„Er will nur tanzen“ – Trumps 300-Millionen-Dollar-Ballsaal und die Architektur des Größenwahns

VonRainer Hofmann

Oktober 23, 2025

Washington hat schon vieles unter Trump gesehen: brennende Akten, fallende Sterne, die Erfindung von gestohlene Wahlen, kranke Dinge. Warum? „Der Präsident möchte tanzen“. Aber was sich heute auf dem Gelände des Weißen Hauses abspielte, war selbst für diese Stadt eine architektonische Offenbarung. Dort, wo bis vor Kurzem noch der Ostflügel stand – jener traditionsreiche Teil, in dem einst Eleanor Roosevelt Journalistinnen empfing und Barack Obama Kinder zum Halloween erschreckte – gähnt jetzt eine Grube. Eine Grube der Geschichte. Eine Grube der Eitelkeit. Denn Donald Trump lässt sie ausheben für das, was er in einem Satz erklärte, der klingen sollte wie Zukunft, aber eher nach Größenwahn roch: „America deserves a ballroom.“ 300 Millionen Dollar, umgeben von Stuck, Blattgold und Sicherheitskameras. Ein Saal, so heißt es, der „in seiner Größe an Versailles erinnert, aber mit der Energie von Mar-a-Lago“. Und als wäre das nicht genug, erklärte seine Pressesprecherin Karoline Leavitt bei der täglichen Unterrichtung der Presse, der Präsident könne im Grunde auch den Jefferson Memorial abreißen – „wenn er das will“.

„Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten“, sagte sie. „Wenn er entscheidet, dass das Denkmal wegkommt, dann kommt es weg.“ Kein Wimpernzucken, kein Lächeln, kein Versuch, es als Scherz zu tarnen. Nur dieser leise, fast stolze Unterton der Unterwerfung. Man muss sich das vorstellen: Der Präsident lässt einen historischen Gebäudeflügel niederreißen, ohne Planungsprüfung, ohne denkmalrechtliche Genehmigung, ohne Rücksprache mit dem Architekturrat der Hauptstadt. Und seine Sprecherin sagt, er dürfe es, weil er es wolle. Es ist die politische Übersetzung des Satzes: „Weil ich es kann.“

Die Bilder des Tages zeigten Bagger, die weiße Fassaden niederreißen, Trümmer, die auf Rasenflächen liegen, in denen einst Staatsgäste ihre Reden hielten. „Das ist kein Abriss, das ist eine Vision“, erklärte Leavitt später in einem Interview mit Fox News. „Der Präsident schafft Platz für das Amerika von morgen.“ Auf die Frage, ob dieses Amerika auch Fenster haben werde, antwortete sie: „Fenster sind optional, wenn man Licht ausstrahlt.“

Währenddessen dürfte der National Park Service in seinen Büros zunächst überrascht reagiert haben, da die Abrissarbeiten am East Wing offenbar ohne die übliche öffentliche Abstimmung oder vorherige Ankündigung begonnen wurden – ein Vorgehen, das selbst innerhalb der Behörde Fragen nach den formalen Genehmigungswegen und dem denkmalrechtlichen Verfahren aufwarf. Die Demokraten reagierten entsetzt. Senatorin Elizabeth Warren sprach von einem „Sakrileg in Echtzeit“, Alexandria Ocasio-Cortez nannte es „den endgültigen Beweis, dass man Macht nicht wählen, sondern nur inszenieren kann“. Es ist das Sinnbild seines Amerika – ein Präsident, der Steine bewegt, um die Erinnerung gleich mit zu verschieben. Der glaubt, man könne sich Größe bauen wie eine Lobby. Und eine Sprecherin, die meint, die Demokratie sei eine Wand, die man jederzeit neu tapezieren könne.

Wenn Jefferson heute zusehen könnte, würde er vielleicht sagen: „Ich habe die Freiheit entworfen, nicht den Grundriss.“ Aber in Trumps Amerika ist selbst das nur noch Material. Alles wird verwertet, alles wird gebrandet, alles wird betoniert. Und irgendwo zwischen Staub und Marmor bleibt eine Erkenntnis zurück: Wer Paläste baut, um Geschichte zu übertönen, hat sie längst verloren.

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