Der Eid, der Abgrund, der Rücktritt – Wie ein US-Marine-Oberst nach 24 Jahren sich öffentlich gegen Trump stellt

VonRainer Hofmann

Oktober 18, 2025

Er diente seinem Land fast ein Vierteljahrhundert lang. Afghanistan, Irak, die endlosen Wüstenübungen von Camp Pendleton bis Quantico – Doug Krugman war einer dieser Offiziere, die nie laut wurden, aber nie wankten. 24 Jahre Loyalität, Pflichtbewusstsein, Kameradschaft – und dann ein Satz, der wie ein Sprengsatz durch Washington ging: „Ich bin aus dem Militär ausgetreten – wegen Donald Trump.“

Krugman, Oberst des US Marine Corps, reichte am 30. September seinen Abschied ein – am selben Tag, an dem Präsident Trump und sein Verteidigungsminister Pete Hegseth vor den höchsten Offizieren der Nation sprachen. Es war ein Auftritt, den viele als ideologische Demonstration empfanden, ein politisches Tribunal in Uniform. Trump sprach von inneren Feinden, von „Säuberung“ und „Disziplin“, und fügte hinzu: „Wenn Ihnen nicht gefällt, was ich sage, können Sie den Raum verlassen. Natürlich – dann ist Ihr Rang weg, Ihre Zukunft auch.“ Krugman stand auf – und ging. Es war sein letzter Tag in Uniform.

„Ich habe meine Karriere aufgegeben aus Sorge um die Zukunft unseres Landes“, schrieb er. Was ihn trieb, sei nicht politischer Protest, sondern der Bruch eines Eids: „Kein Präsident ist perfekt“, so Krugman, „aber bisherige Oberbefehlshaber haben ihren Schwur auf die Verfassung ernst genommen. Mit Trump glaube ich das nicht mehr.“

Er erinnert sich an den 6. Januar 2021 – den Tag, an dem Bewaffnete das Kapitol stürmten, angefeuert von einem Präsidenten, der seine Niederlage nicht akzeptierte. Und an die Jahre danach, in denen derselbe Präsident jene begnadigte, die die Demokratie angegriffen hatten. Für Krugman war das der Moment, an dem aus politischer Loyalität moralische Komplizenschaft wurde. „Ich konnte nicht länger einem Oberbefehlshaber folgen, der die Verfassung offen verachtet“, sagte er.

Doch sein Bruch mit Trump begann schon früher. Er sah, wie die Regierung unter Pete Hegseth das Verteidigungsministerium in das „Department of War“ umbenannte, wie Auftritte von Generälen nach körperlicher Erscheinung bewertet wurden, wie Nationalgardisten gegen Demonstranten in demokratisch regierten Städten geschickt wurden, deren Gouverneure nie um Hilfe gebeten hatten. „Militärische Gewalt ist keine Antwort auf politischen Widerspruch“, sagt Krugman. „Wer Realität ignoriert, um sich auf schwammige Gesetze zu berufen und Notstandsbefugnisse zu beanspruchen, handelt unmoralisch. Das sind keine Taten, für die ich bereit bin, mein Leben zu riskieren.“ Er nennt konkrete Fälle. Die Verweigerung von Visa für afghanische Verbündete, die für die USA gekämpft hatten. Die militärische Einstufung von Portland als „Kriegsgebiet“. Die „föderalisierte“ Entsendung von Truppen in Städte, die sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen hatten. „Präsident Trump testet nicht die Grenzen der Verfassung“, sagt Krugman, „er testet, wie weit er sie ignorieren kann.“

Er war kein aktiver Soldat mehr, als er diese Aussagen vornahm, aber seine Worte klingen wie eine letzte Befehlsausgabe – diesmal nicht nach oben, sondern nach innen. „Soldaten sollten den Mut haben, Befehle zu hinterfragen, die unmoralisch oder illegal erscheinen. Sie sind für ihr Handeln verantwortlich. Wenn sie Zweifel haben, sind sie nicht allein.“ Krugman spricht leise, aber seine Botschaft ist radikal. Es ist die Rückkehr des Gewissens in eine Armee, die seit Jahren politisiert wird. Er warnt vor einem „Zusammenbruch des traditionellen Regierungssystems“, wenn weder Wähler noch Gesetzgeber die Macht des Präsidenten begrenzen. „Wenn wir die Lücken im Recht nicht schließen, werden auch künftige Präsidenten – egal welcher Partei – diesen Weg fortsetzen. Und am Ende steht der Kollaps.“

Krugmans, einer, der gesehen hat, was Krieg bedeutet, schreibt nun über den inneren Krieg eines Landes gegen seine eigenen Prinzipien. Und er tut es ohne Pathos. Nur mit dem kühlen Zorn eines Mannes, der weiß, was Loyalität kostet. Während Trump in Quantico seine Generäle ermahnt, während Pete Hegseth martialische Reden gegen „woke ideology“ hält, zieht ein stiller Offizier die Uniform aus und sagt: genug. Kein Aufstand, keine Schlagzeilen, keine Pressekonferenz – nur eine Unterschrift unter einen Rücktritt, der mehr sagt als jede Parole.

In einem Land, in dem Patriotismus zur Schau geworden ist, hat Doug Krugman das getan, was viele vergessen haben: Er hat sich an seinen Eid erinnert. Und in einer Zeit, in der Macht sich über Moral erhebt, ist das vielleicht der letzte Akt von Mut, den eine Demokratie noch kennt.

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Esther
Esther
10 Stunden zuvor

 👍  Dieser Krugman hat Rückgrat…Respekt. Ich erwarte weitere Rücktritte aus der Army…..👍🙏

Pamela
Pamela
6 Stunden zuvor

Er hat genau das Richtige getan und verdient unser aller Respekt!!!

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Stunden zuvor

Ein Mann mit Ehre, Gewissen und Rückgrat.
In einer Zeit wo die Meisten entweder zu aktiven Mittätern werden oder sich weg ducken, hat er seine Stimme erhoben.

Wahrscheinlich wird er in Kürze von Hegseth/Trump in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht, diffamiert.

Dennoch ist er duesen Weg gegangen.
Zusammen mit den mutigen Richtern.

Es braucht viel mehr Menschen wie sie.
Nur dann besteht die Hoffnung, dass der faschistische Wahnsinn aufgehalten werden kann.

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