Der geheime Krieg am Rande der Welt – von Nordkoreas Küsten bis zur Karibik

VonRainer Hofmann

September 6, 2025

Manchmal sind es die Operationen, die niemand sehen darf, die am meisten über eine Präsidentschaft verraten. Im Frühjahr 2019 schickte Donald Trump das legendäre SEAL Team 6 auf eine Mission, die so heikel war, dass sie nur mit seiner persönlichen Unterschrift starten konnte. Ziel war die nordkoreanische Küste. In der Dunkelheit der Nacht glitten Mini-U-Boote in Richtung des hermetisch abgeschotteten Landes, an Bord die Red Squadron – jene Einheit, die 2011 Osama bin Laden in Pakistan tötete. Ihre Aufgabe: ein elektronisches Gerät vergraben, das es den USA ermöglichen sollte, Kim Jong Uns Kommunikation direkt abzufangen. Was als Meisterstück der Spionagekunst geplant war, endete im Desaster. Als die SEALs am Strand anlandeten, entdeckten sie ein Boot, aus dem ein Mann ins Wasser ging. In der Annahme, es handle sich um nordkoreanische Sicherheitskräfte, eröffneten sie das Feuer. Zwei, vielleicht drei Menschen starben. Erst als die Kommandos die Leichen aus dem Wasser zogen, erkannten sie den Irrtum: Es waren Zivilisten, Fischer, die bei Nacht Muscheln sammelten. Um keine Spuren zu hinterlassen, versenkten die SEALs die Körper – nach Insiderberichten sogar mit perforierten Lungen, damit sie nicht auftauchten.

Die nordkoreanische Küste, wo die Spezialeinheit Red Squadron versuchte, ein elektronisches Gerät zu vergraben, das es den USA ermöglicht hätte, die Kommunikation von Kim Jong Un abzufangen.

Nordkorea schwieg. Washington schwieg noch lauter. Die Pentagon-Überprüfungen stuften den Einsatz als „gerechtfertigt“ ein, die Toten als bedauerliche, aber unvermeidliche Folge einer „Kette unglücklicher Umstände“. Die Berichte wurden klassifiziert, die Öffentlichkeit erfuhr nichts – bis jetzt. Mehrere der Beteiligten wurden später befördert. Und doch bleibt der Einsatz eine offene Wunde. Matthew Waxman, ehemaliger National-Sicherheitsjurist unter George W. Bush, warnte: Die Regierung könnte gegen den War Powers Act und Title 50 verstoßen haben, weil sie die Geheimdienstausschüsse des Kongresses nicht informierte. „Das ist genau die Art von Operation, über die der Kongress unterrichtet werden muss“, sagte er.

Kim Jong Un dürfte wenig begeistert gewesen sein

Die Parallelen zur Gegenwart sind frappierend. Nur wenige Jahre später steht Trump erneut an einem Punkt, an dem geheime Militäraktionen drohen, in offene Konflikte zu kippen – diesmal nicht in Ostasien, sondern in der Karibik. Seit Juli hat der Präsident ein Flottenaufgebot in die südliche Karibik entsandt: acht Kriegsschiffe, mehrere P-8-Aufklärungsflugzeuge, ein Jagd-U-Boot, dazu die Iwo-Jima-Amphibious-Ready-Group mit 4.500 Seeleuten und 2.200 Marines an Bord. Nach Angaben des Pentagon stehen auch zehn F-35-Kampfjets auf Puerto Rico bereit, um im Ernstfall Luftschläge gegen Venezuela zu fliegen. Der Auslöser: Ein geheimer Direktbefehl Trumps, in dem er lateinamerikanische Drogenkartelle zu „terroristischen Organisationen“ erklärte – inklusive einer venezolanischen Gruppe, deren Anführer laut Washington niemand Geringerer als Nicolás Maduro selbst sei.

Kurz darauf begann das Pentagon mit der massiven Aufstockung seiner Präsenz im Karibikraum. Am Dienstag griffen US-Kräfte erstmals direkt ein und zerstörten ein Schnellboot, das aus Venezuela ausgelaufen sein soll. Elf mutmaßliche Schmuggler starben. Nur zwei Tage später jagten zwei venezolanische F-16-Jets einen US-Zerstörer und lieferten damit das Bild eines Konflikts, der in die nächste Eskalationsstufe tritt.

Maduro reagierte mit martialischen Worten: Er sprach von „der größten Bedrohung auf unserem Kontinent in den letzten hundert Jahren“ und kündigte die Mobilisierung von 4,5 Millionen Milizionären an. „Unsere Meere, unser Himmel, unser Land werden wir verteidigen“, erklärte er – und warnte Trump, Senator Marco Rubio dränge ihn in einen Krieg, der seine Hände mit Blut beflecken werde. International sind die Fronten weniger klar. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zeigte sich gespalten: Einige Mitgliedsstaaten begrüßten Washingtons harte Linie gegen das „Narco-Regime“, andere warnten vor einem neuen militärischen Abenteuer auf lateinamerikanischem Boden. Die EU reagierte natürlich wieder zurückhaltend, mahnte zur Einhaltung des Völkerrechts und forderte humanitäre Ausnahmen, sollte es zu einem Embargo oder zu militärischen Operationen kommen. Selbst innerhalb der UNO gab es Debatten, ob die Terrorlisten Washingtons völkerrechtlich belastbar sind oder ob sie eher geopolitische Instrumente darstellen. In Washington dementiert niemand die Gefahr. Zwar ist die US-Truppenstärke zu gering für eine Bodeninvasion, doch Kommandos könnten von den Kriegsschiffen aus gezielte Angriffe starten, „capture-or-kill“-Operationen inklusive.

Maduro hat zur Mobilisierung von 8 Millionen Verteidigungskräften aufgerufen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine begrenzte Mission zu einem historischen Schlag wird – 1989 stürzte George H. W. Bush mit einer ähnlichen Begründung den panamaischen Diktator Manuel Noriega. Gerade deshalb wirkt die Episode an der nordkoreanischen Küste wie ein Vorbote: Sie zeigt, wie schmal der Grat ist, auf dem solche Einsätze balancieren. Damals ging es glimpflich aus, weil Pjöngjang schwieg. In der Karibik jedoch steht Washington einem Gegner gegenüber, der lautstark droht, der Flugzeuge in Marsch setzt und seine Küstenbewaffnung verstärkt. Eine einzige Fehlkalkulation könnte genügen, um die Region in Brand zu setzen. Das Bild, das sich abzeichnet, ist das einer Präsidentschaft, die immer wieder den Rand des Völkerrechts austestet und demokratische Kontrollmechanismen umgeht. Der Tod der nordkoreanischen Fischer ist in den Pentagon-Akten als tragischer Zufall verbucht, doch in seiner politischen Symbolik wirkt er wie ein Alarmzeichen. Wenn dieselbe Risikobereitschaft nun auf Venezuela übertragen wird, könnte das Ergebnis nicht mehr geheim bleiben – sondern zur Schlagzeile einer neuen amerikanischen Intervention werden.

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Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Heute würden keine Boote in Nord Korea anlanden.
Und wenn doch, würde Kim nicht schweigen.
Damals war er isoliert.
Heute hat er Russland und China eventuell auch Indien auf seiner Seite.

Schlimm, dass Menschenleben, sinnlos ausgelöscht, als Kollateralschäden versucht werden.

Angriff in internationale Gewässern, ohne Belege für eine teroristische Tätigkeit (Drogenschmuggel) ist für mich ein klarer Bruch des Völkerrechts.
Traurig, dass darüber in der UN überhaupt diskutieren wird.
Noch schlimmer, dass Europa wieder einmal schweigt. Mahnend den Zeigefinger hebt… das konnen sie gut.

Man kann von Maduro halten, was man will.
Korrupt, diktatorisch, etc.
Dennoch hat kein Land der Welt (in meinen Augen) das Recht, ein anderes Land einfach anzugreifen.
Nur weil es einem in den Kram oasst und tolle Schlagzeilen liefert.

Lässt man Trump damit gewähren, wird das ein fatales Signal an andere Autokraten und Diktatoren senden.

Ja noch schlimmer, Putin würde sich damit eine „Legitimation“ für den Ukrainekrieg schaffen können.
Denn nach ihm ging es nur um den Schutz der russische Mineetheit und die Vernichtung der Nazis

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