Es war 10 Uhr morgens in Washington, als die Sitzung des Supreme Court beginnt. Der Fall, den das höchste Gericht der Vereinigten Staaten an diesem Tag verhandelt, könnte über die Grenzen der Präsidialmacht neu entscheiden. Es geht um die von Präsident Donald Trump im Frühjahr verhängten Zölle – eine Maßnahme, mit der er den internationalen Handel neu ordnen will und die er auf Grundlage des „International Emergency Economic Powers Act“ (IEEPA) von 1977 erlassen hat. Die Frage lautet: Darf ein Präsident Zölle ohne Zustimmung des Kongresses verhängen, wenn er einen wirtschaftlichen Notstand erklärt?
Trump selbst ist nicht anwesend. Er hatte öffentlich überlegt, der Anhörung beizuwohnen, entschied sich aber am Wochenende dagegen. „Es geht nicht um mich, es geht um unser Land“, sagte er am Sonntag. Wer es glaubt, wird selig. Stattdessen sitzt Finanzminister Scott Bessent im Zuschauerbereich, während Trumps oberster Anwalt, Solicitor General D. John Sauer, am Rednerpult steht. Sauer verteidigt die Zölle als rechtmäßig und verweist auf die außenpolitischen Befugnisse des Präsidenten.

Gemäß der seit der Pandemie eingeführten Praxis beginnt Richter Clarence Thomas, 77 Jahre alt und dienstältestes Mitglied des Gerichts, mit den ersten Fragen. Danach folgen die übrigen Richter in Reihenfolge ihrer Dienstjahre, angeführt von Chief Justice John Roberts. Thomas spricht das Kernproblem an: ob Trumps Berufung auf den IEEPA, ein Gesetz zur Bewältigung internationaler Krisen, auch die Erhebung von Importzöllen erlaubt. Sauer argumentiert, Zölle seien „in vielerlei Hinsicht die klassische und natürliche Form“, den Import von Gütern zu regulieren. Doch mehrere Richter zeigen sich skeptisch.

Roberts erinnert daran, dass der IEEPA zwar wirtschaftliche Maßnahmen im Ausland erlaubt, aber bisher nie für Zollentscheidungen eingesetzt wurde. „Diese Befugnis wurde noch nie genutzt, um Zölle zu rechtfertigen“, sagt er und verweist auf die Notwendigkeit einer klaren gesetzgeberischen Grundlage. Richter Brett Kavanaugh greift den Punkt auf und fragt, warum der Präsident zwar den Handel aussetzen, nicht aber einen einprozentigen Zoll verhängen dürfe. „Schafft das nicht ein Loch im Gesetz – ein Donut-Loch?“, fragt er. Später antwortet Oregons Generalstaatsanwalt Benjamin Gutman, der im Namen von zwölf überwiegend demokratisch regierten Bundesstaaten klagt: „Es ist kein Donut-Loch, sondern ein völlig anderes Gebäck.“ Lachen im Saal – doch der juristische Punkt bleibt: Besteuerung und Handelspolitik sind zwei verschiedene Dinge.
Auch Richterin Amy Coney Barrett, von Trump selbst ernannt, hakt nach: „Bedeutet das Wort ‘regulieren’ automatisch, dass Zölle eingeschlossen sind?“ Sauer bejaht das, doch Barrett bleibt zurückhaltend. Sie betont, dass „regulieren“ im juristischen Sinne nicht zwingend „besteuern“ bedeutet. Neal Katyal, ehemaliger amtierender Solicitor General unter Präsident Obama, vertritt kleine Unternehmen, die gegen die Zölle klagen. Auf Nachfrage von Thomas erklärt er den Unterschied zwischen Embargos und Tarifen: „Ein Embargo stoppt die Lieferung – ein Zoll startet die Steuerrechnung.“ Der Saal lacht kurz, doch Katyal bleibt sachlich. Der Präsident, sagt er, dürfe Handelspolitik steuern, aber keine Einnahmen für den Staat erheben, wenn der Kongress dies nicht ausdrücklich erlaubt.

Kavanaugh verweist auf ein Präzedenzurteil aus dem Jahr 1976, in dem der Supreme Court einstimmig Präsident Gerald Ford das Recht bestätigte, Ölzölle zu verhängen. Katyal antwortet, jener Fall habe sich auf ein anderes Gesetz bezogen, das ausdrücklich Vollmachten zur Besteuerung enthalte. „Der IEEPA sieht nichts Vergleichbares vor“, sagt er. Richter Samuel Alito bringt einen Moment der Heiterkeit in die Debatte. Er neckt Katyal, weil dieser als Demokrat nun eine klassische konservative Rechtsauffassung verteidigt: die sogenannte Nondelegation-Doktrin – die Lehre, dass der Kongress seine Macht nicht unbegrenzt an die Exekutive abtreten darf. „Mr. Katyal, hätten Sie je gedacht, Ihr Vermächtnis als Verfassungsjurist bestünde darin, die Nondelegation-Doktrin wiederzubeleben?“, fragt Alito. Katyal antwortet lachend: „Aber natürlich!“
Richter Sonia Sotomayor konfrontiert Sauer direkt mit Trumps eigener Rhetorik. Der Präsident habe sich mehrfach damit gebrüstet, durch seine Zölle Milliarden für den Staat einzunehmen. „Sie wollen sagen, Zölle sind keine Steuern – aber sie sind es“, entgegnet sie. Sauer versucht, den Fokus auf die „Regulierung des Handels“ zu lenken, doch der Einwand bleibt im Raum.

Die Diskussion wendet sich der Frage zu, ob ein Urteil gegen Trump Rückzahlungen an Importeure nach sich ziehen könnte. Katyal räumt ein, das sei kompliziert. Das Finanzministerium habe bereits rund 90 Milliarden Dollar an Zollgeldern eingenommen. Dennoch gebe es Präzedenzfälle: In den 1990er-Jahren hatte das Gericht eine Hafenabgabe für Exporte für verfassungswidrig erklärt, woraufhin ein Rückerstattungssystem eingerichtet wurde.

Nach zwei Stunden verlagert sich die Aufmerksamkeit auf Gutman, der für die Bundesstaaten spricht. Er betont, dass der Präsident zwar nach IEEPA den Handel aussetzen könne, aber keine neuen Einnahmenquellen schaffen dürfe. „Der Unterschied liegt im Wesen der Macht“, sagt er. „Besteuerung ist kein Instrument der Außenpolitik.“ Gegen Ende fragt Roberts nach der sogenannten „major questions doctrine“ – der Rechtsprechung, nach der der Kongress klar sprechen muss, wenn es um Fragen von „großer wirtschaftlicher und politischer Bedeutung“ geht. Diese Doktrin hatte das Gericht bereits gegen Präsident Bidens Schuldenerlass-Programm angewendet. „Vielleicht gilt sie auch hier“, sagt Roberts. Sollte er sich auf diese Argumentation stützen, wäre Trumps Politik juristisch kaum zu halten.
Um 12:36 Uhr endet die Sitzung nach mehr als zweieinhalb Stunden. Sauer fasst seine Position noch einmal kurz zusammen. Dann spricht Roberts die formelle Formel: „The case is submitted.“ Der Fall ist übergeben. Nun ziehen sich die Richter zu ihrer internen Beratung zurück. Dort wird eine erste Abstimmung über den Ausgang stattfinden – ein vorläufiges Meinungsbild, das Wochen oder Monate später in ein Urteil münden kann. Beobachter im Saal waren sich weitgehend einig: Die Mehrheit der Richter zeigte Skepsis gegenüber der Regierung. Roberts, Gorsuch und Barrett könnten die entscheidenden Stimmen sein.
Für Trump steht viel auf dem Spiel. Sollte das Gericht gegen ihn entscheiden, verliert er nicht nur ein zentrales wirtschaftspolitisches Instrument, sondern auch die juristische Grundlage seiner handelspolitischen Macht. Es wäre ein Urteil, das seine Autorität unmittelbar begrenzen würde – und ein Signal, dass selbst ein Präsident, der Notstandsgesetze bis zum Äußersten dehnt, an die Verfassung gebunden bleibt.
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Oh es wäre wunderbar wenn diesem Verbrecher vom Suprem Court das Handwerk gelegt werden würde- dann wäre auch nicht mehr in der Lage Gottgleich andere Staaten
im Alleingang zu gängeln und zu erpressen – denn das ist das einzige was dieser Verbrecher tut
…ja, das wäre ein ganz grosser schritt weg von diesem chaos
Es war schon teilweise unglaublich, was da im Gerichtssaal abging.
Danke für den Tonmitschnitt um uns den Einblick zu geben.
Ich befürchte, dadurch das sich das Verfahren noch hinziehen wird, das Trump genug Zeit hat „seine“ Richter auf Kurs zu bringen.
Bis dahin wird Trump weiter Zölle verhången, aufheben, neu verhängen. Ganz wie es ihm beliebt
.. wie normal, wirkte das Gericht heute nicht auf der Seite von Trump, es wird spannend