Es war ein später Sonntagabend, als im Kapitol die Anzeigetafel aufleuchtete: 60 zu 40 Stimmen – die Schwelle war überschritten. Nach 41 Tagen lähmendem Stillstand hatte der Senat beschlossen, die Regierung wieder zu öffnen. Fünf Demokraten hatten sich den Republikanern angeschlossen und damit den längsten Shutdown in der Geschichte der Vereinigten Staaten beendet. Kein Jubel, kein Pathos, nur das erschöpfte Rascheln von Papieren, als sich die Senatoren erhoben und den Saal verließen – in dem Wissen, dass der Preis dieser Abstimmung noch nicht bezahlt ist. Die Entscheidung fiel, nachdem eine kleine Gruppe moderater Demokraten beschlossen hatte, den Kampf um die Verlängerung der Gesundheitszuschüsse aufzugeben. Wochenlang hatten sie gefordert, die Steuervergünstigungen für Krankenversicherungen, die am 1. Januar auslaufen, um ein Jahr zu verlängern. Die Republikaner verweigerten sich, das Land stand still, und die Geduld schwand. Flughäfen meldeten Verspätungen, Lebensmittelhilfen blieben blockiert, Hunderttausende Bundesbedienstete arbeiteten ohne Lohn. Schließlich gaben fünf Senatoren nach – genau so viele, wie nötig waren, um die Blockade zu brechen.
Jeanne Shaheen und Maggie Hassan aus New Hampshire, Angus King aus Maine, Tim Kaine aus Virginia sowie Catherine Cortez Masto aus Nevada schlossen sich den Republikanern an. Sie alle waren Teil einer Gruppe ehemaliger Gouverneure, die die Verhandlungen wieder in Gang bringen wollten. Ihr Kompromiss: Drei parteiübergreifende Haushaltsgesetze sollten sofort verabschiedet werden, der Rest der Regierung bis Ende Januar weiterfinanziert werden. Im Gegenzug versprachen die Republikaner, bis Mitte Dezember über die Gesundheitszuschüsse abzustimmen – ein Versprechen ohne Bindung, aber mit politischem Symbolwert.
Shaheen verteidigte ihre Entscheidung am Montag als „die einzige Option, die auf dem Tisch lag“. Man habe die Botschaft über die Bedeutung der Gesundheitsversorgung laut genug gesendet, sagte sie, nun müsse man die Regierung wieder handlungsfähig machen. In den Reihen ihrer Partei aber klang Empörung. Chuck Schumer, der demokratische Fraktionschef, erklärte nach einer zweistündigen Krisensitzung, er könne „nicht in gutem Gewissen“ für den Entwurf stimmen. Bernie Sanders nannte den Kompromiss eine „horrific mistake“, einen verheerenden Fehler. Chris Murphy aus Connecticut sagte, die Wähler, die in der Vorwoche klar für die Demokraten gestimmt hätten, hätten ihnen „Standhaftigkeit, nicht Nachgiebigkeit“ aufgetragen.
Trotz der innerparteilichen Revolte stimmte der Senat dem Gesetz zu. Es sieht vor, dass die unter Trump entlassenen Bundesangestellten wieder eingestellt und bis Ende Januar vor weiteren Kündigungen geschützt werden. Die Gehälter sollen rückwirkend ausgezahlt werden. Für die mehr als 800.000 betroffenen Beschäftigten ist es ein später, aber lebensnotwendiger Sieg. Im Repräsentantenhaus wird der Beschluss in den nächsten Tagen behandelt. Sprecher Mike Johnson, Republikaner aus Louisiana, forderte seine Abgeordneten auf, „sofort nach Washington zurückzukehren“. Er selbst hatte die Kammer seit Mitte September in der Pause gelassen – ein politisches Manöver, das den Stillstand noch vertieft hatte. Nun spricht er von Dringlichkeit. „Wir müssen das so schnell wie möglich erledigen“, sagte Johnson, als wäre er nie Teil des Problems gewesen.
Präsident Trump, dessen Politik den Shutdown ausgelöst hatte, zeigte sich am Montag demonstrativ zufrieden. „Wir werden unser Land sehr bald wieder öffnen“, sagte er vor laufenden Kameras – eine jener Phrasen, die den Widerspruch zwischen seiner Selbstinszenierung und der Realität schärfer nicht fassen könnten. Wochenlang hatte er den Kongress gezwungen, nach seinen Bedingungen zu verhandeln, während Millionen Bürgerinnen und Bürger unter den Folgen litten. Die Demokraten hatten gehofft, ihn in dieser Frage in die Defensive zu drängen – indem sie auf die Gesundheitszuschüsse pochten, die Millionen Familien entlasten. Doch die Fronten blieben starr, bis die moderaten Stimmen kippten. Dick Durbin aus Illinois, John Fetterman aus Pennsylvania und Jacky Rosen aus Nevada schlossen sich schließlich ebenfalls dem Kompromiss an. Alle anderen Demokraten, darunter Schumer und fast die gesamte Parteiführung, stimmten dagegen. Für viele in der Partei war dieser Montag der Moment, an dem der moralische Punkt ihres Widerstands erodierte. Greg Casar, Vorsitzender des progressiven Flügels im Repräsentantenhaus, sprach von einem „Betrug an Millionen Amerikanern“. Ein Deal, der die Gesundheitskosten nicht senke, sei „ein Schlag ins Gesicht für all jene, die auf uns zählen“.
Doch es gab auch leise Zustimmung. Hakeem Jeffries, der demokratische Fraktionsführer im Repräsentantenhaus, der Schumer im Frühjahr noch kritisiert hatte, stellte sich diesmal hinter ihn. „Das amerikanische Volk weiß, dass wir auf der richtigen Seite dieses Kampfes stehen“, sagte er am Montagabend. Er versuchte, die Spaltung zu übertönen, die sich in seiner Partei inzwischen tiefer zieht als je zuvor. Der Konflikt um die Gesundheitszuschüsse ist nicht beigelegt. Vielmehr steht er nun im Zentrum der kommenden Haushaltsverhandlungen. Johnson erklärte, er sehe keinen Anlass, den Punkt im Repräsentantenhaus überhaupt zur Abstimmung zu bringen. Man wolle „das unaffordable care act“ – wie Trump es nennt – reformieren, nicht verlängern. Einige Republikaner zeigten sich zwar offen für eine Verlängerung der während der Pandemie eingeführten Steuervergünstigungen, allerdings mit neuen Begrenzungen und Bedingungen. Susan Collins, Vorsitzende des Haushaltsausschusses, schlug vor, Obergrenzen beim Einkommen einzuführen. „Wir müssen bis Jahresende handeln“, sagte sie, „und genau das hat der Mehrheitsführer zugesagt.“
Was sie nicht sagte: Diese Zusage ist politisch unverbindlich. Der Senat lehnte am selben Montagabend mit 47 zu 53 Stimmen eine einjährige Verlängerung der Zuschüsse ab – eine symbolische Abstimmung, aber ein deutliches Signal. Die Mehrheit der Republikaner will die bestehende Regelung nicht erhalten, sondern sie umschreiben. So endet Amerikas längster Regierungsstillstand nicht mit einem Sieg der Vernunft, sondern mit einem müden Kompromiss. Der Staat wird wieder geöffnet, die Gehälter fließen, die Flughäfen arbeiten, die Essensausgaben öffnen ihre Türen. Aber der Riss, den diese Wochen geschlagen haben, bleibt. Er verläuft mitten durch das politische Herz Washingtons – zwischen Verantwortung und Berechnung, zwischen Überzeugung und Erschöpfung. Fünf Stimmen haben gereicht, um das Land wieder in Bewegung zu setzen. Doch sie haben zugleich gezeigt, wie tief es gespalten ist. Der Shutdown mag enden. Die Krise, die ihn möglich machte, hat gerade erst begonnen.
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