Im Oval Office sitzen zwei Männer nebeneinander, die an diesem Nachmittag genau wissen, was auf dem Spiel steht. Auf der einen Seite Donald Trump, der Präsident, der wieder am Hebel sitzt. Auf der anderen Seite Mohammed bin Salman, der Kronprinz, den der US-Geheimdienst seit Jahren als Verantwortlichen für den Mord an Jamal Khashoggi einstuft. Und doch ist es nicht der saudische Gast, der an diesem Tag in Erklärungsnot gerät, sondern die amerikanische Demokratie, deren Vertreter bereit sind, über eine Bluttat hinwegzugehen, wenn die Geschäfte stimmen.

Die Szene beginnt mit einer einfachen, klaren Frage. Mary Bruce von ABC richtet sich an den Kronprinzen und erinnert an die Einschätzung der US-Geheimdienste, wonach er die „brutale Ermordung eines Journalisten“ angeordnet habe. Sie erwähnt die Angehörigen der Opfer vom 11. September, die es unerträglich finden, dass ausgerechnet er im Oval Office sitzt. In dem Moment, in dem es eigentlich um Verantwortung gehen müsste, fährt Trump dazwischen. Sein Ton ist scharf, seine erste Reaktion nicht inhaltlich, sondern persönlich: „Mit wem sind Sie?“ Er will wissen, für welches Medium sie arbeitet – nicht, wie Saudi-Arabien die Tötung von Khashoggi rechtfertigt.
Wenig später fällt der Satz, der um die Welt geht. Trump sagt über Khashoggi: „Viele Leute mochten diesen Mann nicht, ob man ihn mochte oder nicht, es passieren Dinge.“ „Es passieren Dinge“ – so beschreibt ein US-Präsident den von saudischen Agenten begangenen Mord an einem Journalisten, dessen Tod bis heute mit Tonaufnahmen dokumentiert ist. Aufnahmen, auf denen zu hören sein soll, wie Jamal Khashoggi im Konsulat in Istanbul kämpft, wie er getötet wird, wie ein Knochensägeblatt durch seinen Körper geht. Khashoggi, der am 2. Oktober 2018 das Gebäude betrat, um ein Dokument für seine Verlobte abzuholen, kam nie wieder heraus. Erst leugnete die saudische Führung, dann sprach sie von einer „missglückten Rückholaktion“.
Neben Trump sitzt der Mann, den die CIA und später auch ein unter Biden veröffentlichter US-Bericht klar als Auftraggeber benannt haben. Mohammed bin Salman behauptet an diesem Tag, Saudi-Arabien habe „alle richtigen Schritte“ unternommen, um den Mord aufzuarbeiten. Es sei „schmerzlich“ und ein „großer Fehler“ gewesen. Acht Menschen seien verurteilt worden. Dass das saudische Verfahren weitgehend intransparent lief und kritische Beobachter von einem Schauprozess sprachen, kommt im Oval Office nicht zur Sprache. Stattdessen schiebt Trump seinem Gast einen Schutzschild hin: Als erneut nach der Geheimdienstbewertung gefragt wird, sagt der Präsident kurzerhand: „Er wusste von nichts.“ Und fügt hinzu, man müsse den Gast „nicht bloßstellen“, indem man so frage.

Dieser Auftritt ist keine Randnotiz, sondern eine eindeutige Kursbestimmung. Der Kronprinz war seit dem Mord an Khashoggi nicht mehr auf amerikanischem Boden gewesen. Unter Biden wurden Berichte veröffentlicht, Sanktionen aber vermieden. Jetzt sitzt Mohammed bin Salman wieder im Zentrum der Macht, als wäre nichts gewesen. Der Empfang ist so aufwendig wie bei einem Staatsbesuch: Reiter mit saudischen und amerikanischen Fahnen, eine Militärkapelle, Kampfjets, die in V-Formation über das Weiße Haus donnern. Obwohl der Kronprinz nicht Staatsoberhaupt ist, bekommt er alles, was ansonsten Präsidenten vorbehalten ist – inklusive eines Galadinners mit Spitzen aus Wirtschaft und Politik.

Parallel zu dieser Inszenierung werden die eigentlichen Geschäfte vorbereitet. Trump kündigt an, Saudi-Arabien Zugang zu den modernsten Waffen der USA zu geben. Er sagt, er wolle F-35-Kampfjets an das Königreich verkaufen – jenes Flugzeug, das seit Jahren als teuerstes Rüstungsprogramm des Pentagons gilt und gleichzeitig als Prestigeprojekt, das den Vorsprung der USA sichern soll. Die F-35 wurde in den neunziger Jahren entwickelt, um mehrere ältere Kampfjets zu ersetzen. Sie gilt als „fünfte Generation“, mit Tarnbeschichtung, hochentwickeltem Radar, Sensoren und einem vernetzten System, das Daten an andere Flugzeuge und Bodentruppen weitergeben kann. „Wenn man sie nicht sehen kann, kann man sie nicht abschießen“, sagen ihre Befürworter.

Mehr als 1.200 Maschinen wurden inzwischen gebaut, sie stehen bei Luftwaffe, Marine und Marines im Einsatz. Rund 300.000 Arbeitsplätze in 49 Bundesstaaten und Puerto Rico hängen laut Lockheed Martin an diesem Programm. Gleichzeitig ist das Flugzeug berüchtigt für Verspätungen, Kostenexplosionen und technische Probleme. Die Prognose des Rechnungshofs: Betrieb, Wartung und Modernisierung von 2.470 geplanten Maschinen könnten über einen Zeitraum von 77 Jahren mehr als zwei Billionen Dollar verschlingen. 2023 lagen die Stückkosten bei bis zu 77 Millionen Dollar, viele ausgelieferte Maschinen kamen verspätet, und nur gut die Hälfte war überhaupt in der Lage, ihre vorgesehenen Aufgaben zuverlässig zu erfüllen.

Kritiker wie Dan Grazier vom Stimson Center bezeichnen das Programm deshalb als Fehlschlag. Die Tarnbeschichtung sei extrem wartungsintensiv, das Kamerasystem weise immer wieder Ausfälle auf. Ein Flugzeug, das „viele Dinge ein bisschen kann, aber nichts herausragend“, wie er es formuliert, und dafür „ein Vermögen“ koste – so sieht die skeptische Seite des Bildes aus. Lockheed Martin hält dem entgegen, die F-35 sei der „Eckpfeiler“ der Luftkräfte von 20 Verbündeten, kampferprobt und unverzichtbar für die Sicherheit. Über eine Million Flugstunden und mehr als 1.255 Maschinen im Dienst sollen beweisen, dass das Programm trotz aller Probleme funktioniert.
Genau dieses Flugzeug will Trump nun an ein Land verkaufen, dessen wichtigster Handelspartner China ist. Das Pentagon hat seit Jahren Sorge, dass Peking sich über Saudi-Arabien Einblick in amerikanische Technik verschaffen könnte. Schon 2013 warnte der Defense Science Board, dass chinesische Hacker Daten aus Dutzenden Programmen gestohlen hätten, darunter auch aus dem Joint-Strike-Fighter-Projekt. Zwar betonen Experten wie Bradley Bowman, die Systeme würden ständig modernisiert und damit ältere Daten entwertet. Doch die Frage bleibt, warum man einem Partner diese Technologie geben will, der gleichzeitig eng mit China kooperiert.

Hinzu kommt die Lage in der Region. Israel hat die F-35 bereits genutzt, unter anderem im Krieg gegen Iran. Das Land gilt seit Jahrzehnten als militärisch überlegen, und zwar mit ausdrücklicher Unterstützung Washingtons. Das Versprechen, den qualitativen Vorsprung Israels zu sichern, war lange eine rote Linie amerikanischer Politik. Nun setzt Trump auf einen Deal, der genau diese Linie berührt. Rüstungs- und Sicherheitsexperten warnen, dass ein Verkauf an Saudi-Arabien dieses Gleichgewicht verschieben könnte – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem der Präsident auf Israels Unterstützung für seinen Gaza-Plan angewiesen ist.

Während Waffen, künstliche Intelligenz, ein mögliches Verteidigungsabkommen und der Zugang zu amerikanischer Nukleartechnologie in den Verhandlungsunterlagen stehen, präsentiert Trump die Beziehung zur Öffentlichkeit vor allem in Zahlen. Die USA könnten sich auf 600 Milliarden Dollar an saudischen Investitionen verlassen, behauptet er. Ökonomen halten diese Summe für völlig unrealistisch – angesichts fallender Ölpreise und der Tatsache, dass Mohammed bin Salman im eigenen Land Milliarden in riesige Prestigeprojekte steckt. Der Kronprinz legt mühelos nach: Saudi-Arabien „glaube an die Zukunft Amerikas“ und werde sein Versprechen auf fast eine Billion Dollar erhöhen. Eine Zahl, die in etwa der gesamten Größe des saudischen Staatsfonds entspricht.

Je größer die Summen, desto drängender die Frage nach den persönlichen Verbindungen. Trump weist jeden Interessenkonflikt von sich. Er habe „nichts mit dem Familiengeschäft zu tun“, sagt er. Währenddessen verkündet die Trump Organization gemeinsam mit dem saudischen Bauentwickler Dar Al Arkan ein neues Projekt, bei dem Anleger mit Kryptowährungen in Trump-Immobilien einsteigen können. Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, führt einen Private-Equity-Fonds, der zwei Milliarden Dollar aus einem vom Kronprinzen gelenkten Staatsfonds erhalten hat. „Was meine Familie macht, ist in Ordnung“, sagt der Präsident. „Sie machen überall Geschäfte.“
Dieses „überall“ schließt seit Jahren Saudi-Arabien ein. Genau deshalb wirkt der Auftritt im Oval Office wie ein Brennglas: Ein Präsident, der einen Kronprinzen gegen die eigenen Geheimdienste in Schutz nimmt, relativiert den Mord an einem Journalisten mit den Worten „Es passieren Dinge“, kündigt den Verkauf modernster Rüstungstechnologie an und verspricht im selben Atemzug Investitionen in absurden Höhen. Es ist eine Verbindung aus Politik, Geld und persönlichem Vorteil, die so offen zutage tritt, dass man sie kaum noch als Schattenstruktur beschreiben kann. Sie steht im grellen Licht der Kameras, begleitet von Militärmusik und Kampfjets am Himmel über Washington.

Für die Angehörigen Jamal Khashoggis ist dieser Tag mehr als ein diplomatischer Termin. Er zeigt, dass ein Mensch, der in einem Konsulat zersägt wurde, in der politischen Bilanz einer Supermacht weniger wiegt als ein Bündel Verträge, Kampfflugzeuge und Investitionsversprechen. Und er zeigt, wie bereitwillig ein amerikanischer Präsident einem Partner die Bühne überlässt, dem man einst mit einem Bericht offiziell die Verantwortung für diesen Mord zugeschrieben hat – nur um danach so zu tun, als seien es eben Dinge, die passieren.
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