Es war kurz vor Mittag, als die Türen der Ontario Advanced Surgery Center in der Nähe von Los Angeles sich nicht nur für Patient:innen öffneten, sondern für ein Drama, das bezeichnender nicht sein könnte für die neue Härte der US-Einwanderungspolitik. In blauen OP-Kitteln, mit bloßen Händen und erhobenem Kopf stellten sich medizinische Fachkräfte einem Trupp bewaffneter ICE-Agenten in den Weg – um einen Mann zu schützen, der unter Tränen um Luft rang und seine letzten Rechte verteidigte: ein 30-jähriger Landschaftsgärtner aus Honduras, der sich in den Klinikflur geflüchtet hatte.
Die Szene, festgehalten auf einem inzwischen millionenfach geteilten Handyvideo, zeigt den Moment, in dem moralischer Mut auf staatliche Härte trifft. Eine Mitarbeiterin, keine zwei Meter vom Beamten entfernt, ruft: „Get your hands off of him. You don’t even have a warrant.“ – Lass ihn los. Sie haben nicht einmal einen Durchsuchungsbefehl. Ein anderer Angestellter schirmt den Mann ab, der sichtlich um Fassung ringt. In einem Land, in dem das Bundesrecht die Staatsmacht über das Menschenrecht zu stellen beginnt, sind solche Bilder nicht nur selten – sie sind riskant. Laut dem Department of Homeland Security war es eine gezielte Operation: Zwei Männer ohne legalen Aufenthaltsstatus sollten festgenommen werden. Doch Javier Hernandez von der Inland Coalition for Immigrant Justice widerspricht. „Es sah alles andere als gezielt aus“, sagt er. Der festgenommene Honduraner sei der einzige gewesen, den man mitgenommen habe – seine beiden Kollegen hätten legale Aufenthaltsstatus gehabt, einer sei US-Bürger, der andere Green-Card-Inhaber. Die Vermutung liegt nahe, dass ICE auf gut Glück Jagd macht – auch in medizinischen Einrichtungen. Dass der Mann flüchtete, weil er seine Mutter in Honduras mit Geld für Dialyse versorgte, zeigt, wie viel mehr hinter diesen Geschichten steckt als bloß ein „illegaler Aufenthalt“.
Was folgte, war eine Eskalation, die in früheren Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Das Heimatschutzministerium behauptete anschließend öffentlich, die Klinikmitarbeiter hätten „Law Enforcement officers assaulted“ – sie hätten also Beamte tätlich angegriffen und die Verhaftung behindert. Belege dafür wurden nicht genannt. Die Klinik selbst schwieg – auf Presseanfragen wurde bislang nicht reagiert. Doch in den sozialen Netzwerken kursieren weitere Clips, auf denen nichts zu sehen ist als zivilcouragierte Mitarbeiter, die Fragen stellen und Menschenrechte einfordern. Der Fall reiht sich ein in eine neue Welle aggressiver ICE-Taktiken, die unter Donald Trumps zweiter Amtszeit deutlich zugenommen haben. In San Francisco etwa filmten Augenzeugen nur einen Tag zuvor, wie Beamte einen Mann direkt nach einer Gerichtsanhörung in ein schwarzes SUV zerrten. Demonstrierende warfen sich auf die Motorhaube, schrien, hielten sich fest – einer blieb so lange dran, bis der Wagen beschleunigte und ihn abschüttelte. Auch in kirchlichen Räumen sind die Grenzen längst gefallen: In San Bernardino, zur Diözese von Ontario gehörend, hat der dortige Bischof Katholik:innen von der Sonntagspflicht entbunden – zu viele ICE-Razzien auf Pfarreigelände. Die Angst geht um. Und sie ist real.
Es sind keine Einzelfälle mehr. Es sind Bausteine eines Systems, das seine Zähne zeigt – in Kliniken, in Gotteshäusern, in Gerichtssälen. Und es sind Menschen wie jene Klinikmitarbeiter:innen in Ontario, die dieser Unmenschlichkeit mit Würde entgegentreten. Ohne Waffen, ohne Uniform, aber mit Rückgrat. Und während niemand weiß, wo der honduranische Arbeiter heute ist, bleibt das Bild seiner Verhaftung wie eingebrannt. Es zeigt nicht nur einen Mann in Not – es zeigt ein Amerika im Ausnahmezustand. Wir konnten den gezeigten Fall nun bei der Immigrant Defenders Law Center unterbekommen und er verfügt nun über rechtliche Unterstützung. Und weiter geht es …

Was für mutige Menschen mit Zivilcourage.
Nur solche Menschen haben, wenn sie sich zusammentun, eine Chance den Wahnsinn aufzuhalten.
Schrecklich und tolle Zivilcourage der Praxisleute. Euch auch einen großen Dank für euren Einsatz und wie ihr für diese Menschen euch einsetzt. Leider machen das viel zu wenige.
Was sind das für Schweine