Washington – In einer Stadt, die ohnehin längst unter Hochspannung steht, ist das ein Signal mit Gewicht. Immer mehr Spitzenbeamte der Trump-Regierung ziehen sich in militärische Wohnanlagen zurück – Orte, die eigentlich Generälen vorbehalten sind, die nun aber zum Zufluchtsraum einer zivilen Machtelite geworden sind. Was einst Symbol für Verteidigung und staatliche Stabilität war, wird zum privaten Sicherheitsring einer Regierung, die sich zunehmend vom eigenen Land abschottet. Stephen Miller, Trumps Chefideologe in Fragen der Migration, hat sich mit seiner Frau Katie und den drei kleinen Kindern auf eine dieser Basen zurückgezogen. Noch vor wenigen Wochen lebte die Familie in einem eleganten Viertel von Arlington, Virginia – bis eine Unbekannte Katie Miller vor der Haustür ansprach und mit den Worten „Ich beobachte Sie“ bedrohte. Schon zuvor hatte es dort wochenlange Proteste gegeben: Nachbarn klebten Plakate mit dem Wort „Nazi“, Aktivisten schrieben mit Kreide Botschaften auf den Bürgersteig. Eine Gruppe namens Arlington Neighbors United for Humanity warf dem Ehepaar vor, an der „Zerstörung der Demokratie“ beteiligt zu sein. Für Stephen Miller, Architekt von Trumps Deportationspolitik, war das mehr als Nachbarschaftskritik – es wurde zum politischen Symbol. Als er im Fernsehen davon erzählte, sprach er von einer „organisierten Kampagne der Entmenschlichung“.

„Guten Morgen an die Leute, die das im Park meiner Kinder gemalt haben.“
„MILLER jagt Familien“
Nach dem Mord an dem rechten Aktivisten Charlie Kirk und mehreren Anschlägen auf Politiker beider Parteien beschleunigte sich eine Entwicklung, die nun tief in die Architektur Washingtons eingreift: Immer mehr Regierungsmitglieder leben unter militärischem Schutz. Mindestens ein halbes Dutzend hochrangiger Beamter, darunter Außenminister Marco Rubio, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Heimatschutzministerin Kristi Noem, bewohnen inzwischen Häuser auf Militärbasen.

Noem, deren Wohnadresse die Daily Mail öffentlich gemacht hatte, zog in das Haus des Kommandanten der US-Küstenwache auf der Joint Base Anacostia-Bolling. Rubio und Hegseth wohnen auf der sogenannten Generals’ Row von Fort McNair, einem kleinen, streng gesicherten Areal entlang des Anacostia River. Verteidigungsminister Hegseth ließ sein Haus dort für mehr als 137.000 Dollar renovieren, bevor er einzog – mit Zustimmung des Kongresses. Armee-Minister Dan Driscoll teilt sich derweil ein Quartier mit einem weiteren politischen Appointee in Myer-Henderson Hall, direkt neben dem Nationalfriedhof von Arlington. Auch Katie und Stephen Miller haben ihr sechs Schlafzimmer großes Haus in Arlington zum Verkauf gestellt – für 3,75 Millionen Dollar. Die Immobilienanzeige versprach „eine seltene Mischung aus Abgeschiedenheit, Raffinesse und beeindruckendem Design“. Tatsächlich war der Umzug längst beschlossene Sache: Das Ehepaar lebt nun in einem Haus, das sonst einem General zustehen würde, finanziert aus Militärhaushalten.

Was wie eine reine Sicherheitsmaßnahme klingt, verändert das politische Gleichgewicht. Die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Sphäre verschwimmen. Nie zuvor haben so viele politische Amtsträger gleichzeitig auf Militärbasen gewohnt. Es ist eine Entwicklung, die Forscherinnen wie Adria Lawrence von der Johns-Hopkins-Universität als gefährlich betrachten. „In einer gesunden Demokratie sollte das Militär das Land als Ganzes schützen, nicht eine Partei“, sagte sie. Doch in Trumps Washington werden die Basen zum Symbol eines neuen Machtverständnisses: Sicherheit als Privileg, Distanz als Schutzschild. Der politische Hintergrund ist explosiv. Trump hat die Nationalgarde in demokratisch regierte Städte wie Los Angeles und Washington geschickt, um „innere Feinde“ zu bekämpfen. Er bezeichnet diese Einsätze als „Trainingsübungen im urbanen Umfeld“ und sieht sie als Modell für eine neue, autoritäre Ordnung. Zugleich hat er Sicherheitsdetails für mehrere Kritiker gestrichen, darunter Ex-Vizepräsidentin Kamala Harris und seinen einstigen Sicherheitsberater John Bolton – obwohl letzterer Ziel eines iranischen Attentatsplans war.
Robert Pape, Politikwissenschaftler an der Universität Chicago, sieht in all dem ein doppeltes Risiko. „Beide Seiten sind real bedroht – das muss ernst genommen werden“, sagt er. Doch statt ein Gleichgewicht herzustellen, verstärke Trump die Spaltung. „Er sollte aufhören, den Sicherheitsapparat gegen seine Gegner einzusetzen.“ Auf den Basen selbst entstehen nun neue soziale Hierarchien. Wer dort wohnt, zahlt „marktübliche“ Miete, wie die Regierung betont – im Fall von Hegseth rund 4.655 Dollar im Monat. Doch das Leben hinter Stacheldraht bedeutet mehr als Schutz: Es ist ein Statussymbol. Unter Trumps Spitzenbeamten, die sich ansonsten in gepanzerten SUVs durch die Stadt fahren lassen, ist der Streit um die größten Häuser längst zu einer Art Machtspiel geworden.
Gleichzeitig entsteht eine unsichtbare Mauer zwischen der Hauptstadt und ihren Regierenden. Während Millionen Amerikaner unter dem anhaltenden Regierungsstillstand leiden, während Bundesangestellte ohne Gehalt bleiben und Soldaten an Tafeln anstehen, ziehen sich jene, die diese Politik gestalten, in geschützte Zonen zurück. Es ist eine neue Form von Isolation, die das Bild der Hauptstadt verändert – und die Demokratie auf eine leise, aber tiefgreifende Weise entstellt.
Auf den Militärbasen entsteht so etwas wie ein Trump Green Zone – ein Begriff, den Mitarbeiter inzwischen selbstironisch verwenden, in Anlehnung an das frühere Regierungsviertel in Bagdad. Dort, wo Generäle und Verteidigungsbeamte einst lebten, stehen nun die SUVs der Präsidentenberater. Das Licht brennt die ganze Nacht, die Wachen sind doppelt besetzt, die Zufahrten gesperrt. Für die Öffentlichkeit bleibt das alles weitgehend unsichtbar. Doch für die Demokratie ist es ein Bild von beunruhigender Klarheit: Eine Regierung, die sich vor den eigenen Bürgern verbarrikadiert, regiert längst nicht mehr über sie – sondern nur noch gegen sie.
Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.
Stärken bitte auch Sie unseren journalistischen Kampf gegen Rechtspopulismus und Menschenrechtsverstöße. Wir möchten uns nicht über eine Bezahlschranke finanzieren, damit jeder unsere Recherchen lesen kann – unabhängig von Einkommen oder Herkunft. Vielen Dank!

Für die einen ist es Schutz, für die anderen ein zugegeben vergoldetes, selbstgewähltes Gefängnis. Da die Voraussetzung für diese Politik Misanthropie ist, merken sie das nicht mal. Aber was ist das für ein Leben, und was bedeutet das für deren Kinder? Ein Leben in Angst vor den eigenen Bürgern. Nichts könnte eine Diktatur besser erklären.