Die Lücke der Verantwortung – Wie China und Europa das grüne Vakuum füllen, das Amerika hinterlässt

VonAlan Gallardo

Juli 25, 2025

Es ist ein Moment von globaler Tragweite, eingepackt in eine nüchterne diplomatische Formulierung: China und die Europäische Union haben sich am Donnerstag zu einer gemeinsamen Klimainitiative bekannt – mit dem erklärten Ziel, die globale Erwärmung einzudämmen und das Pariser Abkommen als „Grundpfeiler der internationalen Klimakooperation“ zu stärken. Sie erwähnten die Vereinigten Staaten kein einziges Mal. Doch in jedem Satz schwang mit, was gemeint war. Denn während Washington unter Donald Trump nicht nur seinen Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen bekräftigt hat, sondern auch staatliche Förderprogramme für erneuerbare Energien demontiert, rücken Peking und Brüssel enger zusammen. Sie präsentieren sich als neue Achse des globalen Klimaschutzes – ausgerechnet in einem Moment, in dem viele Länder nach Orientierung suchen und der einstige Führungsanspruch der USA zu bröckeln beginnt. Der Tonfall der gemeinsamen Erklärung ist ebenso ruhig wie entschieden: In einer „fluiden und turbulenten internationalen Lage“ sei es entscheidend, dass große Volkswirtschaften Kurs halten und „ihre Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels verstärken“. Worte wie ein diplomatischer Seismograf – und ein klares Signal an eine Welt, in der politische Stabilität und klimapolitische Verlässlichkeit zur Mangelware geworden sind.

Trumps Klimapolitik beruht auf dem Rückzug aus internationalen Abkommen, der Förderung fossiler Energien und der systematischen Schwächung nationaler Umweltstandards. Um den daraus resultierenden Schaden für das Klima und die globale Zusammenarbeit so gering wie möglich zu halten, arbeiten internationale Akteure, investigative Journalisten, unter anderem auch wir durch mediale Aufklärung oder kostenlose Vorträge , Bundesstaaten und NGOs mit vereinten Kräften an einer Gegenstrategie.

Zwischen China und der EU ist das Verhältnis alles andere als spannungsfrei. Die EU kritisiert regelmäßig Pekings anhaltende Abhängigkeit von Kohle – China verbrennt mehr davon als jedes andere Land in der Geschichte. Zudem werfen europäische Hersteller dem Reich der Mitte vor, den Weltmarkt mit billigen E-Autos zu fluten. Peking wiederum sieht in der neuen CO₂-Grenzsteuer der EU – die etwa den Export von chinesischem Stahl verteuert – ein protektionistisches Instrument. Und auch in geopolitischen Fragen wie dem Ukrainekrieg stehen sich beide Seiten gegenüber. Und dennoch: In einem Punkt finden China und Europa nun zusammen. Beide erkennen an, dass der Klimawandel eine existentielle Bedrohung ist – und dass in Abwesenheit amerikanischer Führung eine neue Verantwortung auf ihnen lastet. „Trotz tiefgreifender Differenzen liefert die Erklärung eine bescheidene, aber bedeutende Erleichterung“, sagte Li Shuo vom China Climate Hub des Asia Society Policy Institute auf Nachfrage. Was diese Annäherung besonders brisant macht: Sie zielt auch darauf, die Spannungen rund um den globalen Handel mit grüner Technologie zu entschärfen. China verfolgt seit Jahren eine staatlich gestützte Strategie, um sich als weltweiter Hauptlieferant für Windräder, Solarzellen, moderne Batterien und Elektrofahrzeuge zu etablieren. 2024 hat das Land mehr Solarpaneele und Windräder installiert als der gesamte Rest der Welt zusammen. Seine E-Autos fahren durch Mailand, Mumbai und bald auch durch São Paulo, während chinesische Montagewerke von Thailand bis in die Türkei wachsen – teils sogar in Ländern wie Saudi-Arabien.

Doch dieser grüne Aufstieg hat einen grauen Schatten: Die Produktion dieser Technologien ist in China selbst hochgradig CO₂-intensiv, nicht zuletzt wegen der zahlreichen Kohlekraftwerke, die die gigantischen Fabriken speisen. Laut einer aktuellen Analyse des Fachportals Carbon Brief emittierten allein die Exportfabriken für Solarpaneele, Windräder und Batterien im Jahr 2024 rund 110 Millionen Tonnen CO₂. Gleichzeitig jedoch, so derselbe Bericht, könnten die exportierten Produkte weltweit für eine Emissionsreduktion von rund einem Prozent sorgen – ein bemerkenswerter Nettoeffekt. Das gemeinsame Versprechen von China und der EU umfasst auch die Vorlage neuer Emissionsziele vor dem nächsten Weltklimagipfel (COP), der im November in Brasilien stattfinden wird. Die EU-Kommission hat bereits eine 90-prozentige Emissionsminderung bis 2040 (gegenüber 1990) vorgeschlagen – ein ehrgeiziges Ziel, das jedoch noch nicht vom Europäischen Parlament bestätigt wurde. China hält sich zu eigenen Zielsetzungen bislang bedeckt. Ob die USA überhaupt Vertreter zur COP schicken werden, ist unklar. Und noch bleibt offen, ob die neuen Ziele tatsächlich ausreichen werden, um das Ziel des Pariser Abkommens – die Erderwärmung „deutlich unter 2 Grad Celsius“ zu halten – zu erreichen. Doch allein die Tatsache, dass diese Erklärung zustande kam, wertet die Klimaexpertin Kaysie Brown von der europäischen Denkfabrik E3G als „ein bedeutsames und dringend benötigtes Signal erneuerter Führungsbereitschaft – in einem Moment, in dem der globale Ehrgeiz zu versiegen droht“. Während die USA sich aus der Verantwortung schleichen, füllen andere das Vakuum – nicht unbedingt aus Einigkeit, sondern aus Einsicht. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit – und der Wind, der ihn antreibt, weht nicht mehr aus Washington.

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Helga M.
Helga M.
2 Monate zuvor

Das ist doch schonmal etwas. Lasst Trump und Co rechts liegen. Da kommt eh nichts Gutes von. Südamerika und Australien, Japan könnten gern auch mit eingebunden werden.

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Es ist ein Schritt.
Ein kleiner Schritt, aber der geht in die richtige Richtung

Carsten Enders
Carsten Enders
2 Monate zuvor

Sehr guter Artikel und Hoffnung !!!

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