In einem Land, das sich gern als Verkörperung des „amerikanischen Traums“ sieht, sagt eine schlichte Tabelle mehr über die politische Gegenwart aus als tausend Reden. Sie stammt aus dem offiziellen SNAP-Jahresbericht 2023 – jenem Programm, das in den Vereinigten Staaten für die Ernährungssicherung von Millionen Familien steht. 40 Millionen Menschen sind darauf angewiesen, darunter Kinder, Rentner, Veteranen, Pflegekräfte, Alleinerziehende. Und doch wird dieses Programm seit Monaten systematisch zur Zielscheibe einer Regierung, die Hunger als politisches Werkzeug entdeckt hat. Donald Trump spricht von „Betrug“, von „Illegalen“, von „Systemmissbrauch“. Er behauptet, der Staat werde ausgeraubt, die Hilfe ginge an „Fremde“. Doch die Zahlen lügen nicht. Laut den offiziellen Daten der Food and Nutrition Service des Landwirtschaftsministeriums sind 89,4 Prozent der SNAP-Empfänger in den USA geboren, weitere 6,2 Prozent eingebürgert. Nur 3,3 Prozent sind keine Staatsbürger. Selbst wenn man Flüchtlinge hinzurechnet, bleibt der Anteil nicht-amerikanischer Bezieher unter vier Prozent. Mit anderen Worten: Fast 95 Prozent derer, die Lebensmittelhilfe erhalten, sie sind keine Fremden – sie sind Amerika.

Die Grafik zeigt in erschütternder Klarheit, wie weit die politische Rhetorik der Trump-Regierung von der Realität entfernt ist. Nahezu neun von zehn Empfängerinnen und Empfängern der Lebensmittelhilfe in den Vereinigten Staaten sind im Land geboren. Genauer: 89,4 Prozent sind amerikanische Staatsbürger von Geburt an, weitere 6,2 Prozent haben die Staatsbürgerschaft im Laufe ihres Lebens erworben. Nur 1,1 Prozent der Beziehenden sind anerkannte Flüchtlinge, und 3,3 Prozent zählen zu anderen Nicht-Staatsbürgern.
Diese Zahlen stammen nicht aus Schätzungen oder parteipolitischen Analysen, sondern aus den offiziellen Erhebungen des Landwirtschaftsministeriums für das Haushaltsjahr 2023. Sie widerlegen den Mythos, das SNAP-Programm werde „von Migranten ausgenutzt“ oder belaste den Staat durch „Fremde“. In Wirklichkeit kommt die Hilfe dort an, wo sie hingehört – bei den Menschen, die dieses Land tragen: Altenpflegerinnen, Supermarktbeschäftigten, Krankenschwestern, Veteranen, Familien mit Kindern und Rentnern.
Mehr als 7,8 Millionen der SNAP-Beziehenden sind über 60 Jahre alt – fast jeder Fünfte. Viele von ihnen leben von einer kleinen Rente, oft nach jahrzehntelanger Arbeit. Die Daten zeigen also nicht ein Land der Trittbrettfahrer, sondern ein Land, das seine eigenen Bürger hungern lässt. Rund 89 Prozent aller ausgezahlten Leistungen fließen direkt an Amerikaner, die hier geboren wurden, hier gearbeitet haben und hier leben. SNAP ist kein fremdes Hilfssystem, sondern ein Schutznetz für die eigene Bevölkerung – das letzte, das viele von ihnen noch haben.
Diese Menschen sind keine Randfiguren eines fremden Systems, sondern der Kern der amerikanischen Gesellschaft. Sie sind Arbeiter, Krankenschwestern, Verkäuferinnen, Busfahrer, Rentner, Soldatenfamilien. Sie tragen Uniform, zahlen Steuern, stehen früh auf, kommen spät nach Hause. Viele von ihnen haben gearbeitet, bis die Fabrik geschlossen wurde oder der Körper nicht mehr konnte. Manche mussten ihre Wohnung aufgeben, weil die Miete schneller stieg als der Lohn. Sie leben nicht auf Kosten Amerikas – sie sind Amerika. Und doch sind sie es, die Trump in seinen Reden als Parasiten, Faulpelze oder Schmarotzer bezeichnet. Die Zahl 40 Millionen ist nicht abstrakt. Sie steht für Menschen, die jeden Monat an der Supermarktkasse zwischen Milch und Brot rechnen müssen. Für Eltern, die ihren Kindern erklären, warum sie das Mittagessen auslassen. Für alte Menschen, die an Weihnachten Konserven öffnen. Und während sie rechnen, streicht die Regierung Milliarden. Der Haushalt für SNAP soll im kommenden Jahr um 30 Prozent gekürzt werden. Das sind reale Mahlzeiten, reale Leben, die im Schatten einer politischen Ideologie verschwinden, die Mitleid für Schwäche hält und Armut für persönliches Versagen.
Die Zynik liegt nicht nur in den Kürzungen, sondern in der Sprache, mit der sie begründet werden. Trump spricht vom „Schutz der Steuerzahler“ – und meint den Schutz der Wohlhabenden. Er spricht von „Eigenverantwortung“ – und meint Unterwerfung. Er spricht von „Amerika zuerst“ – und lässt das Land hungern. Die Regierung könnte, wie frühere Administrationen, auf Notfallfonds zurückgreifen, um die Versorgung sicherzustellen. Sie tut es nicht. Stattdessen werden Beamte, Hilfsorganisationen und Gouverneure hingehalten, als ginge es um eine Debatte über Prinzipien, nicht um den nächsten Einkaufskorb. Im Oktober kam es zu einer juristischen Zäsur, die den Kern des Problems offenlegte. Drei Bundesgerichte – eines in Rhode Island, eines in Massachusetts – erklärten die Weigerung der Trump-Regierung, rund fünf Milliarden Dollar aus Notfallreserven für SNAP freizugeben, für rechtswidrig. Richter John J. McConnell befand, das Weiße Haus müsse die Mittel „timely, or as soon as possible“ auszahlen, um eine drohende Katastrophe zu verhindern. Seine Kollegin Indira Talwani nannte die Entscheidung, die Lebensmittelhilfe zu stoppen, schlicht „unlawful“. Sie konnte, wie sie sagte, nicht verstehen, „wie das kein Notfall sein soll, wenn Millionen Menschen ihre Nahrung verlieren“. Dazu schloss sich Richterin Beryl Howell (U.S. District Court for the District of Columbia) an und verpflichtete das Landwirtschaftsministerium ebenfalls, unverzüglich Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Zahlungen zu treffen.
Trump ließ über seine Sprecher ausrichten, der Shutdown sei „kein Notfall“. Gleichzeitig erklärte er öffentlich, er wolle „allen helfen“ – und nannte SNAP im selben Atemzug ein Programm, das „largely Democrats“ betreffe. Es war der vielleicht offenste Moment, in dem soziale Verantwortung parteipolitisch etikettiert wurde. In Trumps Logik sind Bedürftige keine Bürger, sondern Demokraten – Menschen zweiter Klasse. Diese Haltung hat Folgen, die weit über den Hunger hinausreichen. Der Staat verliert seine Neutralität, wenn er die Versorgung seiner Bevölkerung von Parteizugehörigkeit abhängig macht. Ein Präsident, der die Armen seines Landes als Feinde behandelt, bricht mit dem Prinzip, das ihn zum Präsidenten gemacht hat: dem Amtseid, Schaden vom amerikanischen Volk abzuwenden.
Alle Gerichtsurteile waren mehr als bloße juristische Niederlagen – sie waren eine moralische Ohrfeige. Sie zwangen eine Regierung, ihren eigenen Bürgern zu geben, was längst bezahlt war. Dass es dazu Richter brauchte, ist der eigentliche Skandal. Hunger war nie ein Verhandlungspunkt in einer Haushaltsdebatte. Erst jetzt wurde er dazu gemacht. Ökonomen weisen seit Jahren darauf hin, dass jeder in SNAP investierte Dollar bis zu 1,7 Dollar in den Wirtschaftskreislauf zurückbringt. Das Programm stützt Supermärkte, Landwirte, Transporteure – und es sichert, was von der sozialen Infrastruktur des Landes geblieben ist. Doch das Weiße Haus stellte sich gegen die einfachste aller Rechnungen: dass niemand gewinnt, wenn Millionen Menschen verlieren.
Die Regierung gefährdete nicht nur die Bedürftigen, sondern auch jene, die sie zu schützen vorgab – Landwirte, Ladenbesitzer, kleine Supermärkte. Hunger ist kein Sparprogramm, sondern ein Bumerang. Die Folgen sind schon jetzt spürbar. Einige Bundesstaaten versuchten, die Leistungen aus eigener Kraft zu überbrücken, andere mussten Klage einreichen, um Essen auf die Tische ihrer Bewohner zu bringen. Die demokratische Generalstaatsanwältin von Massachusetts, Andrea Joy Campbell, sagte: „Es ist unbegreiflich, dass unsere Bundesregierung uns zwingt, um die Ernährung unserer Bürger zu kämpfen.“
Was bleibt, ist das Bild eines Landes, in dem Richter die Regierung an Menschlichkeit erinnern müssen. Trumps Umgang mit SNAP war kein Verwaltungsfehler, sondern eine bewusste Entscheidung: Hunger als Druckmittel, Bedürftigkeit als politische Waffe. Ein Präsident, der die Armen seines Landes bekämpft, bekämpft das Land selbst. Er führt Krieg gegen die, die ihn ernähren, die seine Straßen sauber halten, seine Kinder betreuen, seine Felder bestellen. Und er tut es, weil sie sich nicht wehren können. Der „Krieg gegen Armut“, den Lyndon B. Johnson einst ausrief, war ein Versuch, das Versprechen der Demokratie einzulösen. Der Krieg, den Donald Trump heute führt, ist ihr Gegenteil – ein Krieg gegen Mitgefühl, gegen Fakten, gegen Amerika.
Am Ende bleibt die Frage, die keine Statistik beantworten kann: Was ist ein Land wert, das seine Bürger hungern lässt, um eine Erzählung zu retten? Die Antwort steht zwischen den Zeilen der Tabelle – in über 40 Millionen Schicksalen, die zeigen, wie dünn die Linie zwischen Stolz und Wirklichkeit geworden ist.
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Ich kann nur hoffen, dass diese Kapitalgangster und Lügner irgendwann ihre Rechnung bekommen in Form von Verurteilungen und Gefängnis.
Gouverneur Pritzker sagte sogar, die Regierung hat die Computerprogramme eingestellt, so dass die Einzelstaaten sie nicht nutzen können, um die Bevölkerung selbst zu versorgen. Dazu die unverschämten Lügen, dass die Demokraten an diesem Shutdown schuld sind, weil sie unbedingt medizinische Leistungen für illegale durchbringen wollen – mir wird nur noch schlecht!
Ich schaue gerade in ZDF info die ganze Serie „USA Extrem“, es ist sooo frustrierend, vor allem, wie viele auch weltweit auf diese kranke Einstellung abfahren!
es sind wirklich schlimme zeiten, da muss man richtig gegenhalten, smart, cool und froschkostüm