Es beginnt mit einem Satz, gesprochen ohne Ironie, aber mit aller Härte: „Das ist hier nicht Norwegen.“ Margarita Simonjan, Chefpropagandistin des Kreml, rechtfertigt die Folter an einem Terrorverdächtigen. Ein russischer Sicherheitsbeamter hatte dem Mann nach dem Anschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hall in Moskau das Ohr abgeschnitten. Die Bilder gingen um die Welt. Doch für Russland ist es keine Peinlichkeit. Es ist eine Demonstration. Eine, die zeigt, wie weit der Staat bereit ist zu gehen, und mit wem.
Denn Russland ist längst nicht mehr der autoritäre Restposten des Sowjetimperiums. Es ist ein System, das sich im Schatten der Ordnung bewegt und dabei Allianzen mit jenen schließt, die einst als Todfeinde galten: Islamistische Terrorgruppen.
Die nächsten Zeilen sind keine Fiktion. Sie sind Realität im Jahr 2025.
Hisbollah und die Houthis: Der schiitische Arm des Kremls
Seit dem Kriegseintritt Russlands in Syrien 2015 sind Gruppierungen wie die libanesische Hisbollah und die jemenitischen Huthis nicht nur Mitstreiter auf dem Schlachtfeld, sondern geopolitische Partner. Gemeinsam mit Iran organisierte Russland Militäroperationen, griff auf Schattenflotten für den Ölexport zurück und blockierte UN-Resolutionen gegen diese Gruppen. Die Huthis greifen unter iranischer Anleitung Handelsschiffe im Roten Meer an, doch russische Schiffe bleiben verschont. Wer auf der „weißen Liste“ steht, darf passieren. So funktioniert Pragmatismus made in Moscow.
Hamas: Der alte Partner lebt
Schon zu Sowjetzeiten unterstützte Moskau Israels Gegner in der arabischen Welt. Auch heute noch hofiert der Kreml Hamas-Führer, liefert Waffen, laut ukrainischem Geheimdienst auch solche, die auf ukrainischen Schlachtfeldern erbeutet wurden – und blockiert Resolutionen gegen die Terrororganisation im UN-Sicherheitsrat. Die Gräueltaten des 7. Oktober – die Ermordung israelischer Familien, die Verschleppung von Kindern – verurteilt der Kreml nicht. Warum auch? Hamas ist nützlich im Kampf gegen den Westen. Und das ist, was zählt.
Die Taliban: Vom Gegner zum Rohstofflieferanten
Nach dem Abzug der USA aus Afghanistan 2021 schlug die Stunde der Opportunisten. Russland, das die Taliban offiziell noch als Terrororganisation führte, begann Gespräche, erst im Verborgenen, dann offiziell. Die Duma debattiert mittlerweile über deren Streichung von der Terrorliste. Der Grund ist so simpel wie zynisch: Afghanistan verfügt über Rohstoffe im Wert von Millarden US-Dollar. Die Taliban können sie nicht alleine abbauen. Russland steht bereit. Der ehemalige Feind wird zum Rohstoffpartner. Die Geschichte kennt keine Moral.
ISIS: Der eine, wahre Feind
Nur eine Gruppierung bleibt außerhalb dieses Kreises: Der Islamische Staat. ISIS, und besonders seine afghanische Filiale , bekämpft Russland offen. Der Anschlag auf die Crocus City Hall mit über 140 Toten ist nur das jüngste Beispiel. ISIS braucht keine Deals. Keine Diplomatie. Sie glauben nur an ihr Kalifat. Und Russland steht dort auf der Feindesliste. Ganz oben.
Der Befehl hinter roten Mauern
Und während Russland seine Allianzen schmiedet, ist ein geleaktes Dokument aufgetaucht, das viel über die Architektur dieser Gewalt aussagt. Ein Klassifizierungsleitfaden des US-Geheimdienstes ODNI, genauer gesagt der Abschnitt 3.4.3 „Military Planning“, zeigt, wie hochsensibel das Thema Angriff geworden ist. Eine einzelne Zeile reicht aus, um das gesamte System zu entlarven:

(U) Information providing indication or advance warning that the US or its allies are preparing an attack.
Diese Information ist „Top Secret“. Mit dem Vermerk „NOFORN“ – nicht weiterzugeben an Ausländer, nicht einmal an Verbündete. Eine Vorwarnung ist der größte Schatz der modernen Kriegsarchitektur. Denn Krieg beginnt nicht mit Bomben. Sondern mit Tabellen. Wer vorbereitet ist, gewinnt.
Und Russland? Kennt diese Logik nur zu gut. Es spricht nicht öffentlich darüber. Es lebt sie. Indem es Kriege führt, während es andere füttert. Indem es Terroristen zu Partnern macht und Werte zu Waffen. Und indem es die Unterscheidung zwischen Staat und Nicht-Staat längst aufgegeben hat.
Was bleibt
Am Ende steht nicht nur eine neue Geopolitik. Es steht eine neue Ethik. Eine Ethik der Verwischung. Der Komplizenschaft. Des Hasses. Russland wählt seine Partner nicht nach Prinzipien, sondern nach Nutzen. Das ist kein Zufall. Es ist Strategie. Und sie kostet Menschenleben, in der Ukraine, in Israel, in Afghanistan, in Russland selbst.
Man kann diese Welt ignorieren. Man kann sie zynisch betrachten. Oder man kann sie benennen. Im Namen derer, die keine Stimme mehr haben.
