„Friss das“ – Kristi Noem, Guantánamo und der Zynismus einer Regierung, die das Menschsein verachtet

VonRainer Hofmann

Mai 23, 2025

Es sind zwei Worte. Zwei Worte, getippt in einer sozialen Plattform, die einst Twitter hieß, heute aber mehr an einen Marktplatz für Menschenverachtung erinnert als an einen Ort politischer Debatte. Zwei Worte, die ein Schlag ins Gesicht sind – für die Verfassung, für die Idee von Rechtsstaatlichkeit, für jedes Maß an Anstand. Zwei Worte: „Suck it.“

Veröffentlicht von Kristi Noem, amtierende Heimatschutzministerin der Vereinigten Staaten von Amerika.

Was war der Kontext?
Ein Screenshot eines Gerichtsbeschlusses. Genauer: die freiwillige Rücknahme einer Klage von zehn Menschen – Migranten, die gegen ihre geplante Abschiebung nach Guantánamo Bay geklagt hatten. Guantánamo. Der Ort, an dem die USA seit zwei Jahrzehnten Menschen ohne Anklage einsperren, foltern, entrechten. Der Inbegriff der Aushöhlung von Recht. Und genau dorthin sollte eine neue Kategorie Geflüchteter verfrachtet werden – unter Berufung auf den Alien Enemies Act, ein Gesetz aus der Zeit von 1798.

Die Klage wurde von der ACLU unterstützt, von renommierten Menschenrechtsanwälten eingereicht, und sie war notwendig: Denn was hier geschieht, ist kein Betriebsunfall, sondern Staatsideologie. Es geht nicht um Verwaltung – es geht um die Zerstörung jedes zivilisatorischen Fundaments, das den modernen Westen einmal ausgemacht haben soll.

Doch statt sich in Schweigen zu üben – oder Demut –, twittert Noem: „Friss das.“

Zynischer, abscheulicher, herablassender kann man kaum mit Menschen umgehen, deren einziges „Verbrechen“ es war, vor Gewalt zu fliehen und Schutz zu suchen. Eine Ministerin, die sich ihrer eigenen Unmenschlichkeit rühmt

Kristi Noem hat sich nie für Zurückhaltung interessiert. Sie ist die politische Speerspitze einer Ideologie, die Migranten nicht als Menschen sieht, sondern als Objekte – als Feindbilder, als Mittel zum Machterhalt. Mit ihrer Äußerung auf X hat sie das nun zur Staatsräson erhoben. Sie feiert die Abschiebung von Menschen in ein rechtsfreies Loch als persönlichen Triumph. Sie verachtet nicht nur das Völkerrecht – sie verlacht es.

Der Fall, den sie triumphierend dokumentiert, zeigt: Die Kläger konnten ihre Rechte nicht mehr durchsetzen, weil sie bereits aus dem Land entfernt worden waren. Sie wurden buchstäblich aus dem Geltungsbereich des Rechts geschoben. Und Noem jubelt.
Wie eine Siegerin nach einem Kampf, den sie nie geführt hat, aber dessen Blut auf ihrer Rüstung klebt.

Der Triumph des Autoritarismus über Empathie

Dieser Tweet ist keine Nebensächlichkeit. Er ist ein politisches Dokument. Er markiert einen Punkt, an dem eine Ministerin öffentlich die Entrechtung feiert – nicht als Notwendigkeit, nicht als Verwaltungsakt, sondern als Racheakt gegen Schwache.
Er zeigt, wie weit die moralische Verkommenheit dieser Regierung reicht. Und wie bereitwillig sie ihre Maske fallen lässt.

Denn was bleibt, wenn eine Regierung beginnt, sich öffentlich über ihre Gewalt zu amüsieren? Was bleibt, wenn Deportationen wie Sportereignisse zelebriert, und Menschenrechtskläger wie besiegte Feinde behandelt werden?

Es bleibt das, was Hannah Arendt einst die Banalität des Bösen nannte – nur dass es hier nicht mehr banal ist, sondern programmiert, geplant, provoziert.

Ein Land, das sich selbst verrät

Die Vereinigten Staaten wurden einst als Zufluchtsort der Entrechteten verklärt. Heute sind sie unter Kristi Noem ein Ort, an dem das Amt der Innenministerin genutzt wird, um Entmenschlichung zu feiern. Sie hätte schweigen können.
Sie hätte differenzieren können. Sie hätte sagen können: „Wir haben die rechtlichen Fragen geprüft, wir stehen zu unserem Kurs – aber wir respektieren die Menschenwürde.“

Doch sie sagte: „Suck it.“

Das ist keine politische Position. Das ist keine Rechtfertigung.
Das ist menschenverachtende Propaganda in Reinform. In einer funktionierenden Demokratie wäre eine solche Aussage ein Rücktrittsgrund. In einem funktionierenden Rechtsstaat wäre eine solche Handlung ein Fall für die Ethikkommission. In einer menschlichen Gesellschaft wäre sie ein Skandal.

Doch in den USA des Jahres 2025 ist sie Realität. Und jeder, der dabei schweigt, macht sich mitschuldig. Kristi Noem hat mit zwei Worten mehr über diese Regierung gesagt als jeder Leitartikel:
Sie hat das Menschsein zur Beleidigung erklärt.

Tweet von Secretary Kristi Noem (@Sec_Noem):
„Suck it“
(wörtlich: „Friss das“ oder „Ätsch, gewonnen“)

Dokumentenüberschrift:
United States District Court für den District of Columbia
Maiker Alejandro Espinoza Escalona, et al. (Kläger)
gegen
Kristi Noem, in ihrer Funktion als Innenministerin der Vereinigten Staaten (Beklagte)
Aktenzeichen: 25-cv-604-CN

Mitteilung über die freiwillige Rücknahme der Klage

Gemäß Regel 41(a)(1)(A)(i) der Bundeszivilprozessordnung erklären die Kläger –
Maiker Alejandro Espinoza Escalona, Jackson Manuel Villa Wilhelms, Jorge Alberto Castillo Cerezo, Janfrank Berrios Laguna, Alejandro Jose Pulido Castellanos, Jose de Jesus Teczarí Serbín, Walter Esthef Salazar, Hijram Malik, Ghulah Muhammad und MD Rayhan (zusammen „Kläger“) –
hiermit die freiwillige Rücknahme ihrer Klage in der oben genannten Rechtssache, ohne Präjudiz.

Seit der Einreichung der Klage am 1. März 2025 hat die Regierung die Kläger Espinoza Escalona, Villa Wilhelms, Castillo Cerezo, Pulido Castellanos, Esthef Salazar, Muhammad und Rayhan aus den Vereinigten Staaten abgeschoben, was ihre Klage gegenstandslos macht. Die Kläger Berrios Laguna, Teczarí Serbín und Malik möchten das Verfahren nicht weiterführen.

Die Beklagten haben keine Klageerwiderung oder einen Antrag auf summarisches Urteil eingereicht. Daher ziehen die Kläger ihre Klage hiermit freiwillig zurück, ohne Präjudiz.

Datum: 22. Mai 2025
Eingereicht durch die Anwälte der Kläger:
American Civil Liberties Union (ACLU)
Center for Constitutional Rights
International Refugee Assistance Project (IRAP)

Kontext der Aussage „Suck it“ von Kristi Noem:
Die amtierende Heimatschutzministerin Kristi Noem kommentiert mit ihrer herabwürdigenden Bemerkung offensichtlich die freiwillige Rücknahme der Klage gegen sie – obwohl die Kläger überwiegend abgeschoben wurden und daher keine rechtliche Grundlage mehr für die Fortsetzung des Verfahrens besteht.

Der Ton ihres Kommentars wird bereits in sozialen Netzwerken als unangemessen, triumphierend und menschenverachtend kritisiert – insbesondere angesichts der Tatsache, dass es sich um Personen handelt, die abgeschoben wurden und möglicherweise um ihr Leben fürchten.

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