Der Rückzug – Wie Mike Johnson dem Druck Trumps nachgab und die Freigabe der Epstein-Akten vertagt wurde

VonRainer Hofmann

Juli 22, 2025

Es war ein Moment seltener Spannung zwischen dem republikanischen Kongress und dem Weißen Haus: Als der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, vergangene Woche in einem Interview sagte, die Öffentlichkeit habe ein Recht auf volle Transparenz in der Causa Jeffrey Epstein, klang es wie ein erster, zaghafter Aufbruch. „Wir sollten alles offenlegen und die Menschen selbst entscheiden lassen“, erklärte Johnson im Podcast „The Benny Show“. Die Worte standen im scharfen Kontrast zu Donald Trump, der in seiner zweiten Amtszeit bisher alles daran gesetzt hatte, die öffentliche Debatte über seinen einstigen Freund und Partygastgeber möglichst schnell zu beenden. Doch Johnsons Haltung hielt nur wenige Tage. Am Montag dieser Woche verkündete der Speaker, dass es in diesem Sommer keine Abstimmung im Repräsentantenhaus über die Veröffentlichung der Epstein-Akten geben werde. Die überraschende Kehrtwende erklärte Johnson mit dem Bedürfnis, der Exekutive „Raum für ihre Arbeit“ zu lassen. Es sei schlicht „noch nicht der richtige Zeitpunkt“, so der Republikaner. Damit ist auch der Resolutionsentwurf, der vergangene Woche vom Regelungsausschuss des Hauses bereits genehmigt wurde und das Justizministerium zur Offenlegung drängen sollte, vorerst auf Eis gelegt – und Johnson kehrt zurück in die Rolle, in der er seine politische Karriere gesichert hat: als loyaler Vollstrecker von Trumps Linie.

Dass Johnson zunächst überhaupt vom offiziellen Kurs des Präsidenten abwich, hatte viele in Washington aufhorchen lassen. Es war ein sichtbares Symptom der Unruhe an der republikanischen Basis, wo sich Wut und Misstrauen seit Wochen aufgestaut hatten. Der Verdacht: Die Regierung könnte gezielt Material unter Verschluss halten, um mächtige Verbündete zu schützen – darunter auch Trump selbst. Die Flut an Online-Posts, in denen sich rechte Influencer, MAGA-Aktivisten und Verschwörungsgläubige in düsteren Andeutungen ergingen, hatte offenkundig Wirkung gezeigt. Selbst Marjorie Taylor Greene, Trumps lautstarke Vertraute aus Georgia, stellte am Montag offen die Loyalität zur Führung infrage: „Wenn man den Leuten von Hochverrat, Wahlmanipulation, Erpressung und elitären Kinderschänder-Netzwerken erzählt, muss man auch liefern. Die Basis will kein Alibi mehr, sie will das ganze Steak.“ Donald Trump jedoch spricht weiterhin über alles – nur nicht über Epstein. Auf seiner Plattform Truth Social verbreitete der Präsident am Wochenende stattdessen ein absurdes Sammelsurium aus Hetze, Ablenkung und Eskapismus: eine gefälschte Obama-Verhaftung, ein Video, in dem eine Frau eine angreifende Kobra mit bloßen Händen fängt, und die Drohung, dem Football-Team „Washington Commanders“ die geplante Stadionfinanzierung zu verweigern, falls es nicht wieder den alten Namen „Redskins“ annimmt. Am Jahrestag seiner Wiederwahl schrieb Trump: „Vor einem Jahr war unser Land tot. Heute sind wir wieder das heißeste Land der Welt.“

Die Strategie ist durchschaubar: Ablenken, verzögern, zerreden. Und sie funktioniert – zumindest im republikanischen Führungskreis. Johnsons Rückzieher macht deutlich, dass Trumps Team es offenbar geschafft hat, die öffentliche Empörung zu bremsen. Statt eine offene Abstimmung zuzulassen, verweist Johnson nun auf Trumps Schritt, Justizministerin Pam Bondi die Freigabe der Epstein-spezifischen Grand Jury-Protokolle prüfen zu lassen. Doch das ist rechtlich kompliziert und inhaltlich begrenzt. Grand Jury-Aussagen sind in den USA besonders geschützt, ihre Veröffentlichung wird nur in Ausnahmefällen genehmigt. Selbst wenn ein Gericht in Manhattan der Freigabe zustimmt – was Monate dauern kann – wird damit nur ein Bruchteil des Materials öffentlich. Der große Rest, darunter mutmaßlich belastende Dokumente zu Netzwerken, Videos und Zeugenaussagen, bleibt weiterhin versiegelt. Gleichzeitig wächst der parteiübergreifende Druck: Der republikanische Abgeordnete Thomas Massie kündigte an, nach Ablauf einer siebentägigen Frist Unterschriften zu sammeln, um eine erzwungene Abstimmung zu den Akten herbeizuführen – eine parlamentarische Notmaßnahme, die in den USA nur selten Erfolg hat, aber ein Signal an die Öffentlichkeit senden soll. Laut aktuellen Umfragen unterstützen 79 Prozent der Amerikaner die vollständige Veröffentlichung der Epstein-Akten. Dennoch haben bisher nur 16 Kongressabgeordnete das entsprechende Gesetzesvorhaben unterzeichnet. Der Fall Epstein ist zum Prüfstein für Transparenz, Glaubwürdigkeit und politische Unabhängigkeit geworden. Trump war Epstein über fast 15 Jahre verbunden, ehe er sich 2009 öffentlich distanzierte. Fotos, Gästelisten, Flugprotokolle und Zeugenaussagen deuten auf eine langjährige Nähe hin. Während seiner ersten Amtszeit ließ Trump das Justizministerium keine Epstein-spezifischen Untersuchungen einleiten. Jetzt, in seiner zweiten Amtszeit, hat er versprochen, „Licht ins Dunkel“ zu bringen – doch dieses Licht scheint selektiv und politisch gefiltert. Bisher hat Justizministerin Bondi lediglich Teile der Fluglogs veröffentlicht. Anderes – etwa Materialien, die laut Behörden als child sexual abuse material (CSAM) eingestuft wurden – wurde zurückgehalten. Dass man diese nicht einfach veröffentlichen kann, ist rechtlich klar. Doch die Frage bleibt: Welche Namen, welche Strukturen, welche Aussagen werden damit noch immer verdeckt? Die eigentliche Brisanz liegt nicht nur in dem, was die Akten enthalten – sondern in dem, was ihre Freigabe über das politische System der Vereinigten Staaten sagen würde. Wer entscheidet, was öffentlich wird? Wer schützt wen? Und wie weit geht die Loyalität eines Präsidenten – nicht gegenüber dem Volk, sondern gegenüber seinem eigenen Umfeld? Mike Johnson hat mit seinem Rückzug auf diese Fragen eine erste Antwort gegeben. Und sie lautet: Nicht jetzt. Nicht so. Vielleicht gar nicht. Doch das Thema wird bleiben – in den Köpfen, in den Archiven, in den Schatten jener Macht, die Jeffrey Epstein nie allein besaß.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Wer wirklich geglaubt hat, dass Trumps Marionette Johnson daa Genehmigung, glaubt auch an den Osterhasen.

In der Simmerpause ist genug Zeit, Dokument verschwinden zu lassen/zu falschen, Zeugen zu Bedrohung und natürlich die eigene Partei auf Spur zu bringen

In der Sommerpause wird das große Schweigen zu dem Thema herrschen und die US-Amerikaner werden zum Business as usual zurück wehren.

Schade, dass das Alles erst so knapp vor der Sommerpause hich geklappt ist.
Vor 2 Monaten wäre das Mometum größer gewesen.

Und Ihr legt Euch so ins Zeug mit den Recherchen.

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