Es ist ein Video, das mehr durch das Unausgesprochene spricht als durch jedes Wort. Jeffrey Epstein, in den Jahren nach seiner ersten Verurteilung zum ersten Mal wieder unter Eid befragt, sitzt in einem Raum, dessen Stille von der Schwere der Fragen durchdrungen ist. Ein Anwalt, der eine von Epsteins mutmaßlichen minderjährigen Opfern vertritt, stellt ihm eine Reihe von Fragen. Die ersten beantwortet Epstein noch – formell, knapp, routiniert. Dann jedoch kommt eine, bei der er innehält. „Haben Sie je gemeinsam mit Donald Trump Zeit verbracht, während sich minderjährige Mädchen in Ihrer Gegenwart befanden?“ Die Kamera hält auf Epsteins Gesicht. Sekunden vergehen. Schließlich hebt er den Blick, neigt leicht den Kopf – und antwortet nicht. Stattdessen sagt Epstein: „Obwohl ich diese Frage gerne beantworten würde, muss ich heute mein Recht auf Aussageverweigerung gemäß dem Fünften, Sechsten und Vierzehnten Verfassungszusatz geltend machen, Sir.“ Es ist das Jahr 2010. Epstein ist bereits ein verurteilter Sexualstraftäter. Doch sein Netzwerk, sein Einfluss und sein Schweigen wirken weiter. Die Szene stammt aus einer eidesstattlichen Aussage im Rahmen eines Zivilverfahrens. Der Anwalt versucht herauszufinden, wie eng die Verbindungen zwischen Epstein und hochrangigen Persönlichkeiten wirklich waren. Trump war zu diesem Zeitpunkt ein oft gesehener Gast auf Epsteins Anwesen in Palm Beach und New York. Fotos, Flugprotokolle, Partygäste – die Spuren sind zahlreich, aber selten eindeutig. Die Wahrheit, so scheint es, liegt oft zwischen den Sätzen – oder in ihrem vollständigen Fehlen.
Tatsächlich antwortet Epstein zunächst auf einige der Fragen:
Frage: „Hatten Sie jemals eine persönliche Beziehung zu Donald Trump?“
Antwort: „Was meinen Sie mit ‚persönlicher Beziehung‘, Sir?“
Frage: „Haben Sie mit ihm verkehrt?“
Antwort: „Ja, Sir.“
Frage: „Ja?“
Antwort: „Ja, Sir.“
Frage: „Haben Sie jemals mit Donald Trump verkehrt, während minderjährige Mädchen anwesend waren?“
Antwort: „Obwohl ich diese Frage gerne beantworten würde, muss ich heute mein Recht auf Aussageverweigerung gemäß dem Fünften, Sechsten und Vierzehnten Verfassungszusatz geltend machen, Sir.“
Epstein hätte durchaus sagen können: „In Bezug auf Donald Trump ist mir nichts bekannt“ – und sich anschließend auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen, um weitere Fragen zu vermeiden. Solche Antworten sind im US-Recht gängig, wenn ein Zeuge seine Aussage begrenzen will, ohne sofort vollumfänglich zu schweigen. Doch Epstein entschied sich, bereits auf genau diese Frage – ob er mit Trump in Gegenwart minderjähriger Mädchen war – gar nichts mehr zu sagen und stattdessen den Fifth, Sixth und Fourteenth Amendment geltend zu machen. Das bedeutet: Er wollte oder konnte keine rechtlich unbedenkliche Aussage mehr formulieren. Juristisch spricht man dann von einem „non-denial“, das Raum für strafrechtliche Relevanz lässt. Gerade diese bewusst gesetzte Leerstelle macht die Antwort so brisant.
Wer schweigt, sagt nichts. Aber auch das Wie des Schweigens zählt. Denn wer im amerikanischen Recht die Aussage verweigert, tut dies aus einem bestimmten Grund: um sich nicht selbst zu belasten. Dass Epstein diese Rechte explizit nennt – den Fünften, Sechsten und Vierzehnten Zusatzartikel –, ist kein Zufall. Der Fünfte schützt vor Selbstbezichtigung. Der Sechste garantiert ein faires Verfahren. Der Vierzehnte sichert Gleichheit vor dem Gesetz. Es ist ein juristisches Schutzschild, das in jenem Moment mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Donald Trump selbst hat stets betont, er habe mit Epsteins Verbrechen nichts zu tun. „Ich war nie ein Fan von ihm“, sagte er 2019. Doch alte Zitate zeichnen ein anderes Bild. In einem Interview mit New York Magazine im Jahr 2002 sagte Trump: „Ich kenne Jeff seit fünfzehn Jahren. Toller Typ. Es macht viel Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Es wird sogar gesagt, dass er ein Faible für schöne Frauen hat – genauso wie ich. Und viele von ihnen sind jünger.“
In den Folgejahren wird dieser Satz immer wieder zitiert werden – als Beispiel für eine Nähe, die später von allen Seiten relativiert oder geleugnet wurde. Doch das Schweigen in Epsteins Aussage bleibt.
Jeffrey Epstein ist tot. Viele seiner Geheimnisse sind mit ihm gestorben. Andere, so scheint es, werden nur allmählich sichtbar – in ungeschwärzten Akten, wieder aufgetauchten Videos oder unbeantworteten Fragen unter Eid. Was bleibt, ist ein verstörendes Bild: ein Mann, der zu viel wusste, ein Netzwerk, das zu mächtig war – und eine Frage, auf die es bis heute keine Antwort gibt.
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Wie bitte, habe ich da richtig gehört? Danke für diesen Bericht.
👿 „unbedenkliche“ antworten waren garantiert nicht möglich.
👍
Das war sicher der Grund warum er, ich nenne es „unfreiwilligen assistierten Selbstmord“, gemacht hat.
Nur so war zu 100% sicher, dass er nicht doch, für einen Deal, plaudern würde.
Es zeichnet sich ein immer deutlicheres Bild.
Auch Dank Eurer unermüdlichen Recherchen.
Tr*** steckt mittendrin, ganz tief.
Danke Dir