Zwischen Krieg und Kompromiss – Europa ringt mit Iran um eine diplomatische Zukunft

VonRainer Hofmann

Juni 20, 2025

Genf – Während in Teheran Sirenen heulen und in Jerusalem Schutzräume gefüllt werden, trafen sich am Freitag führende europäische Diplomaten mit Irans Außenminister Abbas Araghchi zu einem Krisengespräch in der Schweizer Neutralität. Es war das erste persönliche Aufeinandertreffen westlicher und iranischer Vertreter seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts vor einer Woche – ein Treffen, das mehr Hoffnungen als Ergebnisse brachte. Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot, der britische Außenminister David Lammy, der deutsche Außenminister Johann Wadephul sowie EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas empfingen Araghchi in den Räumlichkeiten des deutschen Konsulats in Genf. Drei Stunden dauerte das Ringen um Worte und Wege. Am Ende stand eine nüchterne Erklärung: Man habe „Wege zu einer verhandelten Lösung“ des iranischen Atomprogramms besprochen. Die Europäer betonten erneut, dass das Programm keine „glaubhafte zivile Nutzung“ mehr erkennen lasse – und mahnten zur Rückkehr an den Verhandlungstisch.

Besonders deutlich wurde David Lammy. Großbritannien, so sagte er, wolle „weiterverhandeln, aber Iran dürfe keine Atomwaffe besitzen“. In Interviews sprach Lammy von einem „Fenster von zwei Wochen“ für eine diplomatische Lösung und mahnte, Teheran müsse diesen Ausweg ernst nehmen. Frankreichs Jean-Noël Barrot wurde grundsätzlich: Militärschläge könnten das Programm verzögern, aber nie vernichten. „Wer glaubt, man könne Regimewechsel von außen erzwingen, hat nichts aus Afghanistan, Irak oder Libyen gelernt.“ Auch Deutschland drängte auf Gespräche mit den USA. Araghchi, so hieß es später, sei bereit, künftig auch bisher tabuisierte Themen auf den Tisch zu legen. EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas ergänzte, man habe sich darauf geeinigt, nicht nur nukleare Fragen, sondern auch weitere Streitpunkte offen zu diskutieren. Das war mehr als Symbolik – und zugleich weniger als ein Durchbruch.

Doch die Gespräche standen unter düsteren Vorzeichen. Während das Treffen lief, beschuldigte Araghchi vor dem UN-Menschenrechtsrat Israel schwerer Kriegsverbrechen. Er kritisierte, Europa habe die Angriffe auf iranische Nuklearanlagen nicht verurteilt. In einem Interview kurz vor den Gesprächen sagte Araghchi, Iran strebe aktuell keine Verhandlungen an – jedenfalls nicht mit den USA. Diese seien „Kriegspartei“. Gespräche mit der EU? Ja. Aber nur, wenn es nicht um Raketen oder eine Kapitulation gehe. Auch in Washington werden die Worte abgewogen: Präsident Donald Trump ließ wissen, er wolle in den kommenden zwei Wochen entscheiden, ob das US-Militär direkt eingreife. Das Ziel sei, die unterirdische Anlage von Fordo anzugreifen – mit Bunkerbrechern. Die Uhr tickt. Und Europa steht zwischen Hoffnung und Hilflosigkeit. Am Ende war der Freitag ein Tag der Worte, nicht der Waffen. Doch das allein ist in diesen Tagen bereits ein diplomatischer Erfolg.

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