Die Inszenierung der Heilung

VonRainer Hofmann

Mai 23, 2025

Wie Donald Trump den Autismus neu deutet und echte Gesundheitsgefahren ignoriert.

Es war eine Szene, wie sie im neuen Amerika immer öfter vorkommt: Donald Trump sitzt neben seinem umstrittenen Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. auf einer Bühne, spricht von einer „künstlich ausgelösten Autismus-Epidemie“ und präsentiert die Kommission „Make America Healthy Again“ (MAHA) als Bollwerk gegen ein vermeintlich korruptes Gesundheitssystem. Eine Szene, in der Wissenschaft, Politik und Ideologie aufeinanderprallen – und in der am Ende die Wahrheit auf der Strecke bleibt.

Trump behauptet: Autismus „muss künstlich ausgelöst worden sein“. Früher sei es „1 in 10.000“ gewesen, heute „1 in 31“. Das könne „nicht natürlich sein“. Der Satz fällt beiläufig, fast schon lässig, doch seine Wirkung ist gravierend: Er reiht sich ein in eine Serie populistischer Angriffe auf medizinische Realität – getragen von Mythen, Fehlinformationen und tiefem Misstrauen gegenüber Wissenschaft und Aufklärung.


Eine wissenschaftlich widerlegte Behauptung

Die Idee, Autismus sei eine Folge „künstlicher Einflüsse“ – etwa durch Impfstoffe oder Lebensmittelzusätze –, entstammt einer Verschwörungserzählung, die spätestens seit der gefälschten Studie des britischen Arztes Andrew Wakefield im Jahr 1998 in der Welt ist – und längst widerlegt wurde. Weltweit bestätigen tausende Studien: Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus.

Trotzdem wiederholt Trump diese Mär, flankiert von einem Gesundheitsminister, der seit Jahren Impfgegner mobilisiert. Es ist ein kalkuliertes Spiel mit Ängsten. Ein politischer Angriff auf das Vertrauen in medizinische Institutionen, kaschiert als Fürsorge für Kinder.

Symbolpolitik ohne Konsequenz

Trump inszeniert sich als Aufklärer. Seine Kommission, so sagt er, wolle die Ursachen bekämpfen – unter anderem durch das „Aussortieren“ künstlicher Farbstoffe. Acht davon sollen verschwinden, darunter die aus Erdöl gewonnenen Varianten Red 40 oder Yellow 5. Die FDA hatte zuvor vor möglichen Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern gewarnt – nicht aber auf Autismus.

Die Wahrheit ist: Diese Maßnahmen sind kosmetisch. Sie sollen Handlungsfähigkeit signalisieren, während an anderer Stelle systematisch zerstört wird, was Kindergesundheit tatsächlich schützt.

Der Widerspruch zur Kohlepolitik

Denn während Trump über Lebensmittelfarbstoffe spricht, lässt er gleichzeitig Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen. Er hebt Grenzwerte für Quecksilber und Feinstaub auf, schwächt die Umweltschutzbehörde EPA und erlaubt Emissionen, die laut WHO Asthma, neurologische Störungen, Frühgeburten und Krebs fördern – besonders bei Kindern.

Der Widerspruch könnte größer kaum sein: Hier die Sorge um Farbstoffe. Dort die massenhafte Rückführung toxischer Industrien. Hier die Warnung vor „übermedikalisierten Kindern“.
Dort der Rückbau wissenschaftlicher Standards. Ein ideologisches Gesundheitsnarrativ

Die MAHA-Kommission benennt in ihrem Bericht vier Faktoren, die Kindern schaden sollen: ultraverarbeitete Lebensmittel, Umweltgifte, digitale Medien und „Übermedikalisierung“. Was fehlt: klare Handlungsempfehlungen, wissenschaftliche Belege, ein ernsthafter Blick auf Ursachen wie Armut, strukturellen Rassismus, Luftverschmutzung und Zugang zu frühkindlicher Bildung.

Was bleibt, ist ein Narrativ: Die Industrie ist schuld. Das System ist gekauft. Nur Trump kennt die Wahrheit. Nur Trump schützt unsere Kinder. Es ist ein politisch aufgeladener Gesundheitsbegriff, der sich weniger um Medizin als um Macht dreht.

Autismus als politisches Instrument

Trumps Aussagen zur Autismusrate sind Teil eines größeren Spiels: Sie fügen sich ein in einen autoritär-populistischen Stil, der wissenschaftliche Komplexität simplifiziert, Misstrauen schürt und sich als Retter inszeniert – gegen ein „System“, das angeblich nichts mehr schützt.

Doch wer Kinder wirklich schützen will, braucht mehr als Schlagworte. Er braucht Politik, die Luft rein hält, Bildung zugänglich macht, Familien stärkt und Krankheiten nicht instrumentalisiert, sondern bekämpft – mit Wissen statt Ideologie.

Trumps Kampagne gegen Autismus ist keine gesundheitspolitische Wende. Sie ist ein Rückfall in die dunklen Muster einer Politik, die lieber Symptome dämonisiert als Ursachen anzugehen. Eine Politik, die Lügen als Wahrheit verkauft – und dabei die Schwächsten in ihrer Unsicherheit zurücklässt.

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