Barcelona, 15. Juni 2025 – Die Sonne brennt auf den Asphalt, Touristen schlendern durch die Altstadt, Selfiesticks kreuzen Kinderwagen. Doch plötzlich wird der gewohnte Fluss gestört. Ein Spritzer Wasser trifft ein Pärchen im Straßencafé. Ein kurzer Aufschrei, dann Gelächter. „Barcelona gehört den Menschen, nicht dem Massentourismus!“ ruft einer der Demonstranten, der gerade seine Wasserpistole wieder aufgeladen hat. Es ist keine Kinderei, sondern ein Aufbegehren: In Barcelona und auf Mallorca gingen am Sonntag Tausende Menschen gegen den ausufernden Tourismus auf die Straße.
Es war die erste europaweit koordinierte Protestaktion dieser Art. Während in Palma rund 5.000 Demonstrierende über die Straßen zogen, fanden sich in Barcelona Hunderte zusammen. Auch in Venedig und Lissabon gab es kleinere Kundgebungen. Die Botschaft war klar: Schluss mit einem Wirtschaftsmodell, das Wohnungen in Ferienunterkünfte verwandelt, Nachbarschaften zerstört und Innenstädte in Freizeitparks für Auswärtige verwandelt. Andreu Martínez, Verwaltungsangestellter aus Barcelona, spritzte ein Touristenpaar mit einem Grinsen an: „Die Wasserpistolen sind ein Zeichen. Wir wollen stören, nicht verletzen. Aber wir müssen stören, weil unsere Stadt verschwindet.“ Seit Jahren sieht er zu, wie in seinem Viertel Mietpreise explodieren, traditionelle Läden verschwinden und Bubble-Tea-Ketten sowie Souvenirläden die Straßenzüge übernehmen. „Unser Leben als Bewohner von Barcelona endet langsam. Wir werden systematisch verdrängt.“
In Palma skandierten Demonstrierende: „Überall Touristen, kein Platz zum Leben.“ Und tatsächlich: Die Balearen, einst Sehnsuchtsorte, sind heute Hotspots einer wirtschaftlichen Verdrängung. Wohnraum wird knapp, die Preise explodieren, die Infrastruktur stößt an ihre Grenzen. In Barcelona plant die Stadtverwaltung, alle 10.000 Kurzzeitvermietungslizenzen bis 2028 auslaufen zu lassen – eine Kampfansage an Airbnb & Co. Während Touristen den Protest teils belustigt hinnahmen, kam es vor einigen Hostels auch zu Spannungen. Demonstrierende klebten Sticker mit Aufschriften wie „Tourists go home“ und „Nachbarschaftsselbstschutz“ an Fenster und Türen, ein Hostelmitarbeiter spuckte auf Demonstrierende, als sie Rauchbomben und Knallkörper zündeten. Und doch blieb das Bild vor allem eines friedlichen Protests: kreativ, bunt, entschlossen.
Die spanische Regierung reagierte bereits vor einigen Wochen mit einer massiven Airbnb-Razzia: Fast 66.000 illegale Angebote wurden entfernt. Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo erklärte: „Tourismus darf keine Grundrechte wie das Recht auf Wohnen gefährden.“ Der zuständige Verbraucherschutzminister Bustinduy wurde noch deutlicher: „Der Sektor muss sich an die Verfassung halten.“
Doch die Kritik am System reicht weiter. Txema Escorsa, Lehrer in Barcelona, sagt: „Ich nutze Airbnb nicht mehr, auch nicht im Ausland. Es nimmt den Menschen ihre Wohnungen.“ Für ihn ist klar: Es braucht mehr als Regeln. Es braucht ein Umdenken. Einen Kulturwandel. Und vielleicht beginnt der mit einem Tropfen aus einer Wasserpistole.
Denn wenn Widerstand nass macht, dann vielleicht nur, um wach zu rütteln. Und das ist dringend nötig.
