Sie reisen nicht im Schutz der Dunkelheit, sondern mit Ankündigung. Neonazis, Verfassungsfeinde, politische Relikte, die sich selbst als Speerspitze einer „Heimatrückeroberung“ inszenieren – und doch nichts weiter sind als Träger eines Hasses, den niemand vermisst. Am Samstag wollen sie nach Anklam kommen, in jene Stadt in Vorpommern, die in den vergangenen Jahren versucht hat, sich ein anderes Gesicht zu geben: offen, gastfreundlich, lebendig. Doch nun steht sie erneut im Scheinwerferlicht – nicht wegen einer gelungenen Ausstellung oder eines Festivals, sondern wegen eines angekündigten Neonazi-Treffens im sogenannten „Haus Jugendstil“, in der Pasewalker Straße, einem Gebäude, das längst zum Symbol für die Normalisierung des Ungeheuren geworden ist.
„Support your local Nazi Dealer“ – so steht es auf dem Flyer, den die rechtsextreme Partei „Die Heimat“, vormals NPD, in den sozialen Netzwerken verbreitet. Ein Satz wie eine Selbstanzeige. Ein offener Hohn gegenüber der Demokratie. Und doch scheint die Stadt, in der dieses Treffen stattfinden soll, seltsam stumm. Bürgermeister Michael Galander spricht von „Stillschweigen“ in der Stadtpolitik. Als würde man sich an die dunklen Schatten gewöhnt haben. Als würde der Protest an einem Ort, der sich so oft gegen das Vergessen stemmen musste, nun selbst zu einer Art Mahnmal des Rückzugs.
Und doch regt sich Widerstand. Nicht aus dem Herzen Anklams, aber aus Greifswald. Das Bündnis „Greifswald für alle“ hat eine Mahnwache angemeldet – „Bunte Welle statt braune Zelle“ lautet das Motto. Ein Satz, der wenigstens versucht, Licht in das zu werfen, was sich da als politische Botschaft ausgibt, aber nichts weiter ist als geistiger Schutt. Der Ort der Mahnwache – noch nicht final bestimmt. Aber die Hoffnung: sichtbar, hörbar, spürbar zu sein. Denn es ist ein Grundsatz der Demokratie, dass man sich nicht nur dort zeigt, wo es bequem ist, sondern gerade dort, wo es schmerzt.
Der Bürgermeister sagt, die Verwaltung könne nur begleiten, was aus der Stadtgesellschaft komme. Doch was, wenn die Gesellschaft schweigt? Wenn Empörung zur Randnotiz wird und die Abwehr rechter Umtriebe zur Privatsache einiger weniger? Dann bleibt eine Stadt zurück, die zur Kulisse wird für das Schauspiel einer Szene, die sich größer gibt, als sie ist – und dabei doch nur von der Gleichgültigkeit profitiert.
Die Polizei wird da sein, sagt man. Wird sichern, was sich da zusammenbraut. Doch Sicherheit ist nicht bloß eine Frage der Ordnung – sie ist eine Frage des Mutes. Des kollektiven Mutes, Haltung zu zeigen, bevor der nächste Besuch im „Norden“ angekündigt wird. Von Menschen, die niemand braucht, die keine Lösung sind, sondern immer Teil des Problems. Und deren Weltbild, wenn man es nur lässt, alles unter sich zu begraben droht, was Städte wie Anklam in mühsamer Arbeit wieder aufgerichtet haben.
Am Samstag wird sich zeigen, was stärker ist: das Schweigen oder der Widerstand. Und ob Anklam nicht doch mehr ist als ein Ort, an dem sich der Hass versammelt. Sondern auch ein Ort, an dem man ihm – endlich – die Tür weist.