Er wurde einfach auf den Bus gesetzt

VonRainer Hofmann

Mai 25, 2025

Der stille Albtraum eines Mannes und das neue Gesicht der Trump-Abschiebepolitik.

Es geschah wieder. Ohne Warnung. Ohne Protokoll. Und, wie ein Richter feststellte, ohne auch nur den Anschein von Recht. Am späten Freitagabend ordnete Bundesrichter Brian Murphy an, dass die Trump-Regierung einen guatemaltekischen Mann, den sie trotz ausdrücklichen Schutzes nach Mexiko abgeschoben hatte, wieder in die Vereinigten Staaten zurückbringen muss. O.C.G., wie er in den Akten genannt wird, ist schwul – und war laut US-Einwanderungsgericht vor einer Rückführung nach Guatemala geschützt. Doch das half ihm nichts. Er wurde dennoch auf einen Bus gesetzt, abgeschoben – nicht in sein Herkunftsland, sondern nach Mexiko, wo er laut eigenen Angaben vergewaltigt und als Asylsuchender für Lösegeld festgehalten worden war.

Es ist die Art von Geschichte, die sich nur langsam entfaltet – leise, aber vernichtend. Kein spektakulärer Fall. Kein Prominenter. Nur ein Mensch, der glaubte, das Gesetz würde ihn schützen.

„Niemand hat je behauptet, O.C.G. sei eine Bedrohung für die nationale Sicherheit“, schrieb Murphy in seiner Entscheidung. „Es geht hier nicht um juristische Feinheiten, sondern um den banalen Horror, einem Mann einen Platz im Bus zuzuweisen – zurück in ein Land, in dem er gerade noch vergewaltigt und entführt wurde.“

In sämtlichen Gerichtsdokumenten und Presseberichten wird er ausschließlich durch seine Initialen bezeichnet. Dies dient dem Schutz seiner Identität, insbesondere angesichts der sensiblen Umstände seiner Flucht und der Gefahr, der er aufgrund seiner sexuellen Orientierung ausgesetzt ist.

Die Entscheidung erging im Verfahren D.V.D. et al. v. U.S. Department of Homeland Security et al., Aktenzeichen 1:25-cv-10676-BEM, vor dem United States District Court for the District of Massachusetts.

Die Verwaltung, vertreten durch Tricia McLaughlin vom Heimatschutzministerium, erklärte, O.C.G. sei „illegal im Land gewesen“ und habe zwar Abschiebeschutz nach Guatemala erhalten – sei aber dennoch nach Mexiko verbracht worden, das laut ihr ein „sicherer Drittstaat“ sei. Sie nannte Richter Murphy einen „aktivistischen Bundesrichter“ und kündigte Berufung an. Die Rückführung des Mannes sei „nicht das Problem der Regierung.“

Doch genau das ist es.

Murphys Urteil fügt sich ein in eine wachsende Liste von Bundesgerichtsurteilen, die die Abschiebepraxis der Trump-Regierung in Frage stellen. Erst vor wenigen Wochen zwang der Oberste Gerichtshof die Regierung, den fälschlich abgeschobenen Salvadorianer Kilmar Abrego Garcia aus einem berüchtigten Gefängnis in El Salvador zurückzuholen – trotz wiederholter Aussagen des Weißen Hauses, man könne „nichts mehr tun“. In Murphys Worten ist der Fall von O.C.G. dagegen beinahe einfach: „Er wird nicht von einer ausländischen Regierung festgehalten. Die Regierung hat nicht einmal vorgetragen, dass seine Rückführung teuer oder schwierig wäre.“

Die Trump-Regierung, in ihrer zweiten Amtszeit zunehmend immun gegenüber öffentlichem Druck und juristischen Argumenten, verweigert auch in diesem Fall jede Verantwortung. Sie beruft sich auf „Staatsgeheimnisse“ und „nationale Sicherheit“, wenn es um Rückführungen geht – selbst dann, wenn ein Mensch nachweislich in Lebensgefahr schwebt.

O.C.G. ist mittlerweile in Guatemala untergetaucht. Wir haben den Kontakt zu ihm verloren. Gemeinsam mit der Asociación Lambda Guatemala, einer führenden Menschenrechtsorganisation für LGBTQI+-Schutz, versuchen wir, ihn zu finden – bevor es zu spät ist.

Die große Geschichte dieser Epoche erzählt sich nicht in großen Reden, sondern in kleinen Akten der Grausamkeit. Ein Bus. Ein Befehl. Ein Mensch zu viel, der verloren geht.

Und ein Präsident, der sich daran nicht stört.

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