Der Fall Comey – Trumps Rachefeldzug gegen den Rechtsstaat

VonRainer Hofmann

September 26, 2025


Die Anklage gegen James Comey liest sich wie ein Dokument aus einem autoritären Handbuch: knapp zwei Seiten, erhoben von einer frisch installierten Trump-Loyalistin ohne nennenswerte Prozesserfahrung, und doch ein Donnerschlag. Am Abend des 25. September 2025 wurde der ehemalige FBI-Direktor vor einer Grand Jury in Alexandria, Virginia, wegen Falschaussage und Behinderung eines Kongressverfahrens angeklagt. Offiziell geht es um eine kurze Passage seiner Aussage vor dem Senat im Jahr 2020. In Wahrheit ist es die Erfüllung eines lang gehegten Racheversprechens Donald Trumps.

Seit Jahren gilt Comey als einer der Erzfeinde des Präsidenten – jener Mann, der es wagte, das FBI auf die Spur mutmaßlicher Russland-Verbindungen in Trumps Wahlkampf zu setzen. Nun, rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist seiner damaligen Aussage, ist die Justiz unter direktem Druck des Präsidenten bereit, eine politisch motivierte Anklage durchzudrücken. Berufsermittler in der Eastern District of Virginia hatten das Verfahren für viel zu dünn befunden. Doch sie wurden überstimmt – durch Lindsey Halligan, eine Trump-Verteidigerin ohne nennenswerte Anklageerfahrung, die wenige Tage zuvor von Trump persönlich an die Spitze der Staatsanwaltschaft gesetzt worden war.

Die Szenerie in Alexandria zeigt, wie brüchig die Schutzmauern gegen politische Einflussnahme geworden sind. Eine Grand Jury, vorgeführt von einer politischen Anwältin, ein Indiktment, das kaum über Allgemeinplätze hinausgeht – und doch ist es die schwerwiegendste Attacke der Trump-Regierung auf einen hochrangigen Kritiker seit Beginn der zweiten Amtszeit. Selbst die Richterin am Bundesgericht in Alexandria zeigte sich irritiert: Teile der beantragten Anklagepunkte hatte die Jury abgelehnt, andere – vage formuliert und von Loyalisten forciert – wurden übernommen. „Das hat es so noch nie gegeben“, soll sie im Saal gesagt haben.

Comey reagierte mit kämpferischen Worten. In einer Videobotschaft erklärte er: „Wir werden nicht auf Knien leben, und ihr solltet es auch nicht.“ Er erinnerte an seine Tochter Maurene, die im Sommer unter dubiosen Umständen aus dem Justizministerium entfernt wurde, und sprach von Angst als Werkzeug eines Tyrannen. Es war ein Appell an jene Restbestände unabhängiger Justiz, die Trump noch nicht unter seine Kontrolle gebracht hat.

Das Weiße Haus hingegen triumphierte. „Justice in America!“, jubelte Trump auf seiner Plattform Truth Social. Für ihn ist die Anklage ein weiterer Schritt, seine Feinde öffentlich zu demütigen. Schon in der Vergangenheit hatte er Comey als „schlechten Menschen“ bezeichnet, als „Skandal für die Nation“. Nun konnte er den Moment auskosten, den er jahrelang herbeigesehnt hatte. Doch hinter der Fassade der Genugtuung steckt ein gefährliches Muster. Karrierejuristen warnen vor einem „gefährlichen Missbrauch von Macht“. Wenn Anklagen nicht mehr auf Beweisen beruhen, sondern auf den persönlichen Fehden eines Präsidenten, dann verliert die Justiz ihre Schutzfunktion. Senator Mark Warner, Demokrat aus Virginia, sprach von einem „Abgrund“, in den die Vereinigten Staaten getrieben würden, wenn politische Rache Feldzüge durch die Staatsanwaltschaft ersetzt.

Die Details der Anklage wirken geradezu grotesk. Es geht um die Frage, ob Comey 2020 die Wahrheit sagte, als er erklärte, er habe niemanden autorisiert, anonym mit Journalisten über eine laufende Untersuchung zu sprechen. „Person 1“ – mutmaßlich Hillary Clinton – und „Person 3“, nach unseren Recherchen, sein damaliger Stellvertreter Andrew McCabe, tauchen in dem Dokument auf, ohne klare Zuordnung. Es ist ein juristisches Konstrukt, das auf Sand gebaut ist. Selbst viele Trump-treue Juristen räumen ein, dass der Beweiswert dürftig ist. Doch darauf kommt es offenbar nicht an.

Parallel dazu tobt eine zweite Front: In der Western District of Virginia untersuchen Beamte, ob hochrangige FBI-Funktionäre Dokumente zur Russland-Affäre versteckt haben könnten – eine Theorie, die in Trumps Umfeld kursiert, aber bislang jeder Grundlage entbehrt, haltlos. Dass ein solcher Vorgang dennoch von Bundesstaatsanwälten verfolgt wird, zeigt, wie tief der Apparat bereits unter politischer Kontrolle steht. Die Folgen lassen sich schon jetzt erkennen. Kaum war die Anklage veröffentlicht, trat Comeys Schwiegersohn, selbst Bundesanwalt, zurück – aus Protest gegen das, was er einen Verrat an der Verfassung nannte. Andere könnten folgen. Der Exodus unabhängiger Juristen würde das Justizministerium weiter schwächen und Trumps Zugriff noch erleichtern.

Comey selbst ist nicht der erste FBI-Chef, der strafrechtlich belangt wird – doch der Vergleich hinkt. In den 1970er Jahren ging es um illegale Hausdurchsuchungen während des Watergate-Zeitalters. Heute jedoch dient das Strafrecht als Werkzeug persönlicher Abrechnungen. Trumps Justizministerin Pamela Bondi und FBI-Direktor Kash Patel gaben die Richtung klar vor: Niemand stehe über dem Gesetz – doch in Wahrheit geht es darum, dass niemand über Trump stehen darf.

Der ehemalige FBI-Chef, der 2017 von Trump gefeuert wurde, nachdem er die Russland-Ermittlungen nicht stoppen wollte, steht nun im Zentrum einer politischen Justizposse. Ob die Beweise ausreichen, spielt kaum eine Rolle. Es geht um Symbolik. Es geht um Angst. Es geht um das Signal, dass jeder, der sich gegen Trump stellt, mit persönlichen Konsequenzen rechnen muss – egal, wie viele Jahre vergangen sind.

Der Fall Comey ist damit mehr als nur eine Anklage. Er ist ein Spiegelbild dessen, was passiert, wenn demokratische Institutionen gezielt ausgehöhlt und die Justiz in ein politisches Kampfwerkzeug verwandelt werden. Wer dieses Signal übersieht, wer es herunterspielt, akzeptiert stillschweigend, dass der Rechtsstaat in Amerika nicht länger das ist, was er einmal war.

Und doch bleibt da eine Stimme, die sich weigert, zu verstummen. James Comey, einst der Mann, der das FBI führte, jetzt ein Angeklagter im Visier des Präsidenten, spricht von Würde, von Mut und vom Widerstand gegen die Tyrannei der Angst. Die Frage ist nur, wie viele in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus bereit sind, diese Worte ernst zu nehmen – bevor der Rechtsstaat endgültig zu einem Relikt der Vergangenheit wird.

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