Donald Trump hat gesprochen. Und wie so oft in seiner zweiten Amtszeit ist das Gesagte weniger eine Einschätzung als eine Anordnung – und weniger eine Wahrheit als ein Wille. Der Iran, so erklärte der US-Präsident auf dem Rückflug vom abgebrochenen G7-Gipfel, sei „sehr nah“ an der Atombombe. Eine Bewertung, die in direktem Widerspruch zu der Einschätzung seiner eigenen Nachrichtendienste steht. Jener Dienste, die dafür geschaffen wurden, Fakten zu liefern, Risiken nüchtern zu bewerten, und nicht, um einem narzisstischen Machtmenschen nach dem Mund zu reden.
Tulsi Gabbard, Direktorin der nationalen Geheimdienste, hatte noch im März vor dem Kongress erklärt: Iran baue keine Atombombe. Chamenei habe das seit 2003 ausgesetzte Nuklearwaffenprogramm nicht reaktiviert. Gabbard sprach von beispiellosen Mengen an angereichertem Uran – ja –, aber auch davon, dass es keine Hinweise auf eine militärische Nutzung gebe. Dass Trump diese fundierte Einschätzung kurzerhand abtat – mit den Worten „Es ist mir egal, was sie gesagt hat“ –, ist kein Ausrutscher. Es ist Strategie. Wieder einmal entscheidet nicht die Analyse über die Realität, sondern der politische Nutzen. Und wieder einmal steht Trump damit nicht nur über dem Gesetz, sondern auch über dem Wissen.
Die Parallelen zu seiner ersten Amtszeit sind unübersehbar. Damals stellte er sich in Helsinki demonstrativ hinter Wladimir Putin und gegen die US-Geheimdienste, als es um Russlands Einfluss auf die Präsidentschaftswahl 2016 ging. Jetzt tut er das Gleiche – nur mit weitreichenderen Konsequenzen. Denn die nukleare Frage Irans ist kein rhetorisches Spiel. Es geht um Krieg und Frieden, um Glaubwürdigkeit und Diplomatie. Dass Trump die Warnungen der Internationalen Atomenergiebehörde ignoriert, dass er Fakten in Feindbilder verwandelt und Loyalität über Sachverstand stellt, ist brandgefährlich. Und dass Gabbard – eine politische Quereinsteigerin ohne tiefere Geheimdiensterfahrung – sich inzwischen öffentlich seinen Aussagen unterordnet, zeigt, wie weit das System bereits unterwandert ist.
Dabei ist Gabbards Weg ins Zentrum der Macht selbst ein Symbol der Verschiebung: Als ehemalige Demokratin, die 2022 ihrer Partei den Rücken kehrte und 2024 offen Trump unterstützte, wurde sie von einem republikanisch kontrollierten Senat nur knapp bestätigt. Ihre jüngsten Entscheidungen – darunter die Entlassung zweier erfahrener Geheimdienstbeamter, weil sie Trumps Behauptungen zur angeblichen Kooperation venezolanischer Migrantengruppen mit der Gang Tren de Aragua widersprachen – zeugen von einer gefährlichen Entwicklung: Wer widerspricht, wird aussortiert. Wer bestätigt, wird befördert. Und wer schweigt, macht sich mitschuldig.
Dass das Weiße Haus anschließend ein Statement veröffentlichte, in dem Gabbard Trumps Abschiebungen mit den Worten verteidigt, Amerika sei nun „sicherer ohne diese Terroristen“, wirkt wie aus dem Propagandahandbuch autoritärer Systeme. Es geht nicht mehr um differenzierte Sicherheitsanalysen, sondern um politische Inszenierung. Trump erklärt, was Wahrheit ist – und seine Administration sorgt dafür, dass niemand widerspricht.
Die Frage ist nicht mehr, ob Donald Trump die Realität verzerrt. Die Frage ist, wie lange eine Demokratie noch existieren kann, wenn der Präsident seine eigene Geheimdienstchefin öffentlich desavouiert, sich über jede fachliche Einschätzung hinwegsetzt und zugleich ein Schattenreich aus Loyalität, Angst und propagandistischer Macht aufbaut. In dieser Welt zählt nicht, was stimmt – sondern nur, wer es ausspricht. Und das ist der Anfang vom Ende der Aufklärung.