Es war ein kurzer Moment der Entspannung, kaum länger als ein Atemzug in der Geschichte des ökonomischen Wettstreits: Vor wenigen Wochen noch hatten die Vereinigten Staaten und China in Genf verkündet, man wolle die Zölle senken, die Handelshürden abbauen, die Wogen glätten – ein gemeinsames Abkommen, das für 90 Tage gelten und Raum schaffen sollte für ein neues Kapitel wirtschaftlicher Zusammenarbeit.
Doch nun, Anfang Juni, ist von diesem Aufbruch wenig geblieben. Im Gegenteil: Die Spannungen zwischen Washington und Peking eskalieren erneut, nachdem die US-Regierung unter Präsident Donald Trump überraschend neue Maßnahmen gegen die chinesische Hightech-Industrie verhängt hat. Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen strengere Exportkontrollen für KI-Chips, ein faktischer Verkaufsstopp für spezialisierte Software zur Chip-Entwicklung – und eine politische Provokation, die weit über das Technologische hinausreicht: die geplante Rücknahme von Visa für chinesische Studierende in den Vereinigten Staaten.
Chinas Handelsministerium reagierte am Montag ungewöhnlich scharf. In einer offiziellen Stellungnahme warf Peking den USA vor, das Genfer Abkommen gebrochen und einseitig neue wirtschaftliche Reibungen provoziert zu haben. „Diese Praktiken verstoßen schwerwiegend gegen den Konsens“, heißt es wörtlich. China habe im Rahmen der Einigung auf Gegenzölle verzichtet und nichttarifäre Maßnahmen ausgesetzt – Washington jedoch habe unter Trump einen anderen Weg eingeschlagen. Zwar wurde die Strafsteuer auf chinesische Güter von 145 % auf 30 % gesenkt – im Gegenzug senkte China seine Tarife von 125 % auf 10 %. Doch hinter diesen Zahlen steht keine strukturelle Annäherung, sondern ein taktischer Aufschub. Die Zölle bleiben deutlich über Vorkrisenniveau, und der politische Ton ist rau wie selten zuvor.
„So viel zum Mr. NICE GUY“, ätzte Trump am Freitag auf Truth Social. China habe das Abkommen „TOTAL VERLETZT“. Der Präsident erklärte, er werde künftig „nicht mehr nett sein“ – eine Kampfansage, wie sie in seiner Rhetorik inzwischen zur politischen Währung geworden ist. Später, im Oval Office, kündigte Trump ein Gespräch mit Chinas Staatschef Xi Jinping an, das „hoffentlich etwas bringen“ werde. Doch seine Botschaft war unmissverständlich: China sei schuld an der neuen Eiszeit.Gleichzeitig weitete die Trump-Regierung den Konflikt in strategisch heikle Bereiche aus. Am Freitag ließ sie verkünden, man werde chinesischen Studierenden verstärkt die Visa entziehen. Über 275.000 junge Menschen aus China studieren derzeit an US-Hochschulen – eine akademische Brücke, die nun ins Wanken gerät.Hinter all dem steht mehr als ein Handelskonflikt – es ist ein geopolitischer Machtkampf um Technologie, Einfluss und Systemfragen. Die USA wollen mit den neuen Exportregeln Chinas Zugang zu hochentwickelten Chips und KI-Systemen einschränken. Diese gelten nicht nur als Grundlage wirtschaftlicher Stärke, sondern auch als Hebel militärischer und nachrichtendienstlicher Vormacht.
China seinerseits strebt offen danach, die technologische Vorherrschaft der USA abzulösen – nicht zuletzt durch Investitionen in Schlüsselindustrien und durch den wachsenden Einfluss im indopazifischen Raum. Taiwan, eng verbündet mit den USA und Heimat des weltweit führenden Chip-Herstellers TSMC, ist in diesem Spiel ein strategischer Kristallisationspunkt – wirtschaftlich, politisch, militärisch. Für Unternehmen und Investoren ist das politische Hickhack ein unkalkulierbares Risiko. Zwar sind die Zölle vorerst gesenkt – doch niemand weiß, ob der fragile Deal die vollen 90 Tage übersteht. In einer Zeit, in der globale Lieferketten unter Druck stehen und das Vertrauen in internationale Abkommen schwindet, könnte jede weitere Eskalation Dominoeffekte auslösen: in Börsen, in Produktionen, in den Beziehungen ganzer Regionen.
Und während auf diplomatischer Ebene erneut von „Verstößen“ und „Gegenmaßnahmen“ die Rede ist, geraten reale Menschen in den Sog dieser Auseinandersetzung – Studierende, Händler, Angestellte in Fabriken beider Länder. Sie sind es, die den Preis zahlen für eine Politik der Konfrontation, die sich längst von der Sachebene entfernt hat und zum Symbolkampf geworden ist.
Ein Symbolkampf, der zeigt: Der Weg zurück zur Vernunft ist möglich – aber er wird steinig.
