Warum wir kluge Frauen verwerfen und unverständliche Männer wählen.
Es ist ein Satz, der hängen bleibt wie eine schmerzhafte Wahrheit: „Ich habe in den letzten zehn Jahren zwei ernstzunehmende weibliche Präsidentschaftskandidatinnen gesehen – und beide haben gegen einen Mann verloren, der nicht einmal vollständige Sätze bilden kann.“ In seiner nüchternen Direktheit ist er eine Anklage – nicht gegen Hillary Clinton oder Kamala Harris, sondern gegen uns. Gegen eine Gesellschaft, die vorgibt, Fortschritt zu wollen, aber immer wieder in die Reflexe der Vergangenheit zurückfällt.
Denn was sagt es über eine Demokratie aus, wenn rhetorische Inkompetenz, aggressive Männlichkeit und bewusst inszenierte Ahnungslosigkeit offenbar besser vermittelbar sind als Kompetenz, Erfahrung und kluge Konzepte? Wenn ein Mann, der sich regelmäßig in zusammenhangslosen Halbsätzen verliert, der Frauen herabwürdigt, Wissenschaft leugnet und offenkundig Desinteresse an institutioneller Verantwortung zeigt, erfolgreicher ist als zwei Frauen, die alles mitbringen, was ein Präsident – oder eine Präsidentin – mitbringen sollte?
Es wäre zu billig, dies nur mit Sexismus zu erklären. Und doch ist Sexismus ein Teil der Antwort. Frauen in Führungspositionen werden noch immer nicht als gleichwertige politische Akteure wahrgenommen, sondern müssen doppelt beweisen, was bei Männern als gegeben gilt. Ihre Stimme darf nicht zu fest, nicht zu weich, nicht zu schrill, nicht zu bestimmt klingen. Sie sollen empathisch, aber durchsetzungsfähig, gebildet, aber nahbar, kämpferisch, aber mütterlich wirken – ein Spagat, den kaum jemand besteht, weil er unmenschlich ist.
Aber es geht tiefer. Es geht um eine kollektive Gewöhnung an die Entwertung des Denkens. Um die Glorifizierung des Instinkts über den Intellekt. Um die unheimliche Lust am Chaos, die populistische Führungsfiguren wie Donald Trump zur Projektionsfläche macht. Wir leben in einem Zeitalter, in dem Entschlossenheit oft mit Lautstärke verwechselt wird, Autorität mit Unterbrechung, Wahrheit mit Wiederholung.
Und so stellen sich tiefere Fragen:
Warum glauben wir lieber dem, der brüllt, als der, die begründet?
Warum vertraut eine Gesellschaft lieber einem Mann, der kaum seine eigenen Gedanken ordnen kann, als einer Frau, die mit analytischer Klarheit spricht? Warum stören uns fehlende Inhalte weniger als eine falsche Tonlage?
Vielleicht ist es eine Angst vor Veränderung, die sich nicht in politischen Positionen, sondern in Symbolen entlädt. Der weibliche Körper auf der Bühne der Macht stört, weil er unbewusst die gewohnten Machtverhältnisse in Frage stellt. Vielleicht sind wir noch immer nicht so weit, wie wir glauben. Vielleicht sind wir fortschrittsmüde. Vielleicht ist es einfacher, sich einem brüllenden Mangelbild an Führung zu unterwerfen, als sich dem Gedanken zu öffnen, dass Kompetenz, Integrität und Zukunftsdenken auch eine andere Stimme haben dürfen.
Diese Gesellschaft hat die Chance gehabt, zweimal eine historische Entscheidung zu treffen. Zweimal hat sie sich für das Vertraute entschieden – und gegen die Zukunft. Nicht, weil diese Frauen gescheitert wären. Sondern weil es diese Wähler sind.
Und genau das ist die bittere Wahrheit.