Manchmal sitze ich da, lese die Nachrichten und frage mich, ob es vielleicht doch an mir liegt. Vielleicht bin ich der Letzte, der das Memo verpasst hat. Vielleicht ist die neue Realität einfach die, dass der Gesundheitsminister der Vereinigten Staaten in einer offiziellen Kabinettssitzung über die metaphysische Verbindung zwischen Penisvorhaut und Autismus doziert – und das mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der glaubt, die Evolution sei ein Missverständnis von Big Pharma.
Bin ich also bekloppt? Oder ist es die Welt?
Robert F. Kennedy Jr., Erbe eines großen Namens und Zerstörer eines kleinen Rests an Verstand, erklärte ernsthaft, Kinder hätten doppelt so häufig Autismus, wenn sie beschnitten würden – weil sie danach Tylenol bekämen. Ich wiederhole das, um sicherzugehen, dass nicht mein Gehirn, sondern wirklich der Planet durchdreht: Beschnittene Kinder, Tylenol, Autismus. Willkommen im 21. Jahrhundert, wo Wissenschaft nicht mehr überprüft, sondern gegoogelt wird, und der Gesundheitsminister die Zitate aus Facebook-Kommentarspalten recycelt. Früher sagte man: „Das steht in der Bibel.“ Heute heißt es: „Das stand mal in einer dänischen Studie, glaub ich.“ Nur dass diese Studie gar nichts bewiesen hat, außer dass Schmerz wehtut. Die Forscher schrieben: Wir wissen nicht, ob Schmerzmittel eine Rolle spielen. Kennedy las: Tylenol ist der Teufel, die Beschneidung sein Werkzeug.
Ich frage mich: Gibt es da draußen eine geheime Akademie für Minister, die lehren, wie man pseudowissenschaftliche Sätze so lange wiederholt, bis sie wie Offenbarungen klingen? Oder wird man einfach geboren mit dieser Gabe, jeden Satz mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes zu sagen, der noch nie ein Buch zu Ende gelesen hat?
Bin ich bekloppt – oder ist das normal, dass man inzwischen Regierungsämter nach YouTube-Kommentarspalten besetzt?
Ich stelle mir die Szene vor: Ein Land, das einst den Mond betrat, diskutiert jetzt ernsthaft, ob Schmerzmittel die Seele verformen. NASA? Geschichte. NIH? Verschwörung. Facebook? Offenbarung. Und irgendwo dazwischen sitzt Kennedy mit einem Glas gefiltertem Quellwasser, spricht über Detox und zitiert sich selbst, während Wissenschaftler kollektiv an einem Aneurysma arbeiten.
Bin ich bekloppt – oder hat die Welt einfach beschlossen, die Logik zu verlassen?
Ich erinnere mich an Zeiten, in denen Politiker wenigstens so taten, als glaubten sie an Fakten. Heute gilt das schon als Schwäche. Wahrheit ist Meinungssache, Wissenschaft optional, und alles, was nicht in die eigene Erzählung passt, ist „Teil des Systems“. Das System – dieser magische Container, in dem alle leben, die noch halbwegs geradeaus denken. Vielleicht bin ich ja wirklich der Verrückte. Vielleicht ist es verrückt, sich über Fakten aufzuregen, wenn Gefühl längst Gesetz ist. Möglicherweise ist es verrückt, noch an Aufklärung zu glauben, während ganze Kabinette im Nebel aus Halbwissen, Vitaminpräparaten und Applausdrogen torkeln.
Oder vielleicht ist die Welt wirklich irre geworden – und das Einzige, was uns noch bleibt, ist, diese Irre zu dokumentieren, bevor sie sich endgültig für normal erklärt. Denn wenn ein Gesundheitsminister allen Ernstes Tylenol, Autismus und Beschneidung in einen Topf wirft – und keiner lacht, weil alle Angst haben, der Witz könnte stimmen –, dann hat die Welt die Pointe schon längst hinter sich gelassen.
Also frage ich noch einmal: Bin ich bekloppt – oder die Welt? Und dann lese ich weiter, weil ich ahne, dass die Antwort morgen noch schlimmer wird.
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Wenn du bekloppt bist, dann bin ich es auch.
Eine im Bundestag ( ich weigere mich die Namen von den Clowns zu merken) hat heute gesagt, hatte Habeck nicht die Wirtschaft ruiniert, wurden hier Flugtaxis fliegen. Jetzt flögen sie in anderen Ländern…Hah? Ich verstehe nichts mehr.
In dem Fall wäre auch ich bekloppt… aber wir sind es nicht! Sondern die Dumpfbacken im Weissen Haus! Robert F. J. Kennedy hat wenn’s hoch kommt ein Gehirn auf Erbsengrösse, wenn man es aufpumpt! Da ist also nicht viel, denn eins ist sicher, übermässiger Drogenkonsum hat sowohl körperliche als auch Hirnschädigungen zur Folge… das trifft anscheinend auch auf den Gesundheitsminister zu. Davon abgesehen hat der null Wissen über Medizin.
Nein wir sind nicht bekloppt, wir sind gut informiert! Dank Euch 👍🏼👏🏼
Mach dir keinen Kopf, die Bekloppten erobern grad die USA, und Kennedy ist eh jenseits von Gut und Böse. Ich erinnere mich an eine Studie, die davon ausgeht, dass ein Drittel der Amis Kreationisten sind, das heißt. sie glauben daran, dass die Erde vor 10000 Jahren in einem Haps geschaffen wurde.Scheiss auf jeden Art von Wissenschaft und Forschung, das war halt so. Und das in einem Land, das Mondlandungen durchgeführt hat , von Techkonzernen beherrscht wird und einige der besten Universitäten und Forschungszentren weltweit hervorgebracht hat. Da wundert es eigentlich kaum, wenn ein Irrer wie Kennedy Gesundheitsminister wird.
Daher läuft der „Freizeitpark“ mit ddm Nachbau der Arche Noah so gut.
Und im Museum nebenan wird natürlich der Kreationismus gelehrt und Wissenschaft als Lüge dargestellt.
Was soll man da noch sagen?
Ach Rainer, es muss sehr schwer ertragbar sein, die vielen Menschen so in die Irre abschweifen zu sehen. Auch ich frage mich manchmal, ob ich bekloppt bin oder nicht. Wenn ich dann in Ruhe darüber nachsinne, dass plötzlich Menschen sich mit seltsamen Gedanken äußern, die ich nie für möglich gehalten hätte, dann stelle ich häufiger fest, dass diese Menschen starke Ängste entwickelt haben. Angst kann irre machen! Das nächstliegende Narrativ mit der Gewissheit eines Heilsversprechens, ist dann der Rettungsanker zur Bekämpfung der Angst. Und dass man sich nicht selber mit Hinterfragen beschäftigen muss, ob das was so Angst auslösend ist, wirklich so ist wie behauptet. Nicht zu vergessen das stärkende Gefühl in einer großen Gruppe von Menschen, die sich gegenseitig bestärken, dass sie nicht alleine sind.
Und dann taucht auch der Religiöse Wahn wieder als Heilmittel auf. Der ist meines Erachtens vor allen Dingen gefährlich, weil diese religiösen Gruppen keinen Widerspruch oder Kritik dulden. Und sie wollen nicht dulden, dass es andere Überzeugungen gibt oder sogar Atheisten. Durch solche Machtansprüche ist immer wieder sehr viel menschliches Elend entstanden. Ich habe als Kind sehr bedrückende Erlebnisse in einem katholisch geprägten Land machen müssen – von wegen christliches Verhalten, aber nur bei Menschen von der richtigen Religion.
Wenn ich dann jetzt dieses religiöse Theater bei Trumps Anhängern sehe, wird mir schlecht. Dabei hat die amerikanische Verfassung aus guten Gründen doch eine Trennung von Staat und Kirche.
Mein Fazit für Dich und mich: Nein, wir sind nicht bekloppt. Und ja, Wissenschaft ist sehr wichtig für die Menschen, um nicht in die Irre zu laufen.