Es war ein Tag, der sich tief in das kollektive Gedächtnis Kaliforniens einbrennen dürfte: Tränengas, brennende Autos, festgenommene Gewerkschafter – und nun auch noch Soldaten. US-Präsident Donald Trump hat am Samstag angekündigt, 2.000 Soldaten der kalifornischen Nationalgarde nach Los Angeles zu entsenden – trotz des ausdrücklichen Protests von Gouverneur Gavin Newsom. Begründung: „Die Gesetzlosigkeit, die in Kalifornien gedeihen durfte, muss beendet werden.“ Die Antwort des demokratischen Gouverneurs ließ nicht lange auf sich warten. Auf X erklärte Newsom, der Schritt sei „gezielt provozierend“ und werde die Lage nur weiter eskalieren. „Dies ist die falsche Mission und wird das Vertrauen der Bevölkerung weiter untergraben“, so Newsom. Die Bundesbehörden seien dabei, die Kontrolle über die Nationalgarde zu übernehmen – ohne Not. Es gebe keine ungeklärten Sicherheitslagen, so der Gouverneur, die den Einsatz rechtfertigten. Vielmehr handle es sich um einen politischen Machtbeweis.

Währenddessen verdichtete sich die Lage auf den Straßen von Los Angeles. Bereits den zweiten Tag in Folge kam es zu massiven Zusammenstößen zwischen Bundesbeamten und Demonstrierenden. Die Border Patrol, in voller Kampfmontur, setzte Tränengas im Stadtteil Paramount ein – mitten in eine Menschenmenge, die sich auf Mittelstreifen und Gehwegen versammelt hatte, um gegen eine ICE-Razzia vom Vortag zu protestieren. Einige filmten, andere riefen Parolen. Auf einem Megafon hallte: „ICE raus aus Paramount – wir sehen euch, wie ihr wirklich seid!“ Ein Schild trug die Worte: „Kein Mensch ist illegal.“ Die Szenen erinnerten an Bürgerkriegsbilder: Rauch stieg aus brennenden Sträuchern auf, Müll brannte am Straßenrand, ein Fahrzeug der Grenzschutzbehörde wurde getreten, eine ganze Hauptstraße gesperrt. Und mittendrin ein Stadtviertel, in dem über 80 % der Bewohner:innen sich als hispanisch identifizieren. Die Reaktion der Bundesregierung kam prompt. Heimatschutzministerin Kristi Noem sprach auf X von „Aufrührern in Los Angeles“ und kündigte an: „Ihr werdet uns nicht aufhalten. ICE wird das Gesetz durchsetzen. Wer einem Beamten zu nahekommt, wird vollständig strafrechtlich verfolgt.“Der Auslöser des Aufruhrs: gezielte Festnahmen durch ICE-Einsatzkräfte in mehreren Stadtteilen. Am Freitag wurden unter anderem ein Modewarenlager im Fashion District durchsucht, laut Bundesanwaltschaft wegen mutmaßlich gefälschter Beschäftigungsdokumente. Menschenrechtsgruppen berichteten außerdem von Festnahmen vor Home-Depot-Filialen und sogar einem Donut-Shop. Laut offizieller Mitteilung des Heimatschutzministeriums wurden insgesamt 118 Migrant:innen festgenommen – darunter fünf mit angeblicher Verbindung zu kriminellen Organisationen.


Die Antwort der Straße ließ nicht auf sich warten. Am Freitagabend versammelten sich Hunderte vor dem Metropolitan Detention Center in Downtown Los Angeles. Die Rufe: „Lasst sie frei! Lasst sie bleiben!“ Einige trugen Schilder mit Anti-ICE-Botschaften, andere sprühten Parolen auf die Betonwände des Gefängnisses. Mitten unter den Festgenommenen: David Huerta, Regionalpräsident der Gewerkschaft SEIU. Laut Justizministerium wird er weiterhin im MDC festgehalten, ein Gerichtstermin sei für Montag angesetzt. Ob Huerta anwaltlich vertreten wird, blieb zunächst offen. Senatsminderheitsführer Chuck Schumer (D) forderte umgehend seine Freilassung. Auf X sprach er von einem „verstörenden Muster“, wonach US-Bürger:innen festgenommen würden – allein wegen der Ausübung ihres verfassungsmäßigen Rechts auf freie Meinungsäußerung. Was Präsident Trump als Durchsetzung des Rechts verkauft, sehen viele in Kalifornien als gezielten Angriff auf ihre Freiheiten. Bürgermeisterin Karen Bass sprach von einem „Versuch, Angst zu säen“. ICE-Interimsdirektor Todd Lyons hingegen warf ihr vor, „auf der Seite des Chaos“ zu stehen. „ICE wird weiter das Gesetz durchsetzen und kriminelle illegale Ausländer verhaften“, so Lyons.


Doch was sich in Los Angeles abspielt, ist mehr als eine Auseinandersetzung über Einwanderung. Es ist ein offener Machtkampf zwischen einem autoritären Präsidenten und einer demokratischen Stadt, zwischen der Rhetorik der Abschottung und dem Ruf nach Menschenwürde. Und mit der Entsendung der Nationalgarde hat Trump die Auseinandersetzung endgültig militarisiert. Die Frage ist nicht mehr, ob Kalifornien Widerstand leistet – sondern wie lange es sich diesen Präsidenten noch gefallen lässt.

(Photos, Eric Thayer)