Die Inszenierung der Annäherung – Trumps Moskau-Moment war nie echt

VonRainer Hofmann

Oktober 21, 2025

Was sich gestern noch wie eine diplomatische Neuauflage des Kalten Krieges anhörte, entpuppt sich heute als das, was es von Anfang an war: ein weiterer Bluff aus dem Weißen Haus. Schon am Montagabend hatten Recherchen darauf hingedeutet, dass Donald Trumps angeblich bevorstehendes Treffen mit Wladimir Putin in Budapest nie ernsthaft geplant war. Heute bestätigt sich: Es war wieder einmal nichts als eine Inszenierung – ein kalkulierter Nebel aus Andeutungen, Dementis und politischem Theater. Ein Sprecher des Weißen Hauses erklärte nun offiziell, Präsident Trump habe „derzeit keine Pläne für ein Treffen mit Präsident Putin“. Dieselbe Regierung, die vor wenigen Tagen gezielt Gerüchte über einen angeblich unmittelbar bevorstehenden Friedensgipfel in Europa gestreut hatte, tut plötzlich so, als sei nie davon die Rede gewesen. Was bleibt, ist der Eindruck einer Außenpolitik, die weniger von Strategie als von Stimmung geleitet wird – und die Welt als Kulisse ihrer eigenen Schlagzeilen benutzt.

Schon seit Wochen, sagen Beamte im Außenministerium, verläuft die Kommunikation zwischen Washington und Moskau über informelle Kanäle – über inoffizielle Emissäre, Lobbyisten, und, so heißt es, alte Bekannte aus Trumps erster Amtszeit. Das Gerücht eines Budapest-Treffens sei, so ein Diplomat, „von innen gestreut worden, um außen Wirkung zu erzeugen“. Ein psychologisches Manöver, kein diplomatisches. Ziel sei es gewesen, Trump als Vermittler zwischen Ost und West zu inszenieren, als Friedensmacher wider die Institutionen – und damit als den Mann, der das vollbringt, was Biden und die Europäer nicht geschafft hätten. Doch der Plan fiel in sich zusammen, kaum dass er geäußert war. In Brüssel reagierte man irritiert, in Kiew entsetzt, in Moskau – so berichten Insider – mit einem Anflug von Spott. Putin, der politische Mathematiker, hat gelernt, Trumps impulsive Andeutungen als Berechnungsfehler zu verbuchen. Er weiß, dass zwischen einem Tweet und einem Treffen Welten liegen.

Trumps Team wollte den Eindruck einer neuen außenpolitischen Dynamik erzeugen, doch tatsächlich enthüllt das Dementi aus dem Weißen Haus, wie wenig Strategie hinter der Rhetorik steckt. Das Muster ist vertraut: Erst wird eine Erzählung platziert – vom großen Friedensplan, der „beide Seiten zusammenbringen“ soll –, dann folgt die Rücknahme, die das eigene Machtzentrum entlastet und zugleich die öffentliche Aufmerksamkeit maximiert. Der Effekt: Trump bleibt im Mittelpunkt, auch wenn nichts geschieht.In den Fluren des Weißen Hauses spricht man inzwischen offen davon, dass die Kommunikation über Russland „bewusst nebulös“ gehalten werde. Es gehe darum, Erwartungen zu erzeugen, nicht um sie zu erfüllen. Selbst hochrangige Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats erfuhren offenbar erst aus den Medien von den Budapest-Plänen. Einer von ihnen sagte gegenüber einem europäischen Kollegen, es sei „wie jeden Tag eine andere Wetterlage – keiner weiß, welches Klima morgen herrscht“.

Dabei fügt sich die Episode in ein größeres Bild: Trumps Außenpolitik der zweiten Amtszeit ist eine Politik des Eindrucks, keine der Struktur. Sie funktioniert durch Schockwellen, nicht durch Systeme. Heute eine Einladung an Putin, morgen eine Drohung gegen die NATO, übermorgen ein Dementi – jede Bewegung dient nur dem Erhalt der Illusion, dass der Präsident handelt, während er in Wahrheit reagiert.

Besonders auffällig ist, dass die Kehrtwende diesmal nicht zufällig kam. Sie fiel zeitlich zusammen mit wachsender Kritik an der chaotischen Lage im Nahen Osten, wo Vizepräsident J.D. Vance in Israel versuchte, Trumps Politik zu erklären, ohne sie zu verstehen. Während Vance im Fernsehen schwieg, weil er nicht wusste, wie man einen bröckelnden Waffenstillstand verteidigt, versuchte das Weiße Haus, mit dem Putin-Gerücht das mediale Gleichgewicht wiederherzustellen. Ein klassisches Ablenkungsmanöver – die alte Schule des Trumpismus: Chaos verschiebt, was Krise überdeckt.

Was von der Budapest-Episode bleibt, ist ein Lehrstück über Macht und Manipulation. Es zeigt, wie dünn die Trennlinie zwischen diplomatischem Kalkül und PR geworden ist – und wie die Institutionen des Staates längst zum Werkzeug eines Präsidenten geworden sind, der sie nie verstehen, sondern nur benutzen wollte.

„Es war nie um Frieden gegangen“, sagt ein ehemaliger Sicherheitsberater. „Es ging darum, den Eindruck zu erzeugen, dass nur Trump Frieden schaffen kann. Und wenn das Publikum einmal klatscht, ist der Zweck erfüllt.“ Doch in dieser Inszenierung steckt auch ein gefährlicher Subtext: Wenn die Glaubwürdigkeit der US-Außenpolitik zur Requisite wird, verlieren die Worte Gewicht – und damit auch die Fähigkeit, Krisen zu entschärfen, bevor sie eskalieren.

Europa, das bei Trumps Ankündigungen stets zwischen Hoffnung und Schock pendelt, lernt gerade, was es bedeutet, in einer Welt zu leben, in der Wahrheit nur eine Option unter vielen ist. Was also bleibt? Ein Präsident, der jeden Tag neue Bilder malt, um alte zu übertünchen. Ein Russland, das längst begriffen hat, wie man in diesem Chaos spielt. Und ein Westen, der nicht merkt, dass er sich gerade in der Kulisse seiner eigenen Täuschung bewegt. Die Wahrheit ist einfach: Es gab nie einen Plan. Nur den Wunsch, dass man an ihn glaubt, und alle fielen wieder darauf rein.

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Irene Monreal
Irene Monreal
3 Stunden zuvor

Aufmerksamkeit, während 7 Mio gegen die Zerstörung der Demokratie auf die Straße gehen, Ablenkung, um Selenskyj auf’s Wartegleis zu stellen und das einzige was ihn interessiert sind „sein Ballsaal“ und demnächst der „Arc de Trump“ 🤢

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