Die Schatten der Justiz – Wie Trumps Regierung das Ernennungsrecht der Verfassung aushebelte

VonRainer Hofmann

November 5, 2025

Washington – Hinter den Mauern der Bundesgerichte zeichnet sich ein stilles, aber folgenschweres Ringen ab – eines, das tiefer reicht als jeder einzelne Prozess. Es geht um den innersten Grundgedanken der amerikanischen Gewaltenteilung, um das Recht, Macht zu kontrollieren, und um eine Praxis, die das Justizsystem der Vereinigten Staaten an seine Grenzen bringt. Nach unseren Recherchen liegen dem Eastern District of Virginia mehrere Fälle vor, die zeigen, wie die Trump-Regierung systematisch die Ernennungsklausel der Verfassung umging, um loyale Bundesanwälte im Amt zu halten – ohne Zustimmung des Senats, ohne demokratische Kontrolle.

Im Zentrum steht ein Muster, das sich von New Jersey über Nevada bis Kalifornien zieht – und nun in Virginia kulminiert, wo die Anklage gegen James Comey erhoben wurde. Die Parallelen sind frappierend. In allen Fällen setzte Justizministerin Pam Bondi enge Vertraute des Präsidenten als kommissarische United States Bundesanwälte ein – mit Fristen, die das Gesetz klar begrenzt. Doch als diese abliefen, wurden Schlupflöcher konstruiert, Amtszeiten gestreckt, Ernennungen neu etikettiert.

Alina Habba

Am deutlichsten zeigt sich das im Fall Alina Habba, einst persönliche Anwältin Donald Trumps. Sie wurde am 28. März 2025 zur kommissarischen U.S. Bundesanwältin für den District of New Jersey ernannt – ohne jede Erfahrung als Staatsanwältin. Nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen 120 Tage setzten die Richter des Bezirks eine Nachfolgerin ein. Doch die Trump-Regierung entließ diese kurzerhand und versuchte, Habba unter Berufung auf das Federal Vacancies Reform Act als „Acting U.S. Attorney“ zu reinstallieren – eine Konstruktion, die das Gesetz ausdrücklich ausschließt. Ein Bundesgericht in New Jersey erklärte dieses mehrstufige Manöver am 21. August 2025 für illegal. In der Urteilsbegründung heißt es: „Der Exekutive ist es nicht erlaubt, sich ihre Staatsanwälte nach Belieben auszusuchen und Amtszeiten zu verlängern, die der Kongress ausdrücklich begrenzt hat.“

Sigal Chattah

Gleiches Muster im Westen: Sigal Chattah, ebenfalls durch Bondi ernannt, trat am letzten Tag ihrer Amtszeit zurück – nur um einen Tag später wieder eingesetzt zu werden, diesmal unter neuem Titel. Auch dieser Versuch, den gesetzlichen 120-Tage-Rahmen zu umgehen, wurde vom Bundesgericht in Nevada als „rechtswidrig“ verworfen. Die Richter schrieben: „Das Gesetz erlaubt es der Exekutive nicht, nach Belieben jeden zu ernennen, wann immer sie will, um eine U.S. Attorney-Stelle zu besetzen.“

Bilal Essayli

Und schließlich Bilal Essayli in Kalifornien – bekannt für seine Nähe zu konservativen Aktivisten. Kurz vor Ablauf seiner Frist kündigte er live in einer Radiosendung bei Glenn Beck an: „Wir haben da ein paar Tricks in der Hinterhand.“ Am nächsten Tag trat er zurück, nur um unmittelbar danach wieder zum „Acting U.S. Bundesanwalt“ ernannt zu werden. Auch in diesem Fall laufen Klagen wegen Verfassungsverstoßes, die mehrere Strafverfahren infrage stellen könnten.

Lindsey Halligan

Diese drei Präzedenzfälle bilden nun den juristischen Unterbau des größten Konflikts: der Anklage gegen den früheren FBI-Direktor James Comey. Denn auch hier wurde die Anklageschrift von einer Staatsanwältin unterzeichnet, deren Ernennung unter denselben Umständen erfolgte – Nach unseren Recherchen war die Amtszeit von Lindsey Halligan nach § 546 längst abgelaufen, als sie das Dokument unterschrieb. Die Verteidigung argumentiert ebenfalls, Halligan sei nicht rechtmäßig im Amt gewesen, weshalb die gesamte Anklage verfassungswidrig sei.

Die Verteidigung stützt sich dabei auf genau jene Urteile, die in New Jersey, Nevada und Kalifornien bereits ergangen sind. Die Argumentation ist scharf: Die Trump-Regierung habe durch eine Reihe von „künstlich gestaffelten Ernennungen“ versucht, die Gewaltenteilung zu unterlaufen – und damit die vom Senat vorgesehene Kontrollinstanz ausgeschaltet. Der zugrunde liegende Streit dreht sich um die sogenannte Appointments Clause (Artikel II, § 2, Absatz 2 der US-Verfassung). Sie verpflichtet den Präsidenten, hohe Beamte – darunter auch Bundesanwälte – mit Zustimmung des Senats zu ernennen. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen darf der Justizminister eine vorübergehende Lösung treffen, und auch dann nur für 120 Tage. Diese Frist wurde 2007 bewusst eingeführt, nachdem schon die Bush-Regierung versucht hatte, Posten dauerhaft durch politische Gefolgsleute zu besetzen.

Pam Bondi

Doch Trump ging weiter. Seine Justizministerin Bondi nutzte Gesetzeslücken, um aus Interimsposten Dauerämter zu machen. So konnte die Regierung Schlüsselpositionen im Justizsystem mit loyalen Anwälten besetzen, ohne sich dem Senat stellen zu müssen – ein direkter Angriff auf die Balance der Verfassung. Ehemalige Bundesrichter und frühere Staatsanwälte, die als amici curiae vor Gericht intervenierten, sprechen von einem „gefährlichen Präzedenzfall“. In ihrer Stellungnahme heißt es: „Die Exekutive darf nicht für eine gesamte Amtszeit ihre eigenen Strafverfolger einsetzen, ohne Zustimmung des Senats. Eine solche Praxis würde den Kern der Ernennungsklausel aushöhlen und die Unabhängigkeit der Justiz gefährden.“

James Comey

Das Problem ist mehr als juristisch – es ist strukturell. Wenn die Regierung sich selbst die Kontrolle über die Ernennung ihrer eigenen Ermittler sichert, verschwindet der Grundgedanke der Gewaltenteilung. Und genau das steht nun im Fall Comey zur Entscheidung. Sollte das Gericht feststellen, dass Halligan unrechtmäßig im Amt war, wäre nicht nur die Anklage gegen Comey null und nichtig – sondern auch ein Dutzend weiterer Verfahren, die von denselben illegal eingesetzten Staatsanwälten geführt wurden.

Was hier vorliegt, ist kein zufälliger Fehler, sondern eine bewusste politische Manipulation. Trumps Regierung hat, über Monate und Bezirke hinweg, ein System geschaffen, in dem Loyalität über Gesetz steht. Die juristische Fassade diente nur dazu, Macht zu sichern. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die amerikanische Justiz noch die Kraft hat, diese Praxis zu stoppen – oder ob sie endgültig Teil eines Apparats geworden ist, der längst gelernt hat, die Regeln zu biegen, bis sie reißen.

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Helga M.
Helga M.
4 Minuten zuvor

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Für eure Recherchen und Berichte müsstet ihr einen Preis gewinnen.🌹 Ich hoffe so sehr, dass es diesen Machenschaften und Personen an den Kragen geht, aber so richtig..

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