„Unsere Hände sind auch nicht sauber“ – Wie Trump das moralische Koordinatensystem der USA neu kalibriert

VonRainer Hofmann

Juni 29, 2025

Es war ein Interview wie aus einer Theaterinszenierung von Machiavelli: Auf der Bühne saßen zwei – Maria Bartiromo, Fox-News-Veteranin mit gewohnt scharfer Rhetorik, und Donald J. Trump, der Präsident der Rückspiegel und Verdrehungen. Was folgte, war kein Gespräch, sondern eine Art dialektischer Entgrenzungstanz, in dem die Realität nach und nach durch strategischen Zynismus ersetzt wurde.

Als Bartiromo den Präsidenten mit der Frage konfrontierte, wie man mit einem Akteur wie China verhandeln könne, der hackt, stiehlt, manipuliert, antwortete Trump nur lapidar: „Du denkst nicht, dass wir das auch machen? Wir tun es.“ Ein Moment der Sprachlosigkeit. Für Sekunden verstummt sogar Maria Bartiromo – kein kleines Kunststück. Dann wiederholt Trump seinen Satz, als wolle er ihn in Granit meißeln: „Wir tun eine Menge Dinge.“ Die Welt sei eben „ein hässlicher Ort“. Die Welt, wie er sie sieht – als Spiegelbild seines eigenen Machtverständnisses: ein raues Nullsummenspiel, in dem Moral nur dann existiert, wenn sie nützlich ist.

Trump geriert sich als Realist, doch was er betreibt, ist politische Theologie ohne Gnade. Der frühere Immobilienmogul spricht nicht als Präsident eines Verfassungsstaates, sondern als Geschäftsmann unter Piraten, der seinen Zuhörer:innen unmissverständlich klarmachen will: Es gibt keine Unschuld, nur erfolgreiche Täuschung. Dass dabei ausgerechnet Maria Bartiromo zum Gewissen im Raum wird, wirkt wie ein surrealer Bühnenwechsel – denn auch sie wirft ihm später vor, die Hebel gegen China gar nicht wirklich zu nutzen. Trump kontert gelassen: „Wenn ich sie jemals brauche, werde ich sie nutzen. Aber wenn ich sie nicht brauche, ist das auch gut.“

Inmitten dieser kafkaesken Konversation reiht Trump Versatzstücke seiner bekannten Wirtschaftsdogmen aneinander: Das Handelsdefizit mit China sei unter Biden auf eine Billion Dollar angeschwollen, während er selbst die Chinesen mit 145 Prozent Zöllen zum Stillstand gezwungen habe. Der Rest sei „eine gute Beziehung“ zu Xi Jinping. Dass Zölle keine „Freundschaften“ ersetzen und dass ökonomische Abhängigkeiten sich nicht mit martialischem Pathos beheben lassen, interessiert ihn wenig. Für Trump ist die Realität nicht das, was ist – sondern das, was man durch Wiederholung durchsetzt. Als Bartiromo auf einen angeblichen Fall von chinesischen Staatsbürgern zu sprechen kommt, die versucht haben sollen, „einen Krankheitserreger ins Land zu bringen“, sagt Trump kühl: „Du weißt doch gar nicht, woher das kam. Vielleicht von irgendwelchen Verrückten.“ Es ist die gleiche Technik, mit der er schon früher versuchte, alle Schuld zu verwässern: Das Böse ist überall, also ist niemand schuld. Eine Ethik des allgegenwärtigen Drecks, aus der nur einer als unberührt hervorgeht: er selbst.

Man fühlt sich erinnert an sein berüchtigtes Interview mit Bill O’Reilly im Jahr 2017. Damals, als O’Reilly ihn auf Putins Rolle als Mörder ansprach, entgegnete Trump: „Es gibt viele Mörder. Glaubst du, unser Land ist so unschuldig?“ Es war die Geburtsstunde seiner „Whataboutism“-Doktrin – einer Logik, in der jedes Verbrechen durch ein anderes gerechtfertigt wird. Jetzt, acht Jahre später, ist aus dieser Doktrin eine Staatsphilosophie geworden. Ein System, das sich nicht mehr rechtfertigt, sondern nur noch relativiert. „Die Welt ist hässlich“, sagt Trump. Doch vielleicht ist es nicht die Welt, die hässlich ist – sondern die Art, wie er sie in Worte fasst. Denn mit jedem Satz, den er spricht, löst sich ein Stück des moralischen Anspruchs, den eine Demokratie wie die USA einst erhob. Was bleibt, ist ein Spiegel, den er uns vors Gesicht hält – verzerrt, grell, und in seinem Zentrum ein Mann, der alle Karten neu mischt, um sicherzugehen, dass am Ende immer er gewinnt.

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