Es beginnt mit einer Frage, die früher kaum jemand stellte: „Was hast du in deinem Instagram-Feed gepostet – und wer könnte es dir übelnehmen?“ In den Vereinigten Staaten des Jahres 2025 ist daraus eine ernste Angelegenheit geworden. Für viele junge Menschen aus dem Ausland, die davon träumen, in den USA zu studieren, kann ein Post – ein falscher Satz, ein unbedachter Link – darüber entscheiden, ob sie überhaupt ein Visum erhalten.
Seit Präsident Donald Trump seine zweite Amtszeit angetreten hat, zieht sich ein neuer Schatten durch die Einreisebestimmungen: eine verstärkte Überprüfung sozialer Medien. Das Außenministerium kündigte am 27. Mai offiziell an, diese Prüfung im Rahmen von Visaanträgen internationaler Studierender auszuweiten. Was genau überprüft wird, bleibt unklar. Doch Bildungsexperten und Berater:innen schlagen bereits Alarm – und raten Studierenden, ihre Profile gründlich zu säubern.
„Wir gehen mit jedem neuen Studierenden gemeinsam durch seine Social-Media-Kanäle“, sagt Kat Cohen, Gründerin der Beratungsfirma IvyWise. „Wer keinen US-Pass hat, muss besonders vorsichtig sein. Was radikal oder anti-amerikanisch wirkt, kann zum Ausschluss führen.“
Die Maßnahme baut auf einer bereits im April veröffentlichten Mitteilung der Einwanderungsbehörde USCIS auf, in der „antisemitische Aktivitäten in sozialen Netzwerken“ als potenzieller Grund für die Ablehnung eines Visums genannt wurden. Doch wer bestimmt, was als „anti-amerikanisch“ oder „radikal“ gilt? In der Praxis, so fürchten Kritiker:innen, könnten selbst harmlose politische Meinungsäußerungen zu einem Risiko werden – insbesondere zu den Kriegen in Gaza oder der Ukraine, zu Themen wie Abtreibung, Klimaschutz oder Menschenrechten.
Mandee Heller Adler, Gründerin der International College Counselors, rät ihren Klient:innen: „Löscht alles, was auch nur im Entferntesten politisch ist.“ Sie wolle niemandem den Mund verbieten, sagt sie – aber es sei ein einfacher Weg, sich zu schützen.
Auch Sasha Chada, Chef der texanischen Beratungsfirma Ivy Scholars, kennt die Schwierigkeit: Jugendliche seien mit Instagram und TikTok aufgewachsen – diese Plattformen zu löschen sei wie „ihnen ein Stück ihrer Identität zu nehmen“. Dennoch rät er zur Vorsicht.
Die Maßnahmen entfalten bereits Wirkung. Anwältin Mahsa Khanbabai, spezialisiert auf Einwanderungsrecht, berichtet von Klient:innen, die ihre Accounts löschen oder auf privat stellen. In Gesprächen gehe es zunehmend nicht mehr nur um rechtliche Fragen, sondern um moralische Dilemmata: „Bist du bereit, dein öffentliches Engagement auf Pause zu setzen, um langfristig deine Ausbildung und Karriere nicht zu gefährden?“
Einige tun es – mit zusammengebissenen Zähnen. Andere lehnen es ab, wollen nicht schweigen, nicht abwiegeln. Doch die Angst, dass ein Like zu viel oder ein Retweet zum Verhängnis wird, bleibt.
Robert Shibley von der Foundation for Individual Rights and Expression warnt vor einem „chilling effect“ – einem Klima der Selbstzensur: „Wenn die Ausweitung der Prüfungen politische Meinungen umfasst, wird das viele junge Menschen dazu bringen, ihre Stimme zu dämpfen – aus Angst, nicht ins Land zu dürfen.“
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass in einem Land, das einst mit Meinungsfreiheit warb, ausgerechnet die Neugier und Offenheit junger Menschen zur Eintrittskarte oder zur Hürde werden kann. Und dass ein einfacher Gedanke wie „Ich stehe für Klimaschutz“ oder „Ich bin gegen Krieg“ plötzlich zum Risiko wird. Willkommen in Amerika – wo die Freiheit mit einem Klick verschwinden kann.