Die neue Handelsfront – Europas Antwort auf Trumps Zollkrieg

VonRainer Hofmann

Juli 14, 2025

Brüssel, Mitte Juli 2025. Ein Schatten legt sich über die Hallen der europäischen Institutionen, als Donald Trump aus dem Weißen Haus heraus neue Zölle verkündet – 30 Prozent auf Importe aus der Europäischen Union, ab dem 1. August. Es war ein Schockmoment, einer dieser plötzlichen Nadelstiche in die fragile Haut transatlantischer Beziehungen. Und doch: Die europäische Reaktion bleibt ruhig, geschlossen, aber unmissverständlich. Die Handelsminister der EU-Mitgliedstaaten kamen am Montag in Brüssel zusammen – nicht mit der Faust auf dem Tisch, sondern mit einer klaren Botschaft: Wir sind bereit zu verhandeln, aber ebenso bereit, zurückzuschlagen. Dänemarks Außenminister Lars Løkke Rasmussen sprach nach dem Treffen von einer „starken Einigkeit“ im Raum. Und er meinte damit nicht nur Worte. Die EU, größter Handelspartner der Vereinigten Staaten und weltweit größter Binnenmarkt, bleibt in Habachtstellung. Die geplanten Gegenmaßnahmen wurden vorerst ausgesetzt – nicht aus Schwäche, sondern aus strategischem Kalkül. Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen sagte, Trumps Schreiben habe klargemacht: Es bleibt ein Zeitfenster bis zum 1. August. Bis dahin werde man alles daran setzen, einen verhängnisvollen Handelskrieg abzuwenden. Verhandlungen, so viel ist sicher, laufen längst – auf Hochtouren. EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič führte sie noch am Montag weiter und zeigte sich entschlossen: „Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass eine verhandelte Lösung besser ist als die Spannungen, die uns sonst bevorstehen.“

Doch der Wille zur Einigung bedeutet nicht Naivität. Der Ton ist höflich, aber der Blick wachsam. Die Kommission stellt klar: Sollte Trump seinen Kurs durchziehen, werde man mit „gut überlegten, verhältnismäßigen Gegenmaßnahmen“ antworten, um das Gleichgewicht in der transatlantischen Wirtschaftsbeziehung wiederherzustellen. Die Vorstellung, sich zurückzulehnen, während amerikanische Strafzölle europäische Wirtschaftszweige treffen – von französischem Käse über deutsche Elektronik bis zu spanischen Arzneimitteln –, steht nicht zur Debatte. Der wirtschaftliche Schaden wäre immens, nicht nur für Europa, sondern auch für die USA. Die American Chamber of Commerce in der EU, Sprachrohr zahlreicher US-Großunternehmen, warnte eindringlich vor einem Flächenbrand, der „schädliche Kettenreaktionen in sämtlichen Sektoren“ beider Volkswirtschaften auslösen könne – und lobte die EU für ihr besonnenes Verhalten. Dass Trump nach Ablauf eines 90-tägigen Moratoriums nun wieder Briefe mit Zollandrohungen verschickt, reiht sich ein in ein Muster taktischer Eskalation. Schon im April hatte er ähnliche Maßnahmen gegen zahlreiche Länder angestoßen, um Einzelabkommen zu erzwingen – ein Spiel mit dem Feuer, bei dem jede Verhandlung wie ein Testballon wirkt, jeder Rückzieher wie ein Kalkül. Dieses Mal traf es neben der EU auch Mexiko, das ebenso auf eine Frist bis Anfang August vertröstet wurde. Sollte der US-Präsident seine Drohung wahrmachen, wäre die globale Wirtschaft erneut ins Wanken gebracht – und das in einer Zeit, die ohnehin von Unsicherheiten geprägt ist.

Europas Antwort auf diesen Kurs? Geschlossenheit – aber auch neue Allianzen. In Reaktion auf die wiederholten Brüskierungen aus Washington intensiviert die EU ihre Handelsbeziehungen mit anderen Weltregionen. Šefčovič sprach am Montag davon, „die Bemühungen zur Erschließung neuer Märkte zu verdoppeln“. Das Freihandelsabkommen mit Indonesien, unterzeichnet am Wochenende während eines Besuchs des dortigen Präsidenten in Brüssel, ist nur ein Anfang. Weitere Gespräche mit Ländern des Pazifikraums – Südkorea, Japan, Vietnam, Singapur, den Philippinen – stehen an. Auch mit Mexiko und dem südamerikanischen Mercosur-Bündnis werden große Abkommen vorbereitet. Und schon nächste Woche wird Šefčovič seinen Amtskollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten empfangen. All das zeigt: Europa richtet seinen wirtschaftlichen Kompass neu aus – nicht als Abkehr von Amerika, sondern als Absicherung gegen dessen Unberechenbarkeit. Beim Gipfel mit Indonesiens Präsident betonte Ursula von der Leyen: „Wenn wirtschaftliche Unsicherheit auf geopolitische Instabilität trifft, müssen Partner wie wir enger zusammenrücken.“ In diesen Worten steckt mehr als diplomatisches Pathos – es ist die klare Erkenntnis, dass Europa handeln muss, weil andere es nicht mehr verlässlich tun. Während Trump in Washington Zölle als politische Waffe entdeckt, antwortet Brüssel mit klarem Kurs, internationalem Schulterschluss und dem Willen zur Deeskalation – notfalls mit harter Kante. Die Welt schaut zu, wie sich auf beiden Seiten des Atlantiks eine neue Handelsordnung formt. Und Europa ist entschlossen, nicht nur Statist in diesem Spiel zu sein, sondern Akteur.

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Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Ich hoffe, dass es bei dieser Entschlossenheit bleibt und Europa nicht mit „fallen Zugeständnissen“ einknickt.

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