New York City, 2. Juni 2025 – Es war ein stiller, eindringlicher Moment am Fuße eines Symbols der Hoffnung: Mehr als fünfzig Menschen versammelten sich gestern auf den Stufen der Freiheitsstatue, nicht zum Feiern, sondern zum Gedenken. Sie lasen Namen vor – 238 an der Zahl. Namen von Männern, die einst in den Vereinigten Staaten Schutz gesucht hatten und nun in einem der berüchtigtsten Gefängnisse der Welt verschwunden sind: im CECOT-Megakomplex in El Salvador. Der Protest richtete sich gegen die Regierung von Präsident Donald Trump und insbesondere gegen das von Elon Musk geleitete Department of Government Efficiency (DOGE), das maßgeblich an der Umsetzung der jüngsten Massendeportationen beteiligt ist. Organisiert wurde die Aktion in Zusammenarbeit mit dem Immigrant Defense Law Center (immdef), das bereits seit Wochen auf die rechtswidrige Abschiebung der 238 venezolanischen Männer hinweist.
„Unser Land war einmal ein Ort, der Schutz versprach. Heute lässt es Menschen verschwinden“, sagte eine Sprecherin des Centers. Die Gruppe forderte öffentlich die sofortige Rückführung der Abgeschobenen in die Vereinigten Staaten, damit diese ihr Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren wahrnehmen können.
Rechtsbruch mit Ansage
Die 238 Männer, um die es geht, wurden am 15. März 2025 mit einem Sammelflug von GlobalX Airlines in die salvadorianische Hauptstadt San Salvador gebracht – trotz offener Asylverfahren, teilweise laufender Arbeitsverträge und bestehender Gerichtsbeschlüsse. Eine vom Department of Justice (DOJ) herausgegebene interne Verfügung hatte zuvor klargestellt, dass bestimmte Migrantengruppen unter Berufung auf den Alien Enemies Act von 1798 ohne richterliche Anhörung abgeschoben werden könnten – ein Schritt, der von Verfassungsrechtlern als juristisch fragwürdig bis verfassungswidrig eingestuft wird. Was folgte, war ein Transfer in das CECOT-Gefängnis, offiziell „Centro de Confinamiento del Terrorismo“. Die Anlage wurde unter El Salvadors Präsident Nayib Bukele errichtet und ist für ihre Brutalität berüchtigt: Menschenrechtsorganisationen dokumentieren regelmäßig Misshandlungen, Einzelhaft ohne Kontakt zur Außenwelt und medizinische Vernachlässigung. Die venezolanischen Männer, so bestätigen Anwälte und Whistleblower, hatten keine Möglichkeit, ihre Familien oder Anwälte zu informieren. Für viele beginnt seither ein Schweigen, das Angst macht.
Internationale Kritik wächst
Die Aktion an der Freiheitsstatue ist Teil einer wachsenden Protestwelle in den USA und international. Die ACLU spricht mittlerweile von einem „staatlich organisierten Menschenrechtsbruch“, Amnesty International fordert einen sofortigen Abschiebestopp in Länder, in denen Folter oder Misshandlung drohen – darunter El Salvador. Auch Vertreter der Vereinten Nationen äußerten sich besorgt, darunter der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte von Migrantinnen und Migranten, Felipe González Morales. Der Fall erhält zudem dadurch Brisanz, dass viele der Abgeschobenen laut Anwälten nie ein strafrechtliches Verfahren durchlaufen hatten und als „nicht vorbestraft“ galten. Viele von ihnen hatten jahrelang in den USA gelebt, gearbeitet oder studiert. Einzelne sollen sich sogar aktiv am Wiederaufbau nach Naturkatastrophen beteiligt haben.
„Eine Verletzung des amerikanischen Versprechens“
Der Fall wird zur moralischen und politischen Bewährungsprobe – nicht nur für die Gerichte, sondern für das Selbstverständnis eines Landes, das einst „Give me your tired, your poor“ an seine Tore schrieb. „Es geht hier nicht nur um Recht – es geht um das Herz unserer Demokratie“, sagte der Verfassungsrechtler Dean Martinez gestern. Die Demonstrierenden an der Freiheitsstatue jedenfalls haben ein Signal gesetzt: Sie fordern Namen statt Zahlen, Gerechtigkeit statt Schweigen. Und sie erinnern Amerika daran, dass Freiheit nicht am Wasser beginnt – sondern im Willen, sie zu verteidigen.
