Zapopan / Washington / Mexiko-Stadt – Über den Moment, als Valeria Márquez, 23 Jahre alt, während eines TikTok-Livestreams in ihrem Schönheitssalon in Zapopan erschossen wurde. Wir hatten mehrfach über diesen Fall berichtet. Über ihre letzten Worte – „Sie kommen“ – und das gespenstische Video, das um die Welt ging. Jetzt haben die Ermittlungen eine neue Wendung genommen: Ein „Sorry“-Blumenstrauß, abgelegt vor ihrem Salon, führt zu einer namentlich identifizierten Spur. Fingerabdrücke auf der Vase und dem schwarzen Papier werden derzeit ausgewertet, auch wenn der Blumenladen keine Kameras hatte. Der Lieferbote sagte aus, nichts über den Absender zu wissen – seine Aufgabe bestand allein darin, das makabre Arrangement zuzustellen und ein Foto als Empfangsbeleg zu machen. Márquez selbst hatte wenige Tage vor der Tat angedeutet, dass jemand mit einem „teuren Geschenk“ zu ihr wolle – sie habe aber nicht die Absicht gehabt, ihn zu empfangen.

Die US-Regierung hat inzwischen Ricardo Ruíz Velasco, alias „El Double R“, einen hochrangigen Kommandanten des Jalisco-Kartells (CJNG) und mutmaßlichen Ex-Partner von Márquez, unter Sanktionen gestellt – wegen seiner vermuteten Verwicklung in die Tat. Es ist das erste Mal, dass ein Kartellmitglied aus diesem Grund von den USA öffentlich benannt wird. Laut US-Finanzministerium handelt es sich um einen gezielten Femizid als Machtdemonstration innerhalb des organisierten Verbrechens. Die mexikanische Staatsanwaltschaft in Jalisco erklärte hingegen, sie habe keine belastbaren Beweise gegen Ruíz Velasco, fordere jedoch Einsicht in die US-Dokumente. Der Fall zeigt damit nicht nur das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt – sondern auch, wie politische und geopolitische Interessen Einfluss auf deren Sichtbarkeit nehmen.
Doch so erschütternd der Mord an Márquez ist – er steht nicht allein. In Mexiko sterben im Schnitt zehn Frauen pro Tag durch Femizide. 2024 wurden laut offiziellen Angaben 797 solcher Taten gezählt, doch Aktivistinnen halten diese Zahl für viel zu niedrig. Mehr als 2.900 weitere getötete Frauen wurden nicht als Femizid erfasst – ein strukturelles Versagen. Viele Staatsanwaltschaften seien schlecht ausgestattet, ungeschult oder schlicht nicht gewillt, solche Verbrechen als das zu benennen, was sie sind: Hassverbrechen gegen Frauen. Während der Fall Márquez internationale Aufmerksamkeit erhält, bleibt in Städten wie Culiacán oder Veracruz das tägliche Sterben ohne politische Konsequenz. „Es ist kein Fortschritt, wenn wir nur dort handeln, wo es geopolitisch passt“, sagt eine Frauenrechtlerin. Was bleibt, ist ein leiser Ruf nach Gerechtigkeit – und die Hoffnung, dass der Name Valeria Márquez nicht nur für eine Tat steht, sondern für eine längst überfällige Bewegung.
