Schwarze Liste der Willkür – Wie Trumps DHS Städte brandmarkt, die Migranten schützen

VonRainer Hofmann

Juni 2, 2025

Es ist ein Schritt, der an finstere Zeiten erinnert: Das US-Heimatschutzministerium (DHS), geleitet von Kristi Noem, hat am 30. Mai 2025 eine Liste von 500 Städten, Bezirken und Bundesstaaten veröffentlicht – versehen mit dem politischen Makel, „die Durchsetzung von Trumps Abschiebungsplänen absichtlich und beschämend zu behindern“. Was offiziell als Aufklärung über sogenannte Sanctuary Cities verkauft wird, wirkt wie ein Pranger der Abschreckung – ein Mittel zur Einschüchterung und ideologischen Disziplinierung ganzer Gemeinden. In der Wortwahl des DHS ist kaum noch Raum für Nuancen. „Diese Politiker gefährden Amerikaner und unsere Strafverfolgungsbehörden, um gewalttätige kriminelle illegale Ausländer zu schützen“, erklärte Kristi Noem. Eine Sprache der Eskalation – und der Entmenschlichung. Nicht nur werden Städte pauschal als Komplizen des Verbrechens gebrandmarkt, sondern jede Form von Schutz, Menschlichkeit oder kommunaler Eigenständigkeit wird unter Generalverdacht gestellt.

Doch der Realitätstest zeigt: Die Liste ist ein Flickenteppich aus Widersprüchen, Fehlern und ideologischer Willkür. Der Verwaltungschef von Shawano County in Wisconsin, Jim Davel, reagierte überrascht: „Wir haben keine Ahnung, wie wir auf diese Liste gekommen sind. Wahrscheinlich ein bürokratischer Fehler.“ Seine Gemeinde gilt als zutiefst republikanisch – und doch wird sie nun als Migrantenparadies diffamiert. Ein ähnliches Bild in Kalifornien: Huntington Beach, bekannt für seine Klagen gegen den bundesstaatlichen Migrantenschutz, steht auf der Liste – die benachbarte Stadt Santa Ana, die tatsächlich Schutzmaßnahmen für ihre große Einwanderungsgemeinschaft umsetzt, fehlt. Ein System steckt dahinter offenbar nicht. Eher ein Algorithmus politischer Revanche.

Der Bürgermeister von Baltimore, Brandon Scott, stellte auf X klar: „Wir sind keine Sanctuary City.“ Und dennoch verteidigte er die Haltung seiner Stadt: „Wir sind eine offene, eine einladende Stadt. Wir entschuldigen uns nicht dafür. Wir sind besser dank unserer migrantischen Nachbarn – und wir werden sie diesem Regime nicht ausliefern.“ Auch Las Vegas, das ebenfalls auf der Liste auftaucht, reagierte mit Verwunderung. Die Stadt habe sich nie selbst als Sanctuary City bezeichnet, erklärte die Stadtverwaltung. „Wir hoffen auf Gespräche mit den Verantwortlichen auf Bundesebene, um dieses Missverständnis zu klären.“

Während viele lokale Vertreter die falsche Zuordnung als peinlichen Verwaltungsfehler abtun, sprechen Einwanderungsrechtsgruppen von gezielter Stigmatisierung. „Sanctuary-Politiken als ‚gesetzlose Aufstände‘ zu bezeichnen, ist nicht nur brandgefährlich, sondern juristisch haltlos“, sagte Jessica Inez Martínez vom New Mexico Immigrant Law Center. „Es ist eine absichtliche Verzerrung der Rechtsstaatlichkeit.“ Die Veröffentlichung dieser Liste ist mehr als ein Verwaltungsakt. Sie ist Teil einer größeren Strategie: Gemeinden sollen gegeneinander ausgespielt werden, lokale Behörden zum verlängerten Arm der Abschiebungsmaschinerie gemacht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Stadt tatsächlich als Sanctuary City gilt – entscheidend ist allein die politische Linie. Wer sich nicht bedingungslos unterordnet, landet auf der Liste. Wer auch nur zögert, verliert die Gnade des Systems.

Und damit zeigt sich das eigentliche Ziel dieser Maßnahme: Kontrolle. Nicht über die Migrationspolitik – sondern über die politischen Narrative, über Sprache, Haltung, Moral. Wer Solidarität zeigt, wird gebrandmarkt. Wer Einwanderung nicht als Bedrohung, sondern als Teil des gesellschaftlichen Reichtums versteht, wird öffentlich diskreditiert.

Es ist eine Liste. Aber sie trägt den Geist eines Erlasses. Und den Hauch von Einschüchterung, wie man ihn sonst nur aus autoritären Regimen kennt.

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