunden, die zeigen, wie tief die Risse inzwischen gehen, wie Gewalt zum Alltag gehört, was Rassismus anrichtet – wie Meinungsfreiheit verschwindet.

In St. Paul dringen ICE-Beamte in ein Unternehmen ein. Bro-Tex. Ein Ort, an dem Menschen arbeiten, nicht mehr. Was passiert, wirkt wie eine Entgleisung, die niemand mehr auffängt. Friedliche Demonstrierende werden zu Boden gedrückt, und dann sieht man etwas, das man eigentlich nicht mehr sehen möchte: Pfefferspray, aus nächster Nähe in Gesichter geschossen, Menschen, die schreien und keine Luft bekommen, andere, die sich übergeben, wieder andere, die wegtaumeln wie Menschen, denen plötzlich die Welt zu schnell geworden ist. Ein Fahrzeug, gesteuert von denselben Einsatzkräften, setzt zurück und verfehlt eine Gruppe Unbeteiligter nur um eine Bewegung, die man Zufall nennen könnte – oder Glück. In manchen Momenten erkennt man nicht mehr, wer schützen soll und wer geschützt werden müsste.

Angela Deeb sagt danach: „Körperlich hat mein Körper wehgetan, aber natürlich hat heute auch unser Herz wehgetan.“ In ihrem Satz liegt etwas, das über den Moment hinausreicht. Es ist die leise Erkenntnis, dass Gewalt nicht nur den Körper trifft, sondern auch die Vorstellung davon, wie ein Staat handeln sollte. Während noch niemand weiß, wohin die festgenommenen Arbeiter gebracht worden sind, bleibt ein einziges Gefühl zurück: Hilflosigkeit. Als hätte jemand den Raum betreten und das Licht mitgenommen.

Dann taucht Clay Higgins in den Nachrichten auf. Der Republikaner aus Louisiana. Die einzige Gegenstimme gegen die Freigabe der Epstein-Akten. Ein Mann, der sich gern als Kämpfer inszeniert, aber schon aus der Fassung gerät, wenn ihm ein T-Shirt nicht passt. Es ist ein kurzer Ausschnitt, der mehr über ihn erzählt als jede Rede. Einer, der Aufklärung blockiert, während er behauptet, sie zu verteidigen. Einer, der sich stark gibt, aber vor der Wahrheit zurückweicht wie vor einer offenen Flamme.

Bei einer Pressekonferenz geht es um die Frage, ob die Opfer in dem Verfahren geschützt werden. Pam Bondi sagt, sie werde „jede Veröffentlichung von Informationen verweigern, die die Opfer erneut verletzen könnte“. Der Satz fällt wie ein Stein in einen stillen Raum. Man spürt die Schwere des Themas, aber auch die Unruhe in der Formulierung. Blanche ergänzt, dass das Gesetz noch nicht unterzeichnet sei, man die Opfer selbstverständlich schützen werde, und dass die Formulierungen „Ausnahmen enthalten, um genau das zu gewährleisten“. Es klingt wie ein Versuch, Sicherheit auszusprechen, ohne sie garantieren zu können. Worte, die beruhigen sollen, aber auf dünnem Boden stehen.

Während die Frage nach Verantwortung offen bleibt, marschiert Jake Lang durch Dearborn. Ein Mann, der am 6. Januar eine Rolle spielte, die manche erhoben, andere verurteilten. Sein Aufzug stößt hier auf Ablehnung, Müdigkeit, Entsetzen. Als er ins Gesicht geschlagen wird, bricht sein Marsch nicht nur körperlich, sondern auch innerlich kurz in sich zusammen. Dearborn zeigt, dass eine Stadt irgendwann genug hat. Nicht von Protest. Sondern von Menschen, die den Ort missbrauchen, um ihre eigene Härte zu feiern. Videoaufnahmen davon werden wir nicht zeigen. Die Szenen sind derart rassistisch, dass wir sie weder veröffentlichen noch als „Zeitdokument“ reproduzieren werden.

Und während all das geschieht, sitzt Donald Trump im Weißen Haus bei einem Abendessen, das aussieht wie ein Stück aus einer Welt, die von der Realität unberührt bleibt: Melania, Cristiano Ronaldo, JD Vance, Tim Cook, später Elon Musk. Ein Tisch voller Gesichter, die in diesem Moment wirken wie ein Gegenbild zum Rest des Landes. Dort draußen Menschen, die schreien und weinen. Hier drinnen Menschen, die lächeln und anstoßen.

Es wirkt, als lägen zwei Welten übereinander, ohne sich zu berühren. Eine Welt, in der Gewalt, Angst und Ungewissheit die Stunden bestimmen. Und eine andere, in der sich jene versammeln, die glauben, dass ein gedeckter Tisch ein Zeichen für Stabilität sei. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, doch niemand scheint bereit zu sein, dorthin zu sehen.

Da Thanksgiving und die Feiertage näher rücken, möchte ich alle, die es können, ermutigen, lokale Tafeln zu unterstützen und ihre Zeit zu spenden. Heute Morgen war ich in meiner Kirche in Winchester, und ich bin den freiwilligen Helferinnen und Helfern sowie den Organisationen dankbar, die unermüdlich dafür arbeiten, dass Familien in ganz Virginia in dieser Zeit etwas zu essen auf dem Tisch haben und sich gesehen und unterstützt fühlen.

Zwölf Stunden Amerika.
Zwölf Stunden, in denen ein Land mehr von sich gezeigt hat, als es wollte.
Zwölf Stunden, nach denen eine einfache Wahrheit bleibt:
dass in diesem reichen Land immer mehr Menschen Hunger haben.

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