Vom goldenen Versprechen zur globalen Unwetterfront – Trump und die ökonomische Schockwelle für Europa

VonRainer Hofmann

August 2, 2025

Mehr als sechs Monate nach Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit zeigt sich die amerikanische Wirtschaft in einem Zustand, der wenig mit den vollmundigen Ankündigungen eines neuen „goldenen Zeitalters“ gemein hat. Die jüngsten Daten zeichnen ein Bild, das jedem Wirtschaftswissenschaftler vertraut vorkommt: ein gebremstes Wachstum, steigende Preise und ein Arbeitsmarkt, der seine Dynamik verliert. Für die internationale Ökonomie bedeutet das mehr als nur ein amerikanisches Problem – es ist ein globales Experiment mit ungewissem Ausgang.

Die Warnsignale mehren sich. Im Juli entstanden in den USA lediglich 73.000 neue Jobs, nach mageren 14.000 im Juni und 19.000 im Mai. Zusammengenommen liegt die Netto-Beschäftigung der letzten drei Monate um 258.000 Stellen niedriger als ursprünglich angenommen. Die viel zitierte industrielle Wiederbelebung blieb aus, im Gegenteil: Seit Trumps großem Zollschwenk im April sind 37.000 Industriearbeitsplätze verloren gegangen. Gleichzeitig beschleunigt sich die Inflation – die Kernrate der privaten Konsumausgaben stieg im Juni auf 2,6 Prozent, nach 2,2 Prozent im April. Besonders betroffen sind importintensive Güter: Haushaltsgeräte, Möbel, Spielwaren.

Auch das Bruttoinlandsprodukt zeigt einen deutlichen Knick. Im ersten Halbjahr wuchs die US-Wirtschaft auf Jahresrate gerechnet um weniger als 1,3 Prozent, nachdem sie im Vorjahr noch bei 2,8 Prozent lag. Guy Berger, Senior Fellow am Burning Glass Institute, fasst es trocken zusammen: „Die Wirtschaft schleppt sich vorwärts. Wir verlieren kaum Jobs, aber wir schaffen auch fast keine neuen. Es sieht nach einer klassischen ‘Meh’-Ökonomie aus.“ Trump selbst reagierte auf die Daten mit politischer Inszenierung statt Analyse. Auf Truth Social erklärte er die US-Wirtschaft für „BOOMING“ und entließ kurzerhand die Chefin der Statistikbehörde, die die monatlichen Arbeitsmarktzahlen veröffentlicht – ein symbolträchtiger Schritt, der die Märkte zusätzlich verunsicherte. Für den Präsidenten gilt: Er reklamiert jeden Erfolg, aber die Verantwortung für mögliche Rückschläge soll bei anderen liegen.

Hinter den Zahlen steckt eine wirtschaftspolitische Wette von historischem Ausmaß. Trumps Agenda aus flächendeckenden Importzöllen, massiven Steuersenkungen, gezielten Ausgabenkürzungen und regulatorischer Deregulierung zielt auf kurzfristige nationale Vorteile – unter Inkaufnahme langfristiger Unsicherheit. Die Zölle, faktisch versteckte Verbrauchssteuern, werden erst mit Verzögerung ihre volle Wirkung entfalten. Republikanische Strategen wie Alex Conant warnen bereits: „Die Inflationseffekte der Tarife spüren wir erst 2026 – dummerweise ist das ein Wahljahr.“ Die jüngsten Turbulenzen an den Märkten zeigen, dass Trumps ökonomische Strategie alles andere als kalkulierbar ist. Während der Präsident die Federal Reserve offen attackiert und Zinssenkungen erzwingt, wächst das Risiko, dass billiges Geld die Inflation weiter anheizt. Zwei Notenbankgouverneure – Christopher Waller und Michelle Bowman – stimmten für die Senkung, allerdings aus Sorge um den abkühlenden Arbeitsmarkt, nicht aus Trumps populistischer Wachstumsfantasie. Der Präsident ignoriert solche Nuancen, doch die Märkte tun es nicht.

Globale Rückkopplungen – Europa bleibt nicht unberührt

Die transatlantische Dimension von Trumps Wirtschaftspolitik ist nicht zu unterschätzen. Europa mag auf den ersten Blick nur Zuschauer eines amerikanischen Experiments sein, doch die ökonomischen Rückkopplungen sind unmittelbar spürbar. Schon jetzt verschieben sich globale Handelsströme, weil Trumps flächendeckende Zölle die Preismechanismen der Märkte verzerren. Europäische Exporteure, von der Automobilindustrie bis zu hoch spezialisierten Maschinenbauern, profitieren kurzfristig, sofern sie von neuen Sonderregelungen ausgenommen bleiben. Doch diese Vorteile stehen auf tönernen Füßen, denn die Volatilität der US-Handelspolitik erschwert jede strategische Planung und macht Investitionsentscheidungen riskanter.

Auch über die Finanzmärkte wirken Trumps Entscheidungen wie ein permanenter Stromschlag. Seine unablässigen Forderungen nach Zinssenkungen setzen den Dollar unter Druck und provozieren Kapitalbewegungen, die den Euro aufwerten – ein Szenario, das den europäischen Exportsektor doppelt belastet. Parallel steigen die globalen Rohstoffpreise, weil sich die USA zunehmend als abgeschotteter Eigenversorger inszenieren und gleichzeitig die internationalen Spotmärkte fragmentieren. Für Europa, das in vielen Schlüsselindustrien auf stabile Importpreise angewiesen ist, bedeutet dies wachsende Unsicherheit bei Energie und Grundstoffen.

Nicht zuletzt entfaltet Trumps Wirtschaftsexperiment einen psychologischen und politischen Spillover. Die Nervosität amerikanischer Märkte überträgt sich nahezu synchron auf die europäischen Börsen, während politische Stimmen in der EU lauter werden, die ein eigenes protektionistisches Gegengewicht fordern. Sollte die US-Konjunktur im kommenden Jahr in eine echte Schwächephase rutschen, wird die Eurozone dies unvermeidlich spüren – besonders die exportorientierten Volkswirtschaften Deutschlands, der Niederlande und Skandinaviens. Am Ende zeigt sich: Was als nationaler Triumph inszeniert wird, ist in Wahrheit ein globales Risikomanöver, dessen Nachbeben weit über den Atlantik reichen.

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Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Er wird schon sein Geld, Immobilien, Bitcoin scheffeln.
Was anderes interessiert ihn nicht.
Weder seine Kinder noch Enkelkinder.
Hauptsache er. Was nach ihm kommt, juckt ihn nicht.

Das Schlimme ist nur, dass es sich auf die ganze Welt auswirkt.

Auch nicht hilfreich, dass Europa artig bei seinem Spiel mitmacht und ihn lobt.
Wie andere Länder auch.

Und wer ihm geldlich nichts zu bitten hat, schlägt ihn eben für den Friedensnobelpreis vor (wie gerade Kambodscha).

Nur egal wie man ihm die Füße küsst.
Echte Virteile darf man sich als Handelspartner nicht erhoffen.

Wer das noch bicht verstanden hat, ist absolut blind.

Holger Heinrichs
Holger Heinrichs
2 Monate zuvor

Sehr guter Bericht und Europa ist viel zu brav. Leider sind viele hoch bezahlte Medien ruhig und angepasst, und die, die sehr gut aufklären und informieren gehen meist leer aus. Finde den Fehler.

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