Deutschland – Ein Blick in den möglichen Abgrund

VonRainer Hofmann

September 30, 2025

Die Bundesrepublik taumelt. Nicht plötzlich, nicht überraschend, sondern mit der schleichenden Gewissheit eines Zuges, der längst die Weichen überfahren hat. Was sich in den Social-Media-Feeds rechter Politiker abspielt, ist mehr als politisches Geplänkel – es ist das Drehbuch einer Transformation, die niemand bestellt hat und doch alle mittragen.

Maximilian Krah, ehemaliger AfD-Europaabgeordneter, – gegen Maximilian Krah prüft die Generalstaatsanwaltschaft Dresden derzeit mögliche Geldflüsse aus Russland und China sowie den Verdacht auf Abgeordnetenbestechung. Parallel läuft ein Verfahren wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit im Amt und möglicher Geldwäsche im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Europäischen Parlament -, verkündet auf X die Rettung durch Trump und seine Partei. „Klimawahn heißt Deindustrialisierung. Unausweichlich. Trump hat recht. Und nur die AfD wird es stoppen!“ Die Worte hallen durch den digitalen Raum, während Bosch 13.000 Arbeitsplätze streicht. Die Realität und ihre Interpretation driften auseinander wie Kontinentalplatten, und in der entstehenden Kluft gedeiht etwas Neues, etwas Beunruhigendes.

Aus ökonomischer Sicht, Recherchen, Gesprächen mit Fachleuten ist klar: Die Hauptverantwortung für den heutigen Scherbenhaufen trägt eine rechte Politik, die schon in der Opposition durch Blockadeanträge, Klimaleugnung und Hetzrhetorik den notwendigen Transformationsprozess torpediert hat. Sie hat nicht regiert, aber durch permanenten Druck, durch das Schüren von Angst vor „Verboten“ und „Klimadiktatur“ das gesamte politische Klima vergiftet und damit klare Entscheidungen verhindert. Diese Verunsicherung hat Unternehmen wie Bosch in eine gefährliche Zwischenwelt gezwungen – zu spät aus den alten Märkten ausgestiegen, zu schwach in den neuen eingestiegen. Das Resultat sind verlorene Jahre, die heute tausende Jobs kosten.

Der CO₂-Preis wird von Maximilian Krah bewusst zum politischen Kampfbegriff degradiert. Er behauptet, man müsse nur den „Klimawahn vergessen“, dann verschwinde auch der Preis – als sei die Erderwärmung eine bloße Meinungsfrage und als ließen sich physikalische Gesetze durch Parlamentsbeschlüsse außer Kraft setzen. Doch genau darin liegt der fundamentale Irrtum. Der CO₂-Preis ist keine ideologische Spielerei, sondern ein marktwirtschaftliches Instrument, das Kosten von Emissionen sichtbar macht und Innovationen in klimafreundliche Technologien fördert. Wer ihn diffamiert, blendet aus, dass Unternehmen und Investoren Planungssicherheit brauchen, um in Zukunftstechnologien zu investieren. Wird diese Sicherheit zerstört, schadet das nicht nur dem Klima, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Firmen, die im globalen Vergleich ohnehin unter Druck stehen. Krah irrt doppelt: Er leugnet naturwissenschaftliche Realitäten und er verhindert ökonomische Anpassungen, die langfristig über Arbeitsplätze und Wohlstand entscheiden. Wer den CO₂-Preis als „Klimawahn“ diffamiert, blockiert also nicht nur Klimaschutz, sondern schwächt gezielt die Grundlagen einer innovationsgetriebenen Wirtschaft.

Maximilian Krah missbraucht ein echtes Handelsblatt-Cover, um seine eigenen Parolen darunterzuschieben – so wirkt es, als stamme die Polemik direkt aus dem Artikel. In Wahrheit hat das Handelsblatt sachlich berichtet, dass der steigende CO₂-Preis die Industrie belastet, weil kostenlose Zertifikate auslaufen und Kosten steigen. Krah macht daraus den Vorwand, der Preis sei bloß „politisch“ und verschwinde, wenn man den „Klimawahn“ vergesse. Genau wie Trump arbeitet er mit Verzerrung: seriöse Berichterstattung wird als Bühne missbraucht, um Ideologie als Fakt zu verkaufen.

Die transatlantische Verbrüderung des Ressentiments

Was sich hier abzeichnet, ist keine isolierte deutsche Entwicklung. Es ist die Amerikanisierung des politischen Diskurses, importiert über die gleichen Kanäle, die einst Hoffnung auf globale Vernetzung versprachen. Krah lobt Trumps „Friedensplan“ für den Nahen Osten, feiert die Unterstützung durch „maßgebliche islamische Staaten“. Die Realität? Eine gemeinsame Erklärung, die vor allem eines zeigt: Die Sehnsucht nach einfachen Lösungen in einer komplex verwobenen Welt. Die Außenminister von Katar, Jordanien, den Emiraten, Indonesien, Pakistan, der Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten haben Trumps Plan begrüßt, den Krieg in Gaza zu beenden, den Wiederaufbau zu fördern und eine Zwei-Staaten-Lösung anzustreben. Sie lobten seine Ankündigung, keine Annexion des Westjordanlands zuzulassen, und versprachen Zusammenarbeit mit den USA und den „Parteien“. Hamas wird in der Erklärung bewusst nicht erwähnt. Der Friedensplan selbst fordert eine sofortige Waffenruhe, die Freilassung aller israelischen Geiseln und im Gegenzug die Freilassung palästinensischer Gefangener. Israel soll sich schrittweise zurückziehen, während eine internationale Stabilisierungstruppe Sicherheit garantiert. Gaza soll von einem technokratischen Komitee unter Aufsicht der USA verwaltet werden, Hamas soll vollständig entwaffnet und ausgeschlossen werden. Gleichzeitig wird massiver Wiederaufbau versprochen, finanziert durch internationale Hilfen und Sonderwirtschaftszonen. Langfristig soll Gaza in einen palästinensischen Staat integriert werden, der mit dem Westjordanland verbunden ist. Realistisch betrachtet ist es absurd zu glauben, dass Hamas diesem Plan zustimmen würde.

Er verlangt ihre totale Selbstaufgabe – und wer glaubt, dass diese Terrororganisation freiwillig ihre eigene Existenzgrundlage vernichtet, ist schlicht naiv und zeigt auf, wie wenig er von der Materie versteht.

Und es geht weiter in der kranken AFD-Welt. Die Slowakei, so jubelt Krah weiter, erkenne nur noch zwei Geschlechter an. Als wäre dies der Gradmesser politischen Fortschritts, als ließe sich gesellschaftliche Realität durch eine Verfassungsänderung ausradieren. In Wahrheit werden damit fundamentale Rechte von Minderheiten beschnitten: trans- und intergeschlechtliche Menschen verlieren den rechtlichen Schutz ihrer Identität, medizinische Versorgung und soziale Anerkennung geraten unter Druck, und Diskriminierung wird staatlich legitimiert. Was Krah als Sieg feiert, bedeutet für viele Menschen ganz konkret den Verlust von Würde und Sicherheit. Die kulturkämpferischen Schlachtfelder Amerikas werden eins zu eins auf europäischen Boden übertragen, ohne Rücksicht auf historische Erfahrungen, ohne Verständnis für die lokalen Kontexte Osteuropas, in denen Demokratie ohnehin fragil bleibt. Die Folgen reichen weit über die betroffenen Minderheiten hinaus: die Slowakei isoliert sich in der EU, riskiert Vertragsverletzungsverfahren und gefährdet ihre Position in Verhandlungen über Rechtsstaatlichkeit und Fördermittel. Wer solche Gesetze begrüßt, treibt das Land tiefer in die Arme autoritärer Partner wie Russland oder Ungarn und untergräbt die Grundlagen des europäischen Projekts. Der Spiegel-Artikel selbst wählte einen sachlich-berichtenden Ton. Er stellte den Vorgang als „umstrittene Verfassungsänderung“ dar, erklärte die Nähe von Premier Robert Fico zu Autokraten und verwies auf die juristischen Konflikte mit der EU, die sich daraus ergeben. Die konkreten Folgen für Minderheiten wurden angedeutet – etwa dass Rechte beschnitten und EU-Vorgaben übergangen würden –, blieben aber eher knapp dargestellt. Eine tiefergehende Analyse der gesellschaftlichen und menschenrechtlichen Auswirkungen wurde nicht ausgeführt, vielmehr lag der Schwerpunkt auf der politischen Dimension des drohenden Konflikts zwischen Bratislava und Brüssel.

Krah gibt sich den Anschein des tief Religiösen, doch seine vermeintliche Frömmigkeit ist nichts weiter als ein politisches Kostüm. Was er als Rückbesinnung auf das Christentum verkauft, ist in Wahrheit eine kalkulierte Instrumentalisierung von Glauben, um kulturelle Grenzlinien zu ziehen. Der Glaube wird nicht gelebt, sondern missbraucht – die Heilige wackelt, wenn sie zur Staffage einer Partei wird, die Hass und Spaltung im Programm führt. Indem er das Gebet des Erzengels Michael in einen rechten Narrativrahmen einbindet, mißbraucht er die religiöse Botschaft und macht sie zur Waffe gegen politisch definierte „Feinde“. So verwandelt er Religion in ein Requisit für seine Ideologie – nicht mehr Quelle von Hoffnung und Gemeinschaft, sondern Mittel zur Machterhaltung. Made in USA.

Unterdessen trauert die in der Schweiz ansässige Alice Weidel weiterhin öffentlich um Charlie Kirk, den amerikanischen Rechtspopulisten, und beklagt das angebliche „absurde Zerrbild“ deutscher Berichterstatter. Was sie dabei verschweigt: Kirk war kein harmloser Aktivist, sondern ein rechtsextremer Hassprediger, der jahrelang mit Hetze gegen Migranten, LGBTQ-Menschen und politische Gegner Schlagzeilen machte und an Universitäten gezielt den Boden für Radikalisierung bereitete. Wer ihn jetzt verklärt, übernimmt nicht nur die Narrative amerikanischer Extremisten, sondern trägt sie direkt in den deutschen Diskurs hinein. Damit verschwimmen die Grenzen zwischen vermeintlich legitimer politischer Positionierung und der offenen Übernahme von Feindbildern, die Demokratien spalten sollen. Was gestern noch undenkbar schien, wird heute getwittert und morgen zur Parteilinie – ein Prozess, der nicht nur Weidels politisches Kalkül offenlegt, sondern auch zeigt, wie bereitwillig die AfD internationale Hetzfiguren in ihr eigenes ideologisches Arsenal integriert. Kritisch ist dabei nicht nur die Würdigung einer Person, die in den USA mitverantwortlich für die Radikalisierung einer ganzen Generation gilt, sondern auch die bewusste Diffamierung unabhängiger Medien, die Kirk zu Recht als gefährlichen Agitator beschrieben haben. Weidel erweist sich damit nicht als nationale Stimme, sondern als Lautsprecher einer transatlantischen Extremismusachse.

Der Blick in den Abgrund

Die Umfragen zeichnen ein verstörendes Bild: 27 Prozent für die AfD, mehr als jeder vierte Deutsche. Die Union folgt mit 24 Prozent, leicht abgeschlagen und orientierungslos. Friedrich Merz, Bundeskanzler, erreicht in Zufriedenheitswerten neue Tiefpunkte. 65 Prozent der Befragten sind unzufrieden mit seiner Arbeit.

Merz selbst scheint gefangen in Phrasen der Neunzigerjahre, während Krah höhnisch kommentiert: „Die Lage ist schlimmer als die Stimmung“, ein Zitat von Jens Spahn, das plötzlich zur rhetorischen Waffe gegen die eigene Parteiführung umfunktioniert wird. Spahn, einst Gesundheitsminister, hat sich längst von einer nüchternen Sachpolitik entfernt und pflegt den Gestus des permanenten Stimmungsmachers – mehr AfD als CDU, mehr republikanischer Kulturkämpfer als konservativer Demokrat. Seine Einwürfe verstärken nicht nur die Schwäche von Merz, sie zeigen auch, wie tief die Union in einem Identitätskampf steckt: zwischen der Sehnsucht nach seriöser Regierungspolitik und der Versuchung, durch populistische Parolen ein Terrain zu bespielen, das längst von Rechtsaußen besetzt ist. Während Krah diese Selbstzerfleischung mit Häme kommentiert, verliert die Union ihre Glaubwürdigkeit als Volkspartei. Sie wirkt wie ein Boxer, der nicht bemerkt, dass der Gegner längst mit anderen Regeln kämpft – mit Schlagzeilen, Social-Media-Provokationen und der skrupellosen Verkürzung komplexer Probleme. Spahns ständige Grenzgänge nach rechts tragen dazu bei, dass die CDU/CSU nicht als eigenständige Kraft wahrgenommen wird, sondern als blasse Kopie jener Kräfte, die sie angeblich bekämpfen will. Damit schwächt er nicht nur Merz, sondern den demokratischen Diskurs insgesamt.

Was wir erleben, ist keine normale politische Verschiebung. Es ist die systematische Erosion demokratischer Diskurskultur, befeuert durch Algorithmen, die Empörung belohnen und Differenzierung bestrafen. Jeder Tweet ein Brandsatz, jeder Post ein Manifest. Die digitale Öffentlichkeit, einst als Agora der Moderne gefeiert, mutiert zur Arena, in der nicht Argumente siegen, sondern Affekte.

Julia Klöckner und Jens Spahn wirken wie Bremssteine für Fortschritt und Moral, ihre Rhetorik erinnert oft mehr an die AfD als an eine CDU/CSU mit Verantwortung. Doch Oklahoma ist nicht Deutschland – wer hier amerikanische Kulturkämpfe importiert, schwächt die Demokratie, statt sie zu stärken.

Mit Alexander Dobrindt als Innenminister und Wolfram Weimer als Kulturchef wirkt die Bundesregierung wie eine Karikatur der deutschen MAGA-Variante – konservative Nostalgie trifft auf kulturkämpferische Pose, als hätte man Trump auf Bayerisch und Biedermeier übersetzt.

Die Mechanik der Radikalisierung

Social Media ist nicht nur Medium, es ist Motor dieser Entwicklung. Die Plattformen, designed in Silicon Valley, optimiert auf Engagement um jeden Preis, werden zu Brandbeschleunigern gesellschaftlicher Spaltung. Krah, Weidel und ihre Mitstreiter haben verstanden, was die demokratische Mitte noch begreift: In der Ökonomie der Aufmerksamkeit zahlt sich Krawall aus. Jede Empörungswelle trägt sie höher, jeder Skandal macht sie sichtbarer. Die traditionellen Gatekeeper der Information – Journalisten, Wissenschaftler, Experten – werden umgangen, ihre Einordnungen als „Lügenpresse“ diskreditiert. Stattdessen etabliert sich eine Parallelöffentlichkeit, in der alternative Fakten nicht mehr hinterfragt, sondern gefeiert werden.

Die Frage, die sich die deutsche Gesellschaft stellen muss, ist fundamental: Reichen unsere Abwehrmechanismen? Oder bedarf es einer grundlegenden Neuausrichtung im Umgang mit den digitalen Brandsätzen, die täglich in unsere Timelines gespült werden?

Der Preis der Passivität

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, heißt es. Der Reim, der sich hier andeutet, sollte jeden Demokraten alarmieren. Wenn 27 Prozent einer Bevölkerung bereit sind, einer Partei zu folgen, die offen mit Autokraten sympathisiert, die wissenschaftliche Erkenntnisse leugnet und gesellschaftliche Minderheiten stigmatisiert, dann steht mehr auf dem Spiel als eine Legislaturperiode.

Die Zahlen der AfD in Ostdeutschland sind alarmierend und sollten zum Nachdenken zwingen: Wiedervereinigung ist kein Schnellschuss, sondern ein Prozess, der Jahrzehnte braucht — realistisch gerechnet mehr als ein halbes Jahrhundert. Die AfD gab es zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 noch gar nicht – sie wurde erst 2013 gegründet, einen Punkt, der oft untergeht. Wer die Lage ausschließlich an individuellen Härten misst, übersieht die größere Weltlage und die strukturellen Herausforderungen, die Ost und West noch immer trennen. Die Wahlentscheidungen im Osten verschärfen das Problem eher, weil sie radikale Lösungen fördern statt konstruktiver Konsolidierung. Wer sich nach autoritärer Ordnung sehnt, kann der AfD seine Stimme geben — aber das Erwachen wird brutal sein, wenn diese Kräfte an die Macht kommen: Besonders der Osten würde dann massiv härter getroffen, und aus der eigenen Geschichte hätte man eigentlich gelernt, welche Folgen das hat. Gleichzeitig darf man nicht die Realität ausblenden: Vielen Menschen in Deutschland geht es nach wie vor vergleichsweise gut, auch wenn es viele Schicksale und echte Probleme gibt, meist bei den Schwächsten in der Gesellschaft. Wohnungsnot, hohe Steuern und eine vollkommen überzogene Bürokratie, einer der größten Faktoren für eine schleppende Wirtschaft und Firmenabwanderungen. Bürgergeldanträge werden in Deutschland nicht verschenkt, sie sind ein zermürbender, oft entwürdigender Prozess, der von der Gesellschaft kaum wahrgenommen wird. Hinter den nüchternen Formularen verbergen sich Demütigungen, lange Wartezeiten und ein Klima des Misstrauens, das jene trifft, die ohnehin am Rand stehen. Wir werden im Januar 2026 über einen Zeitraum von 14 Tagen zwei konkrete Fälle begleiten und dokumentieren, was diese Menschen tatsächlich ertragen müssen – von bürokratischen Schikanen bis hin zu existenzieller Unsicherheit. Ja, schwarze Schafe gibt es immer, doch sie finden sich nicht primär unter den Hilfesuchenden, sondern in den oberen Etagen der Gesellschaft, wo Verantwortung verdrängt und Solidarität gern gepredigt, aber selten gelebt wird. Genau deshalb braucht es nüchterne Analyse, Geduld und realistische Politik statt Hysterie und schnelle Populismuslösungen.

Die Werkzeuge der Zersetzung sind subtiler geworden, die Methoden raffinierter. Kein Marsch auf Rom, kein Reichstagsbrand – stattdessen der stetige Tropfen digitaler Desinformation, der den Stein demokratischer Gewissheiten höhlt. Jeder Post ein kleiner Riss im gesellschaftlichen Fundament, jeder geteilte Fake eine weitere Erosion des Vertrauens. Was folgen muss, sind nicht nur Likes und Empörung. Was folgen muss, ist eine gesellschaftliche Mobilisierung, die über Sonntagsreden hinausgeht. Es braucht digitale Alphabetisierung in Schulen, kritischen Umgang mit Quellen, Resilienz gegen Manipulation. Es braucht Plattformen, die Verantwortung übernehmen, und Politiker, die verstehen, dass man Populismus nicht mit Anbiederung bekämpft, sondern mit Haltung.

Die Stunden der Entscheidung

Deutschland befindet sich an einem Wendepunkt. Die Bundesrepublik, geboren aus den Trümmern des Totalitarismus, aufgebaut auf dem Fundament des „Nie wieder“, sieht sich konfrontiert mit Kräften, die genau dieses Fundament untergraben. Die Lehren der Geschichte verblassen, übertönt vom Getöse der Gegenwart. Die Amerikanisierung der deutschen Politik ist kein Naturgesetz, sondern eine Entwicklung, die gestaltet werden kann. Noch ist es nicht zu spät, die Weichen anders zu stellen. Doch dafür braucht es mehr als pflichtschuldige Distanzierungen und ritualisierte Empörung. Es braucht eine wehrhafte Demokratie, die ihre Werte nicht nur proklamiert, sondern aktiv verteidigt.

Es braucht einfach ganz viele Dirks auf den Strassen

Die Alternative ist düster: Ein Land, in dem Fakten zur Verhandlungsmasse werden, in dem Wissenschaft durch Ideologie ersetzt wird, in dem die Komplexität der Welt auf binäre Codes reduziert wird. Ein Land, das seine eigene Geschichte vergisst und damit verdammt ist, sie in neuer Form zu wiederholen. Die Zeit des Zuschauens ist vorbei. Was jetzt zählt, sind nicht Worte, sondern Taten. Nicht Empörung, sondern Engagement. Nicht der Rückzug ins Private, sondern der Aufbruch ins Öffentliche. Die Demokratie verteidigt sich nicht selbst – sie braucht Menschen, die für sie einstehen, jeden Tag, in jedem Tweet, in jedem Gespräch, in jeder Wahlkabine. Deutschland steht am Scheideweg. Der Schatten Amerikas liegt über dem Land, aber noch ist es nicht zu dunkel, um den richtigen Weg zu erkennen.

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Irene Monreal
Irene Monreal
52 Minuten zuvor

Mann, mann, mann, das sind eindringliche Worte, nur, warum ist das offensichtlich so schwer zu verstehen? Ich selbst bin kein Überflieger und schon gar nicht wohlhabend, aber ich blicke über den Tellerrand und besitze Empathie.

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