Die Hände, die helfen – und die Hände, die greifen – Warum Mexikaner in Texas Leben retten, während ICE Familien zerstört

VonRainer Hofmann

Juli 11, 2025

Es ist ein heißer, schwerer Sommer in Texas, der Boden dampft noch von den Wassermassen, die sich wie eine biblische Plage über das Land ergossen haben. Schlamm bedeckt Straßen, das Holz der Häuser fault in der Sonne, und aus den Trümmern steigen die Hände derer, die geblieben sind, um zu helfen. Viele von ihnen sprechen Spanisch. Viele sind aus Mexiko. Manche ohne Papiere. Alle mit Herz. Sie bergen Leichen aus eingestürzten Häusern. Sie retten Kinder aus überfluteten Kellern. Sie schaufeln Trümmer weg, löschen Brände, tragen alte Frauen aus ihren zerstörten Heimen. Während sich die Fernsehkameras auf Gouverneurin Kristi Noem richten, die in eleganten Stiefeln durch das Krisengebiet schreitet, bleiben diese Helfer ohne Namen. Ohne Status. Ohne Schutz. Und doch sind es ihre Hände, die Texas wieder zusammensetzen.

Zur selben Zeit, nur ein paar Flugstunden entfernt, herrscht in Los Angeles eine andere Art von Sturm. Kein Wasser, kein Wind – sondern Angst. Die Straßen sind ruhig, aber nicht friedlich. Die Fensterläden vieler Geschäfte bleiben geschlossen. Nicht wegen der Flut, sondern wegen der Bundesbehörde ICE – dem Immigration and Customs Enforcement, dem scharfen Zahn einer Regierung, die ihre Macht nicht mehr erklärt, sondern zeigt. Hier helfen keine Mexikaner. Hier fliehen sie. In Kalifornien berichten Kliniken, dass Patienten ihre Termine absagen – aus Furcht, auf dem Parkplatz von ICE-Agenten erwartet zu werden. Ein kleiner Junge wird aus einer Arztpraxis verschleppt, seine Mutter schreit, vergeblich. Eine andere Familie kehrt vom Supermarkt zurück und findet ihre Wohnung leer – weil der Vater auf dem Heimweg verhaftet wurde. Im Namen der Sicherheit, heißt es. Im Namen des Gesetzes. Doch welches Gesetz schützt die, die in Texas Leben retten – und in Kalifornien verfolgt werden?

Inmitten dieser Paradoxie wird sichtbar, wie gespalten Amerika ist. Gespalten nicht nur in Republikaner und Demokraten, nicht nur in Arm und Reich – sondern in die, die helfen dürfen, und die, die dafür bestraft werden. Der Kontrast könnte kaum schärfer sein: Hier Menschen mit Dreck an den Händen, die retten, was noch zu retten ist. Dort Männer in Uniform, die greifen, was sich nicht mehr wehren kann. Die Amerikaner spüren das. Laut neuesten Umfragen lehnt eine große Mehrheit der Bevölkerung die Praxis von ICE ab. In Städten wie Chicago, Denver oder New York finden wöchentlich Proteste statt – still manchmal, laut oft. Banner mit der Aufschrift „Abolish ICE“ hängen an Brücken. Kirchen öffnen ihre Keller als Zufluchtsorte. Selbst konservative Farmer in Nebraska äußern Zweifel: „Was bringt mir ein Land ohne Mexikaner? Wer soll die Felder bestellen, wenn wir sie alle deportieren?“ Und während Präsident Trump in Washington von Ordnung spricht, wächst im Land das Gefühl, dass Gerechtigkeit nicht mehr die Sprache der Regierung spricht. Dass Menschlichkeit und Gesetz sich voneinander entfernt haben wie zwei Kontinente im Drift.

Es ist eine historische Ironie, dass ausgerechnet jene, die unter der Politik dieser Regierung am meisten leiden, diejenigen sind, die in der Not am stärksten helfen. Es sind nicht ICE-Agenten, die Leichen bergen. Es sind keine Trump-Wähler, die bei 42 Grad in Schlamm und Diesel arbeiten. Es sind die, die nicht gewählt werden durften – aber leben, als hätten sie es verdient. Vielleicht ist es die Zeit, in der Amerika eine neue Form von Patriotismus erkennen muss und die letzten Umfragen zeigen: Es tut sich was. Einen, der nicht durch Pass oder Papiere definiert ist, sondern durch Haltung. Durch Hände, die geben, statt nehmen. Und durch Menschen, die wissen, dass man ein Land nicht liebt, indem man es abgrenzt – sondern indem man es gemeinsam wieder aufbaut. Stein für Stein. Leben für Leben. Muchas gracias.

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Lea
Lea
3 Monate zuvor

Wieweit sind die MexikanerInnen, die helfen, vor ICE geschützt?

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor
Antwort an  Lea

Das frage ich mich auch.
Da fällt mir spontan der alte Spruch ein „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“
Hoffentlich passiert den Helfern nichts, weil Tru** doch für die Sicherheit der US Bûrger Sorgen muss und alle aus Süden kommenden Menschen für ihn per se Irre und Kriminelle ….

Katharina Hofmann
Admin
3 Monate zuvor
Antwort an  Lea

…solange sie helfen, sind sie es „wohl“, danach….

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor
Antwort an  Katharina Hofmann

Nachdem Tod eines Arbeiters in Kalifornien würde ich meine Hilfe überdenken.

Denn die, die ich heute aus dem schlamm ziehen, sind morgen vermutlich die, die mit dem Finger auf mich zeigen und rufen „illegal“

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