Washington, 5. Juli 2025 – Es war ein Triumph, inszeniert wie ein Theaterstück aus einer anderen Zeit. Auf der Südwiese des Weißen Hauses stand Donald Trump, umgeben von Parteitreuen, flankiert von seinen Ministerinnen und Ministern, erhobenen Hauptes, die Faust um einen Holzhammer geschlossen – ein Geschenk des Speakers Mike Johnson. Mit einem theatralischen Schlag besiegelte er, was er selbst das „One Big Beautiful Bill“ nennt: eine gigantische Neuauflage seiner milliardenschweren Steuergeschenke, flankiert von massiven Einschnitten bei Medicaid, Essensmarken und Sozialhilfe. Der Applaus war laut, das Wetter patriotisch. Doch unter der glänzenden Oberfläche dieses Gesetzes beginnt bereits das politische Fundament zu bröckeln. Was Trump als seinen größten legislativen Sieg feiert, könnte sich als toxisches Erbe für die eigene Partei erweisen. Die Demokraten planen bereits, das Gesetz zu einer zentralen Angriffsfläche bei den Zwischenwahlen 2026 zu machen. Ihre Botschaft ist klar: Trump verteilt Geschenke an Reiche – und schickt Millionen arme Amerikaner:innen in die Armut, ins Krankenhaus oder aus dem System. Wie so oft folgt Trump dem Drehbuch seiner früheren Karriere: Branding, Druck, Dominanz. Die Maßnahme wurde als „One Big Beautiful Bill“ in den sozialen Medien verkauft, ein Klangbild, das an eine Fernsehshow erinnert. Die Inhalte? Hartes finanzielles Kalkül, politische Härte und ein strategischer Schlag gegen die Vermächtnisse Obamas und Bidens. Die Steuererleichterungen von 2017 werden verlängert. Gleichzeitig wird bei Medicaid, dem Gesundheitssystem für Bedürftige, um 1,2 Billionen Dollar gekürzt. Auch die Essenshilfen für Millionen Familien werden zusammengestrichen. Die republikanische Partei – widerwillig oder überzeugt – stellte sich fast geschlossen hinter den Plan. Dabei gab es Warnungen, Mahnungen, Zweifel. Doch Trump setzte auf den gewohnten Mix aus Überredung, Einschüchterung und öffentlicher Loyalitätsprüfung. Am Ende stimmten sie – und er siegte.
Was auf dem Papier nach fiskalischer Disziplin klingt, wird in der Realität Millionen Menschen treffen. Nach Schätzungen des Congressional Budget Office wird das Gesetz bis 2034 rund 11,8 Millionen Menschen die Krankenversicherung kosten. Gleichzeitig entfallen Steuervergünstigungen für klimafreundliche Technologien, die unter Biden eingeführt wurden – ein Rückschritt von Jahren energiepolitischen Fortschritts. Trump versucht derweil, das Gesetz als Geschenk an die „vergessenen Amerikaner“ zu verkaufen: Steuerfreiheit auf Trinkgeld, Entlastungen bei Überstundenvergütung, ein bisschen Rentenerleichterung. Doch diese Maßnahmen betreffen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung – kosmetische Korrekturen an einem Gesetz, das vor allem eines ist: ein Rückschritt in die Zeit vor dem sozialen Netz. Nicht alle in der republikanischen Partei klatschten begeistert. Senator Thom Tillis aus North Carolina warnte frühzeitig, dass das Gesetz seiner Heimat schweren Schaden zufügen werde. Die prognostizierten Versicherungsverluste seien politischer Sprengstoff, vergleichbar mit der „Obamacare“-Gegenreaktion von 2010. Tillis stimmte dagegen – und kündigte gleichzeitig seinen Rückzug aus der Politik an. Auch Senatorin Lisa Murkowski aus Alaska, die letztlich die entscheidende Stimme im Senat war, äußerte nach der Abstimmung scharfe Kritik. Das Gesetz sei „nicht ausgereift“, „unbalanciert“ und eine „hypothekierte Belastung für sozial benachteiligte Regionen“. Ihr Appell an das Repräsentantenhaus, Änderungen vorzunehmen, verhallte ungehört. Und so stand Trump am 4. Juli zwar als Sieger da – doch der Preis dieses Sieges wird erst gezahlt. Erste Umfragen deuten auf eine tiefe Unbeliebtheit des Gesetzes hin, auch bei Unabhängigen und gemäßigten Republikaner:innen. Im Weißen Haus winkt man ab. Die Zahlen, so heißt es, seien „nicht belastbar“. Doch das politische Wetter hat sich verändert – und es erinnert an 2010, als Barack Obamas Gesundheitsreform zur politischen Hypothek wurde.
Besonders irritierend ist die Kluft zwischen Trumps Rhetorik und Realität. Noch im Januar verkündete er medienwirksam im Oval Office, man werde Sozialprogramme „lieben und ehren“. Niemand solle betroffen sein, es gehe nur um die Beseitigung von „Missbrauch und Verschwendung“. Doch mit der Unterschrift unter das Gesetz wurde aus dieser Liebeserklärung ein Kahlschlag. Senator Brian Schatz aus Hawaii formulierte es drastisch: „Krankenhäuser werden schließen, Menschen werden sterben, der Strompreis wird steigen – und Menschen werden hungern.“ Trumps Team kontert derweil mit Angriffslust. In Iowa erklärte er: „Die Demokraten hassen das Gesetz nur, weil sie mich hassen. Aber das stört mich nicht – denn ich hasse sie auch.“ Die Botschaft ist klar: Es geht nicht um Kompromiss, nicht um sozialen Ausgleich – sondern um Durchsetzung, Konfrontation, Machtdemonstration. Die Auswirkungen sind spürbar: Die USA treten in eine Phase politischer Polarisierung ein, wie sie seit Jahrzehnten nicht erlebt wurde. Dieses Gesetz ist nicht nur ein ökonomisches Programm – es ist ein ideologisches Statement. Ob Trump diesen Sieg politisch wird retten können, entscheidet sich nicht auf der Südwiese des Weißen Hauses, sondern in den Vororten Pennsylvanias, in den Krankenhäusern Alaskas und auf den Feldern Kaliforniens. Dort, wo Menschen nicht mit Hämmern feiern – sondern mit Entlassungsschreiben, Kürzungsbescheiden und der Frage, wie man überlebt. Denn was gestern noch als „groß, schön und glänzend“ verkauft wurde, ist für Millionen Amerikaner:innen nichts als ein schwarzer Feiertag – unterzeichnet mit einem Gavel, der wie ein Symbol der Abrechnung wirkt.
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Und dennoch jubeln die MAGA. Loben Tru*** in den höchstens Tönen.
Abstand und Moral gibt es bei den Republikanern nicht mehr.
Mut und Entschlossenheit gibt es bei den Demokraten nicht mehr.
Ich sehe keine Option, wie Project 2025 gestoppt werden kann